Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Olympia in Deutschland
Bielefeld (ots)
Das Ergebnis hatte sozialistische Ausmaße. Ohne Gegenstimmen sprach sich am Samstag der deutsche Sport für Hamburg aus. Die Hansestadt soll es also richten und das größte Sportfest der Welt nach 52 Jahren wieder nach Deutschland holen. Die Chancen sind gering. Und das liegt nicht an den Wutbürgern, die sich sicherlich noch vor der finalen Befragung positionieren werden. Hamburg ist Sportstadt, und die vorab eingeholte Zustimmungsrate dürfte schon beim Vorschlag durch den Deutschen Olympischen Sportbund den Ausschlag gegeben haben - gegen Berlin. Doch mit Boston ist ein Kandidat im Rennen, gegen den auch Rom (das wäre ein interessantes verkehrstechnisches Experiment) oder Istanbul oder Paris keine Chance haben. Denn dafür hat der US-Sender NBC (7,65 Milliarden Dollar für den Zeitraum 2021 bis 2032) zu viel bezahlt. Letztlich geht es eben doch immer um das liebe Geld. Trotz der vom Internationalen Olympischen Komitee propagierten neuen Bescheidenheit gilt weiter das Motto »Klotzen statt Kleckern« - und nicht »Dabeisein ist alles«. Diesen olympischen Spirit haben die Deutschen, die sich schon häufiger mit Bewerbungen eine blutige Nase holten, noch nicht verstanden. Die Milliarden, die die Spiele kosten würden, wären in Deutschland gut investiert. München profitiert seit 1972. Das beste aktuelle Beispiel für eine funktionierende Nachhaltigkeit ist London. Was Sir Sebastian Coe und sein Team für den Londoner Stadtteil Stratford getan haben, ist beeindruckend. Was noch mehr beeindruckt, ist die Wiederbelebung des britischen Leistungssports (ja, ja, wahrscheinlich wurde auch chemisch nachgeholfen). Denn Coe hatte als ehemaliger Weltklasseathlet richtig erkannt: Olympia in London wird nur dann unvergesslich, wenn auch die heimischen Athleten für Furore sorgen. Er hatte erkannt: Gold gibt's bei den Spielen nicht umsonst. Deshalb sollten die deutschen Bewerber tunlichst nicht nur in Steine sondern auch in Beine investieren. Neun Jahre sind es noch bis 2024. Da kann man, da muss man jetzt anfangen, perspektivisch die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Allerdings machen die Äußerungen des Sportministers Thomas de Maizière wenig Hoffnung. Er will das »Gießkannenprinzip« abschaffen und gleichzeitig die Medaillenvorgaben noch weiter erhöhen. Was für ein Irrsinn! Weiß man doch, dass schon die jetzigen Vorgaben unrealistisch sind. Es sei denn, man setzt auf illegale Beschleuniger. Wahrscheinlich werden diese Diskussionen aber nicht im Zusammenhang mit Olympia 2024 in Deutschland geführt werden - vielleicht 2028. Damit hätte der deutsche Sport dann auch die Zeit, ein Äquivalent zum Mittelstreckler Coe zu finden. Man hat sich zwar auf Hamburg geeinigt. Aber einen Mann, der den Olympischen Spirit so verinnerlicht hat und vorlebt, den gibt es in Deutschland noch nicht.
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