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RNZ: Die neue Zeit? Ein Kommentar zur Lage der SPD nach dem Sonderparteitag

Heidelberg (ots)

Von Manfred Fritz
Eines kann die SPD, die Partei mit der längsten Krisenerfahrung, 
immer noch: Sich aufrappeln und die Beseitigung der Kollateralschäden
als furiosen Neubeginn verkaufen. Sie ist nach Lage der Dinge mit 
Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering derzeit bestmöglich neu
aufgestellt. Ein Aufatmen über das Ende der kurzen Blei-Zeit unter 
Kurt Beck, mit ihren fallenden politischen Kursen, geht durch die 
Partei. Und ihr kommt sogar die globale Finanzkrise als Auftrag zu 
einer notwendigen Stärkung des Politischen gegenüber dem 
zerstörerischen "Spiel" der ungezügelten Finanzmärkte weit entgegen. 
Denn die Menschen erwarten von der Politik Antworten, die zwischen 
einem Marktradikalismus, der sich zu Tode gesiegt hat, und einer 
sozialistischen Staatsgläubigkeit liegen, die von der 
Lebenswirklichkeit so weit entfernt ist wie der Mond von der Erde.
In dieser Lücke gedenkt sich die SPD mit ihrem deutlich formulierten 
Machtanspruch einzurichten. Sie empfiehlt sich als die Kraft, die 
nicht nur neue Verkehrsregeln für die Finanzmärkte definiert, sondern
darüber hinaus neue Regeln des Miteinanders in der Gesellschaft 
aufstellt, wie es Steinmeier und Müntefering einträchtig formuliert 
haben. Niemand hätte eine solche Rückkehr zur politischen 
Gestaltungsfreiheit vor einem halben Jahr auch nur zu denken gewagt. 
Darin liegt, zweifellos, der sichtbare Erfolg dieses Neubeginns.
Personell und inhaltlich folgt die SPD dem alten Arbeiterlied, das 
den Sonderparteitag beendete: "Wann wir schreiten Seit' an Seit'..." 
Die Arbeitsteilung zwischen Steinmeier und Müntefering ist 
unmissverständlich und vorderhand unproblematisch: Der 
Kanzlerkandidat als Nummer eins - und auch als Architekt der Agenda 
2010 - lädt zwar alle Flügel der Partei ein, macht aber inhaltlichen 
Führungsanspruch deutlich. Er stellt das Bindeglied zur Politik von 
Schmidt und Schröder her: Pragmatisches Handeln zu sittlichen 
Zwecken. Damit umwirbt er die verlorenen Wähler der Mitte. 
Müntefering ordnet sich dem hierarchisch unter und besorgt die 
Revitalisierung der entmutigten Partei. Das programmatische Leitmotiv
bildet die letzte Zeile des oben genannten Liedes: "Mit uns zieht die
neue Zeit."
So wie sich die SPD in Berlin neu formierte, hat sie sich fürs Erste 
auch dem hypnotisierenden Einfluss der Linkspartei entzogen. Aber das
setzt voraus, dass auch die zentrale Selbstbeschwörung über den 
Sonderparteitag hinaus in den Wahlkampf hinein trägt: "Wir sind eine 
SPD". Nur wenn den beiden Spitzengenossen das gelingt, wird es auch 
für die Kanzlerin sehr eng. Denn sie ist im Moment die Ein-Frau-Show 
der Union, ihre schwarz-gelbe Koalitions-Option ist noch längst keine
sichere Bank. Aber der in der Großen Koalition eingeschlafene 
Parteien-Wettbewerb wird mit dieser SPD wieder spannend. Denn es ist 
Zeit für neue politische Antworten.

Pressekontakt:

Rhein-Neckar-Zeitung
Manfred Fritz
Telefon: +49 (06221) 519-0

Original-Content von: Rhein-Neckar-Zeitung, übermittelt durch news aktuell

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