Westfalen-Blatt: zur Misshandlung von Flüchtlingen
Bielefeld (ots)
Bagram in Afghanistan und Abu Ghraib im Irak, Rakka in Syrien und Guantánamo auf Kuba stehen dafür, dass wehrlose Menschen im 21. Jahrhundert auf das Abscheulichste gequält werden. Muss man zu den Orten nun auch Burbach im Siegerland hinzufügen? Von hier gehen seit dem Wochenende Bilder um die Welt, die uns alle, die wir in diesem Land leben, beschämen. Bilder vom Stiefel auf dem Kopf eines Flüchtlings und der Demütigung eines Asylbewerbers, der sich in Erbrochenes legen musste. Absurd wäre der Versuch einer Entschuldigung, das Wachpersonal sei überfordert gewesen. Denn die Skrupellosen taten es mit Lust. Sonst hätten sie sich nicht noch gegenseitig fotografiert und gefilmt. Allerdings agieren die Wachleute, auch wenn sie Mitglieder eines privaten »Sicherheitsdienstes« und Subunternehmer vom Subunternehmen sind, im staatlichen Auftrag. Zugegeben, durch den schnellen Anstieg der Flüchtlingszahlen handeln die Verantwortlichen aktuell unter riesigem Zeitdruck. Doch lief schon vorher einiges schief. Die Aufgabe, für die Flüchtlinge und die Sicherheit in den Asylbewerber-Unterkünften zu sorgen, verlangt auch zu »normalen« Zeiten große Verantwortung. Doch vergeben werden die Aufträge unter Kostenaspekt. Wenn etwas derart aus dem Ruder läuft wie jetzt in Nordrhein-Westfalen ist es Zeit, noch einmal grundsätzlich nachzudenken. Ist es richtig, Flüchtlinge, die oft traumatisiert und in jedem Fall unter enormem Stress stehend hier ankommen, zu Hunderten in eine Unterkunft stecken? Liberale, Gläubige, Islamisten, Atheisten, ehemalige Kriegssoldaten, Frauenrechtlerinnen, Angehörige verfeindeter Ethnien . . . - alle unter einem Dach? Sicher, wer nach Deutschland flieht, soll sich hier »anständig« benehmen. Aber was spricht dagegen, den Einstieg durch dezentrale Unterbringung so zu erleichtern, dass die Menschen Zeit haben, zu sich und zu dem Land zu finden, das vielleicht ihre neue Heimat wird? Wir müssen nicht erst seit dem vergangenen Wochenende damit leben, dass es in Deutschland Rassisten gibt. Doch wir müssen alles tun, dass diese nicht auf Wehrlose losgehen. In den von Privatunternehmen geführten Unterkünften gilt das private Hausrecht. Das heißt: Der Betreiber und sein Sicherheitsdienst entscheiden, wer in die Unterkunft darf und wer nicht. In vielen Häusern schätzt man, dass kirchliche Gruppen und Organisationen wie Amnesty International und Pro Asyl in die Häuser kommen und mit den Flüchtlingen sprechen. Wo das so ist, werden sich kranke Gestalten wie die schlecht bezahlten Wachleute in Burbach schwerer tun, Gewalt gegen Asylbewerber auszuüben. Die Behörden in NRW haben die Größe der Aufgabe, die die Unterbringung der Nahost-Flüchtlinge mit sich bringt, unterschätzt. Es wurden nicht nur unfähige Wachleute beauftragt, sondern zum Teil - siehe Herford - noch nicht mal für die Unterkünfte gesorgt. Dieser Schlendrian ist jetzt hoffentlich vorbei.
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