Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum CDU-Parteitag
Bielefeld (ots)
Eine parteiinterne Revolte ist nicht zu erwarten. Vom Parteitag der CDU in Leipzig an diesem Wochenende wird kein Sturm der Entrüstung der Kritiker ausgehen. Wenn überhaupt ist mit einem Sturm im Wasserglas zu rechnen. Trotz aller Differenzen innerhalb der Christdemokraten scheinen sich alle einig zu sein: Vom Parteitag muss ein Signal der Geschlossenheit und Entschlossenheit ausgehen, nicht ein Signal der Zerrissenheit.
Die verordnete Harmonie sagt viel über den Zustand der Partei aus. Besser keine Kontroversen. Streit, Störfeuer und Konflikte gibt es schon genug. Nicht allein von Friedrich Merz. Und es sagt viel über den Zustand der Bundesregierung aus, in der die Union eine am Boden liegende SPD mit durchschleppen muss. Jüngstes Beispiel des Verbiegungsprozesses von CDU/CSU ist der Kompromiss bei der Grundrente. Da können sogar Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag über die Bedürftigkeitsprüfung schnell in Vergessenheit geraten beziehungsweise über Bord geworfen werden.
Das Fortsetzen der Koalition ist von größerer Bedeutung, so unbeliebt die Groko auch sein mag. Damit es überhaupt weitergeht, wird dem Koalitionspartner ein Stück Zucker gegönnt. So funktioniert Politik, ganz gleich, ob das beim Wähler ankommt oder in den eigenen Reihen Gefallen findet. Ohne den Kompromiss bei der Grundrente wäre die Groko ins Wanken geraten. Die Folge wären Neuwahlen gewesen und damit vielleicht instabilere politische Verhältnisse als jetzt. Hinzu kommt, dass die Union weder thematisch noch personell auf so eine kurzfristige Situation vorbereitet wirkt. Die anderen Parteien allerdings auch nicht, so dass Forderungen nach dem Groko-Ende auch von den Grünen nicht laut zu hören sind.
Das Ende der Großen Koalition ist nicht in Sicht. Die, die das Aus wollen, können es nicht herbeiführen, schon gar nicht beim Parteitag. Und die, die es könnten, wollen nicht. Womit wir zwangsläufig beim Thema Kanzlerkandidatur wären. Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz, die ja nicht die einzigen in Frage kommenden Kandidaten sind, werden sich nicht locken lassen. Keiner von beiden wird seinen Hut in den Ring werfen. Es bleibt dabei, dass darüber spätestens im Herbst 2020 entschieden wird.
Dennoch werden die Mitglieder, darunter der Mitbewerber Armin Laschet, sehr genau darauf achten, wer das Rededuell gewinnt. Beide sind angeschlagen. Kramp-Karrenbauer aufgrund ihrer Fehler und Führungsschwäche, aber auch wegen ihres schwachen Generalsekretärs und der verlorenen Wahlen. Und Merz, weil er nicht nur die Kanzlerin, sondern auch die Große Koalition und die CDU so scharf von der Seitenlinie aus attackiert hat, dass sich selbst Teile seine Anhänger davon distanziert haben. Merz wird vor seiner Rede viel Kreide fressen müssen, wenn er die Partei auf seine Seite bringen möchte. Und so sehr er Angela Merkel auch hassen mag: 15 Jahre Kanzlerschaft sind nicht irgendetwas - davon ist ein Friedrich Merz Lichtjahre entfernt. Somit wird er unterstreichen, dass es in der CDU nur gemeinsam geht. Mit ihm (als Kanzler) und mit AKK (als was auch immer). Den letzten Satz wird er nicht sagen. Er wird ihn sich einfach dazudenken.
Auch Annegret Kramp-Karrenbauer wird eine gute Rede halten. Patzer sind ihr bislang nur dann passiert, wenn sie spontan sein musste und nicht vorbereitet war. Will sie Pluspunkte sammeln, muss sie sagen, wohin sie mit der CDU will, welche Themen der Partei wichtig sind und wie die CDU die Zukunft Deutschlands im weltweiten Wettbewerb gestalten will. Gerne würden die Mitglieder auch erfahren, ob die CDU sich als eine Partei versteht, die für alle wählbar sein will, oder eine Volkspartei ist, die ein klares Profil besitzt und danach auch handelt.
Trotz aller Harmonie-Absicht fehlt es dem Parteitag gewiss nicht an Brisanz. Die Themen Grundrente, Frauenquote oder auch die Urwahl zur Kür des Kanzlerkandidaten sowie die Frage, ob chinesische Netztechnik von Huawei vom 5G-Ausbau ausgeschlossen wird oder nicht, schreien nach Debatte. Nur Mut, CDU!
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