Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Zukunft der Nato
Bielefeld (ots)
Über Langeweile können sich die Regierungschefs der 28 Nato-Mitgliedsstaaten bei diesem Gipfel in Wales nicht beklagen. Die Krisen in Osteuropa und im Nahen Osten haben vieles verändert. Lange suchte das Bündnis nach dem Mauerfall nach neuen Aufgaben. Nato-Gipfeltreffen verbreiten bisweilen so wenig Spannung, dass der damalige US-Verteidigungsminister Robert Gates 2009 Kreuzworträtsel mitbrachte. Welch einen Unterschied ein paar Monate ausmachen können. Als die Gipfelplaner über die Tagesordnung für dieses Herbsttreffen brüteten, fiel ihnen nicht viel ein: Rückzug aus Afghanistan, Ruhe in Europa und wenig Interesse, in Nahost aktiv zu werden. Und jetzt? Im Osten stellt Wladimir Putin den Nachkriegskonsens in Frage, Grenzen in Europa nicht mit Gewalt zu verändern. Im Süden bedroht der Terror des »Islamischen Staates« (IS) die Sicherheit. So sucht die Nato eine Strategie, wie sie mit dem Hybrid-Krieg umgehen soll, den Wladimir Putin in der Ostukraine vom Zaun gebrochen hat. Dort marschieren russische Soldaten ohne Hoheitsabzeichen ein, um angeblichen Separatisten zu helfen. Zugleich verbreitet Moskau Fehlinformationen, die das Nachbarland für die militärische Aggression verantwortlich erscheinen lassen. Skrupellos setzt sich der Kreml so über Vereinbarungen hinweg, die das Verhältnis zwischen dem Westen und Russland nach Ende des Kalten Krieges bestimmt haben. Allen voran die Nato-Russland-Grundakte von 1997. Sollte Putin diese Blaupause im Baltikum wiederholen, stünde das Bündnis vor einem ernsthaften Problem. Genauso wenig können die Partner dem Treiben von IS in Syrien und Irak tatenlos zuschauen. Wenn der Westen die Terror-Brigaden dort nicht bekämpft, dürften sie schon bald vor der eigenen Haustüre stehen. Trotz der Verantwortung für das Irak-Desaster kann dieses Problem nicht allein der Supermacht zugeschoben werden. Viele der brutalen Kämpfer strömen als Dschihad-Touristen aus Europa nach Syrien und in den Irak. Diese stellen eine reale Gefahr da, wenn sie abgestumpft und abgehärtet aus dem Krieg zurückkehren. Der IS bedroht die Sicherheit aller Nato-Mitglieder. Barack Obama muss die Führung im Bündnis übernehmen. Dabei muss er den Balten und Polen klarmachen, dass die USA Putin keine weiteren Provokationen erlauben wird. Falls sich Russland weiter über den Geist der Grundakte von 1997 hinwegsetzt, darf die Einrichtung von permanenten Nato-Basen kein Tabu mehr sein. Im Nahen Osten liegt es an den USA, im Eiltempo eine Strategie zu formulieren, die das Versprechen einlösen kann, das Terror-Kalifat zu zerstören ohne Sunniten zu verprellen. Dafür wird eine regionale Koalition benötigt, die Bodentruppen liefert und von der Nato logistisch unterstützt wird. Die Doppelkrise im Osten Europas und Mittleren Osten fordert das transatlantische Bündnis stärker heraus als sich die Mitgliedsstaaten vor Jahresfrist noch gedacht hatten. Die Nato muss sich beiden Aufgaben stellen.
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