Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Situation der Großen Koalition
Bielefeld (ots)
Der Wahlkampf für die Bundestagswahl 2017 hat am Wochenende begonnen. Dreieinhalb Jahre vor dem voraussichtlichen Wahltermin. Daran droht die Große Koalition frühzeitig zu scheitern. Schon bevor CSU-Chef Horst Seehofer herausposaunt hat, dass Angela Merkel 2017 erneut als Kanzlerkandidatin der Union antreten werde, gab SPD-Vize Ralf Stegner die Losung für den Wahlkampf aus: »Merkel muss weg«. Dieser Slogan verfängt nur, wenn Merkel tatsächlich eine weitere Amtszeit anstreben sollte. Und offensichtlich deutet einiges darauf hin.
Aus einem Gefühl an der Basis ist für die Union Gewissheit geworden. Der Preis, den CDU und CSU für die Große Koalition mit der SPD zahlen, ist zu hoch. Erst die demografisch unsinnige und teure Rente mit 63 der SPD abnicken. Und dann auch noch ohne große Gegenwehr einen Minister verlieren, der es offenbar zu gut mit der SPD meinte. In seiner Funktion als Bundesinnenminister wollte Hans-Peter Friedrich (CSU) im Oktober den künftigen Koalitionspartner SPD vor einem Personalfehler bewahren, der den Start von Schwarz-Rot hätte belasten können. Nun belastet der Fall Edathy die Regierung, und ein Ende ist nach neuen Vorwürfen gegen das BKA nicht in Sicht.
Der Fehlstart der Großen Koalition kann sich zu einer Regierungskrise auswachsen. Nicht etwa, weil der erste Minister seinen Hut nehmen musste. Das Problem ist der Vertrauensverlust. Hinzu kommen die inhaltlichen Unterschiede. Offen werden die im Koalitionsvertrag vereinbarten Kompromisse zur Disposition gestellt. Ob Doppelpass-Regelung oder Energiewende: Schwarz-Rot hat Bruchstellen, auch wegen der rot-grünen Landesregierungen.
Ob ein weiteres Sechs-Augen-Gespräch der drei Parteivorsitzenden die Situation entspannen könnte? Horst Seehofer schießt via Medien gegen SPD-Chef Sigmar Gabriel, während dieser bei der Krönungsmesse des sozialistischen Spitzenkandidaten für die Europawahl in Rom weilt. Ist der Wille zur Macht innerhalb der Koalition so ausgeprägt, dass CDU/CSU und SPD es noch 42 Monate miteinander aushalten? Schon zu Beginn und nun umso mehr vermittelt Schwarz-Rot den Eindruck, sich auf einen Status Quo mit einigen teuren Kompromissen bis September 2017 geeinigt zu haben.
Denn dann werden alle Karten neu gemischt - und bislang ausgeschlossene Verbindungen möglich. Schwarz-Grün und Rot-Rot-Grün sind vorstellbar. Dabei ist die letztgenannte Alternative noch längst nicht ausgemacht. Denn die Grünen sehen wegen der Rente mit 63 und der Rolle rückwärts bei der Energiewende Gesprächsbedarf mit der SPD.
Wären die wirtschaftlichen Aussichten für dieses und nächstes Jahr nicht so positiv, würde man sich eine neue Regierung zu einem früheren Zeitpunkt wünschen als erst im Herbst 2017.
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