RNZ: So vorgestellt - Ein Kommentar zu 60 Jahre Verfassungsgericht
Heidelberg (ots)
Das schönste Kompliment an das Verfassungsgericht ist schon fast 60 Jahre alt - und war eine Rüge: "Dat ham wir uns so nich vorjestellt", soll Kanzler Adenauer 1952 über die penetrante Unabhängigkeit der Richter gegrummelt haben. Doch, wäre anzufügen: Genau so war das gedacht. Die junge Bundesrepublik hatte sich das wohl mächtigste Verfassungsgericht der Welt gegeben. Nach der Erfahrung von zwölf Jahren Barbarei brauchte es eine mächtige Instanz, um künftige Regierungen ohne Wenn und Aber an Recht und Gesetz zu binden. Es ist kein Zufall, dass sich viele Staaten der Welt in Phasen der Demokratisierung sehr genau das Grundgesetz zu Gemüte führen. Sie interessiert nicht die konkurrierende Gesetzgebung oder der Länderfinanzausgleich, sondern die herausragende Stellung der Menschenrechte und ihrer obersten Hüter. Nun werden zum Jubiläum kritische Stimmen nicht fehlen. Sie sehen bis heute in der Karlsruher Unabhängigkeit den Willen, selbst Politik zu machen. Doch der Vorwurf geht oft fehl. Auch wenn das Gericht mindestens ein Grundrecht erfand, das bis heute nicht in der Verfassung steht (jenes auf "informationelle Selbstbestimmung"). Auch wenn manches Urteil sehr enge Vorgaben macht, wie ein Gesetz auszusehen hätte. Voraus geht stets das Versäumnis in Parlament und Regierung, selbst adäquat zu handeln. So wurden die Wächter der Verfassung auch ihre eifrigsten Modernisierer.
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