Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum 1. Mai
Bielefeld (ots)
Plus 4,3 Prozent in der Metallbranche, plus 3,19 Prozent in der ersten Stufe im öffentlichen Dienst: Die Gewerkschafter können in diesem Jahr zu den 1.-Mai-Kundgebungen mit breiter Brust auftreten. Anders als in früheren krisenhafteren Jahren bringen die Erhöhungen den Beschäftigten auch real einen Zuwachs. Gleichwohl gilt selbst in der Geschäftswelt, dass Geld nicht alles ist. Bei Befragungen der Generationen Y (geboren ab 1980) und Z (etwa ab 1995), was bei der Wahl des Arbeitsplatzes am wichtigsten ist, rutscht der Lohn schon auf Platz 4 oder 5 ab. Faktoren der sogenannten Work-Life-Balance - also des Ausgleichs zwischen Berufs- und Privatleben - und ein kooperatives Betriebsklima erscheinen wichtiger. Das gilt auch für die mittlere und ältere Generation, die mehr Zeit für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige haben will. Teilweise wurde die Forderung schon von den Gewerkschaften aufgegriffen und in Tarifverträge eingeführt - zum Leidwesen der Arbeitgeber, die darin eine Aufgabe für die Gesellschaft und damit für den Staatshaushalt sehen. Mehr Geld ist auch dann nicht alles, wenn Veränderungen in der Arbeitswelt dazu führen, dass Berufe ganz wegfallen oder sich so verändern, dass sie nicht mehr in das Muster der Tarifverträge passen. Genau das passiert im Zuge von »Industrie 4.0« und IoT, dem Internet der Dinge. Vieles spricht dafür, dass die Arbeit nicht generell verschwindet. Wohl aber werden sich Berufe so verwandeln, dass sie von den bisherigen Jobinhabern auch nach einer Fortbildung nicht bewältigt werden können. Schlimmstenfalls werden die Arbeitsplätze ganz überflüssig. Der aktuelle Wandel ist grundlegender als bei früheren Umbrüchen, als nur Teile der Arbeit von Maschinen übernommen wurden. Angefüttert mit künstlicher Intelligenz können Computer in Zukunft den ganzen Geschäftsablauf von der Bestellung über Produktion, Auslieferung und Ablieferung selbst übernehmen. Vorteil heute ist, dass Industrie 4.0 in eine Zeit der Fast-Vollbeschäftigung fällt. Es bleibt aber das Problem, was mit denen geschieht, die aus Altersgründen oder weil ihnen die Bildungsvoraussetzungen fehlen, aus der Arbeitswelt in die harte Hartz-IV-Welt geworfen werden. Nicht von ungefähr ist das Uraltthema eines bedingungslosen Grundeinkommens plötzlich wieder aktuell: Jeder Erwachsene hätte auch ohne Arbeit Anspruch auf existenzsichernde Versorgung durch den Staat. Auch wenn Skeptiker glauben, dass danach Kräfte für die verbleibende Arbeit fehlen, lohnt es sich, die Idee weiter zu diskutieren. Das »Nein« des DGB auf Grund der Befürchtung, die Arbeitgeber könnten sich wegen des Grundeinkommens aus der solidarischen Finanzierung der Sozialversicherung zurückziehen, muss nicht das letzte Wort sein.
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