Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur EEG-Reform
Bielefeld (ots)
Die Ankündigungen waren vollmundig - erst im Wahlkampf, dann in den ersten Regierungswochen. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) schwang sich auf, zum Retter der kleinen Leute, Händler und Mittelständler vor einem weiter explodierenden Strompreis zu werden. Erst deutete er die Chance einer kleinen Entlastung an, jetzt ist die Rede von stabilen Preisen bis 2017 oder dem Ziel, die weitere Verteuerung bremsen zu wollen. Das Problem der steigenden Energiekosten galt vor der Wahl als eines der drängendsten. Folgerichtig machte die Regierung die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu einem zentralen Projekt.
Was daraus geworden ist, ist enttäuschend. Gabriel, der im Wahlkampf keine Gelegenheit ausließ, die FDP für ausufernde Industrierabatte verantwortlich zu machen, ist längst aus der Reformer-Rolle geflüchtet. Seine EEG-Novelle wird, wenn sie ohne große Änderungen Bundestag und Bundesrat passiert, mal wieder nur ein Reförmchen sein. Wie schon viele andere zentrale Projekte von Vorgängerregierungen. Wird es ernst, verlässt die politische Elite der Mut. Selbst wenn der Handlungsdruck riesig ist.
Eine Milliarde Euro Entlastung hatte Gabriel den Verbrauchern versprochen oder eine Senkung der Stromsteuer ins Spiel gebracht. Kommen soll nun weder das eine noch das andere. Gabriel begründet die minimalen Einschnitte bei den Industrierabatten damit, dass andernfalls hunderttausende Arbeitsplätze bedroht wären - ein Totschlagargument. Natürlich gibt es energieintensive Branchen, deren Fortbestand im internationalen Wettbewerb maßgeblich von den Energiekosten abhängt. Doch es gibt eben auch viele subventionierte Unternehmen und Wirtschaftszweige, deren Existenz nicht mit dem Rabatt steht und fällt.
Die Regierung hat entschieden, die 2100 Betriebe und Schienenbahnen fast unverändert zu entlasten, um Arbeitsplätze zu sichern oder Fahrpreise zu stabilisieren. Erlaubt sein muss aber die Frage nach dem Wie. Es bleibt die Frage nach dem Wie. Und ist es nicht eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die steuerfinanziert werden sollte - auch zum Schutz der Energiewende? Wie schon bei den Rentenplänen, wo die zusätzlichen Lasten - Rente mit 63 oder Mütterrente - den Beitragszahlern aufgebürdet werden, sollen beim Strom vor allem die Bürger und die große Zahl der Mittelständler zahlen. Das ist eine Frage von Gerechtigkeit und ein Fehler im System, der der Akzeptanz beider Reformen schadet.
Die EEG-Novelle enthält richtige Ansätze bei Ausbau und Förderung der Erneuerbaren Energien, aber auch weitere Schwächen: Etwa Regelungen zur Selbstvermarktung sowie Ausschreibungspflichten, die kleinere Akteure wie Bürgergenossenschaften vor große Herausforderungen stellen. Auch die Verknüpfung von Ökostrom- und Netzausbau sowie Anreize für Speicherlösungen bleiben Baustellen. Die Regierung und Gabriel vorneweg haben die Chance auf einen großen Wurf vertan.
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