Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur NSA
Bielefeld (ots)
Die öffentliche Empörung über Schnüffeleien der USA steigt und steigt. Nach dem Lauschangriff auf das Handy der Bundeskanzlerin kommt heraus, dass sich die NSA ungehinderten Zugriff auf Daten von Google und Yahoo verschafft hat. Wer sich über das Lauschprogramm Prism aufgeregt hat, muss nach der Enthüllung von »Muscular« vor dem Infarkt stehen. Nichts, so scheint es, ist mehr privat - weder Angela Merkels Handy noch die Kommunikation von Millionen Bundesbürgern. In Deutschland hat die NSA aufgrund rechtlicher Rahmenbedingungen besonders leichtes Spiel. Das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut von 1963 erlaubt den US-Lauschern auf deutschem Boden so gut wie alles. Die Große Koalition unter Kurt Georg Kiesinger und Willy Brandt änderte 1968 sogar das Grundgesetz, um die Tür für eine Überwachung noch weiter zu öffnen. Und was machen die deutschen Schlapphüte? Manche schauen weg, einige haben profitiert und andere machen unter Ausschluss der Öffentlichkeit aktiv mit. Das erklärt, warum die offizielle Reaktion in Berlin nach ersten Enthüllungen im Juni anders ausfiel als diesmal. Ging es damals doch nur um die Überwachung der elektronischen Kommunikation der deutscher Bürger. Aus Snowden-Unterlagen geht hervor, dass Berlin mindestens über Teilaspekte von Prism Bescheid gewusst haben muss. Der NSA überließen BND und Verfassungsschutz sogar das XKeyscore genannte Programm, mit dem sich in erfassten Daten kinderleicht suchen lässt. Berlin dürfte also mehr Gründe als den Wahlkampf gehabt haben, die Affäre rasch für beendet zu erklären. Um so mehr stehen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und Innenminister Hans-Peter Friederich als Blamierte da. Ihre Freunde in Washington haben sie versetzt. Bei den vertraulichen Gesprächen im Juni ging es gewiss nicht um die Bespitzelung des Kanzlerinnen-Handys. Bis dahin durfte die Bundesregierung erwarten, dass diese Grenze nicht überschritten wird. Dass dieses Vertrauen sich im Nachhinein als blauäugig erwies, erklärt den lauten Aufschrei. Allerdings besteht der Verdacht, dass beide Seiten nicht mit offenen Karten spielen. Barack Obama hält hier das schlechtere Blatt in der Hand. Politisch kann er einfach nicht glaubwürdig verkaufen, von dem Lauschangriff auf Merkel und 34 andere Staatschefs nichts gewusst zu haben. Dass die Chefin des Geheimdienst-Ausschusses Dianne Feinstein diese Version deckt, hat damit zu tun, dass sie das Amt und ihren Freund schützen will. Wenn die Bundesregierung die Bürgerrechte besser schützen will, muss das Gesetzes-Paket aufgeschnürt und neu verhandelt werden, das die NSA-Aktivitäten in Deutschland in bestehendem Umfang möglich macht. Darauf zu setzen, dass die Supermacht von sich aus angestammte Rechte aufgibt, wäre mehr als naiv.
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