Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Rolle der Nato in der Ukraine-Krise
Bielefeld (ots)
Die westliche Welt geht ganz offensichtlich davon aus, dass die Ukraine-Krise und der Konflikt mit Russland länger andauern werden. Die Parlamentspräsidenten der sieben großen Industrienationen (G7) haben ihr für September geplantes Treffen mit dem Vorsitzenden der russischen Duma abgesagt - schon fünf Monate vor dem Termin. Ebenfalls im Spätsommer sollen sechs weitere Kampfflieger der Bundeswehr ins Baltikum verlegt werden, um den Luftraum der Nato-Staaten Litauen, Lettland und Estland zu überwachen. Es mag zur politischen Taktik gehören, dass sich Nato und Europäische Union - öffentlich - auf eine mittelfristige Auseinandersetzung einstellen. Das Signal an Russland: Im Bündnisfall können sich die östlichen Mitglieder auf die Nato verlassen. Doch könnten sie das im Ernstfall wirklich? Wladimir Putin weiß genau, dass der Westen gespalten ist. Und der russische Präsident arbeitet daran, dass dies so bleibt. 53 Prozent der Deutschen lehnen eine stärkere Sicherung des baltischen Luftraums durch Nato-Jets ab, nur 40 Prozent halten mehr militärische Präsenz in Osteuropa für richtig. Ein weiteres interessantes, wenn nicht gar bedenkliches Ergebnis des aktuellen ARD-Deutschlandtrends: 49 Prozent (60 Prozent in den östlichen Bundesländern) wollen für die Bundesrepublik eine mittlere Position zwischen dem Westen und Russland, während 45 Prozent (31 Prozent im Osten) Deutschland fest verankert in EU und Nato sehen. Trotz historisch schlechter Erfahrungen scheinen deutsche Sonderwege nicht aus der Mode zu kommen. In Sachen Ukraine-Konflikt ist Deutschland nicht der einzige Nato-Staat, der gespalten ist. In Bulgarien ist es sogar die politische Spitze des Landes. Der konservative Staatspräsident lehnt eine Teilung der Ukraine ab, die sozialistische Regierung will keine Sanktionen gegen Russland. In den ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes (inklusive der ehemaligen DDR) spielt die alte Moskautreue noch eine Rolle. So laut Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in diesen Tagen auch dröhnen mag: Die Nato hat während der Krim-Krise keine gute Figur gemacht. Schon bei den ersten Protesten auf dem Maidan in Kiew hätte das westliche Bündnis Putin zu einer Sitzung des Nato-Russland-Rates drängen müssen - um wenigstens versucht zu haben, die Position des Kremls zu verstehen und die mittlerweile eingetretene Eskalation zu verhindern. Optimisten verklären die Ukraine-Krise schon zur Wiedergeburt der Nato. Eine ziemlich steile These, zumal das Bündnis in der Russlandpolitik derzeit keine gemeinsame Linie verfolgt. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist nicht vergessen und stellt die Nato vor schwer zu lösende Fragen. Wer könnte sich 75 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs deutsche Panzer in Polen an der Grenze zu Weißrussland vorstellen?
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