Neue Presse Hannover: Trittin: SPD und Schröder haben soziale Probleme bei der Agenda 2010 verursacht
Volksparteien seien politische Auslaufmodelle
Hannover (ots)
Im 30. Jahr ihrer Bundestags-Geschichte sollten sich die Grünen "nicht überheblich, nicht besserwisserisch, aber durchaus selbstbewusst" zu Wort zu melden. Das sei angebracht angesichts der von seiner Partei bewiesenen Fähigkeiten zur parteiübergreifenden Konsensbildung, betonte Jürgen Trittin, Grünen-Spitzenkandidat für die nächste Bundestagswahl, in einem Video-Interview mit der bei der Mediengruppe Madsack erscheinenden "Neuen Presse Hannover" (Dienstag-Ausgabe).
Die Zukunft der Parteien sieht er nicht in Volksparteien, sondern in profilprägenden Parteien. "Ich halte generell das Modell Volkspartei für nicht mehr zeitgemäß." Das erlebten gerade CDU und SPD. "Wir steuern eher auf eine Situation mit mehreren größeren und mittleren Parteien zu, die bestimmten politischen und sozialen Profilen ein Gesicht geben", hob Trittin hervor. "Kompromiss- und Konsensbildung findet dann nicht innerhalb der Partei statt, sondern über die Bildung von Koalitionen".
Mit Blick auf seinen Spitzenkandidaten-Kollegen bei der SPD, Peer Steinbrück, meinte Trittin: Peer Steinbrück sei der Kandidat der SPD und die habe für diese Entscheidung ganz bestimmt ein Motiv gehabt. "Ich vermute, es geht insbesondere um Wähler, die in einem Wechselfeld zwischen SPD, FDP und der CDU sind. Das sind Bereiche, die wir in dieser Form kaum erreichen können." Es sei ja nicht verkehrt, wenn die SPD versuche, dort zu fischen.
Angesichts der vor zehn Jahren von Rot-Grün verabschiedeten "Agenda 2010" und der sich daran für die SPD anschließenden tiefen Krise hob der Grünen-Politiker hervor, dass seinerzeit seine Partei andere Vorstellungen gehabt habe. "Die Grünen haben von Anfang an für einen höheren Regelsatz plädiert." Sie hätten die Frage des Förderns anstelle des Forderns weiter nach vorne ziehen wollen. "Und wir haben bis zum Schluss dafür plädiert, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zu verknüpfen mit einem gesetzlichen Mindestlohn", sagte Trittin. "Das ist damals nicht von den Grünen blockiert worden, sondern von der Sozialdemokratie und von einem sozialdemokratischen Kanzler. Wenn es nach den Grünen gegangen wäre, hätten wir heute manches Problem nicht."
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