Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Hessen
Bielefeld (ots)
Schwarz-Grün in Hessen ist noch lange nicht ausgemacht. Aber allein die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen würde den politischen Gestaltungsraum weit über das wirtschaftsstarke Bundesland hinaus völlig neu ordnen. Scheitert der Vorstoß, ist nicht viel verloren. Gelingt er, wird Hessen einmal mehr zum Wegweiser demokratischer Erneuerung.
Passgenau zur entscheidenden Schlussphase in den Berliner Vertragsgesprächen zeigt die Union der SPD, es geht auch anders. Mehr noch als die längst großkoalitionär gepolten Spitzengenossen um Sigmar Gabriel dürfte die SPD-Basis beim Mitgliedervotum das Signal aus Hessen davor bewahren, Schwarz-Rot im Bund noch scheitern zu lassen. Das ist beruhigend, denn aufdrehen oder abwürgen des aktuellen Job- und Wirtschaftswunders stehen auf dem Spiel.
Ganz klar, wenn in Hessen Hardliner Volker Bouffier mit dem Grünen Tarek Al-Wazir kungeln kann, dann wird es Angela Merkel mit den Bundesgrünen unter Katrin Göring-Eckardt allemal können. Aktuell geht es zwar nicht um Schwarz-Grün im Bund, dennoch ist die theoretische Variante in einem Punkt sehr konkret: als Retourkutsche für die Linksöffnung der SPD beim jüngsten Parteitag.
Und in Hessen? Dort scheint alles möglich und nichts völlig ausgeschlossen. Deshalb könnte die Dregger-Koch-Bouffier-Partei mit den von Joschka Fischer einst wählbar gemachten Grünen am Ende sogar eine grundanständige Vereinbarung finden. Und das hat Gründe. Al-Wazir hat sich im Landtagswahlkampf als Wirtschafts- und Verkehrsminister einer rot-grünen Regierung empfohlen. Nach zwei Monaten der Sondierungen in alle Richtungen ist dieser Traum ausgeträumt. Jetzt bekommt Al-Wazir eine neue Chance nach 15 Jahren Opposition aktiv Politik zu gestalten - als Vize-Ministerpräsident ohne das Wirtschaftsressort, aber auf jeden Fall mit der Verkehrsaufgabe. Und damit hätte er Mitsprache beim Umgang mit dem härtesten Brocken für Schwarz-Grün, dem Großflughafen Frankfurt/Main. An diesen Thema dürften die Koalitionäre entweder ihre Grenzen erkennen oder Fundamente für eine Kooperation mit Perspektive legen.
Bei näherer Befassung könnte sogar der ungeliebte Flughafen Kassel-Calden zur Verhandlungsmasse werden. Bouffier ließe Al-Wazir freie Hand, Roland Kochs Geister-Airport ähnlich abzustufen, wie Rot-Grün in NRW gerade mit Paderborn umspringt Zugleich hätte der grüne Partner seinen Wählern etwas vorzuweisen als Ausgleich für ein Einlenken in Frankfurt.
Durchaus Gemeinsamkeiten haben die neuen hessischen Freunde in den Bereichen Schule, Soziales, Schuldenabbau und nachhaltiges Haushalten. Fast unvereinbar scheinen dagegen die Positionen im Bereich der Innenpolitik.
Wie auch immer: Es gibt in den kommenden Wochen reichlich zu verhandeln und Signale nach Berlin zu senden.
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