Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Saudi-Arabien
Bielefeld (ots)
Das Bild ist verwirrend. Der saudische Kronprinz sperrt einen Teil der wirtschaftlichen Elite seines Landes in einen Fünf-Sterne-Knast namens Ritz-Carlton. Derselbe Muhammad bin Salman zwingt Libanons Ministerpräsident Saad Hariri zum Rücktritt, nachdem dieser in Todesangst vor der Hisbollah nach Riad geflüchtet ist. Das Ultimatum gegen den schiitisch orientierten Nachbarn Katar hat sich nach wenigen Monaten als wirkungslos erwiesen. Und schließlich treibt Saudi-Arabien im Jemen Tausende Kinder in den Tod, weil seine technisch hochgerüstete aber offenbar unfähige Armee wie im Mittelalter aufs Aushungern von Zivilisten setzt. Das Bild macht Angst, weil der streng sunnitische Teil des Islam vor dem Erzrivalen Iran derzeit jede Woche ein bisschen mehr an Gesicht verliert. Nichts schmerzt mehr im saudischen Königshaus als ein Zacken, der aus der Krone bricht. Das macht die Lage so gefährlich. Das lässt Beobachter vor einem großen Krieg beidseits des Persischen Golfes warnen. Stellvertretergerangel gibt es schon genug in Syrien und per Terrorfinanzierung. Das Bild vollständig zu erfassen ist kaum möglich. Wir wissen nicht, wie der Machtkampf zwischen Kronprinz Salman und 200 erstmals mit Polizeimethoden angegangenen saudischen Milliardären ausgeht. Vor allem ist unklar, was hinter dem pauschalen Vorwurf Korruption steckt. Die Ölmacht auf Zeit weiß, dass sie umstrukturieren muss. Aber niemand erkennt von außen, weshalb dabei nicht an einem Strang gezogen wird. Zugleich will Europa das Atomabkommen mit Teheran retten, Donald Trump macht nicht mit und der saudische Kronprinz sieht sich durch den jüngsten Besuch des US-Präsidenten in seinem Chaoskurs bestätigt. Das Bild wieder zu bereinigen braucht etwas, das derzeit gar nicht stattfindet, nämlich Diplomatie. Nichts kann das geduldige Abarbeiten und Aufräumen einzelner Abschnitte ersetzen. Auch ohne Krieg liegen jetzt schon genug Trümmer auf dem politischen Schlachtfeld zwischen Saudi-Arabien und Iran. Frankreich interveniert bereits in Riad zugunsten des Libanon. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel äußert bislang nur Unverständnis. Das Bild, das Saudi-Arabien derzeit abgibt, schadet dem Land selbst am meisten. Im kommenden Jahr soll ein Teil des staatlichen Ölkonzerns Aramco an die Börse gebracht werden. Der größte Börsengang, den die Welt je gesehen hat, könnte dann die selbst für Scheichs sagenhafte Summe von 100 Milliarden Dollar in deren Kassen spülen. Damit sollen große Infrastrukturprojekte für die Zeit nach dem Öl finanziert werden. Das ist eine vernünftige Entscheidung mit Perspektive - allerdings nur solange, wie das Bild nicht von Pulverdampf und Kriegsgeschrei getrübt wird.
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