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Deutsche Marine - Pressemeldung (Feature): Auch nach dem Rekord: "Tiefster Deutscher" bleibt Minentaucher
Glücksburg (ots)
Eckernförde - "Das ist kein Geschenk heute", sagt ein Minentaucher, als er an Bord des Landungsbootes "Schlei" steigt, bevor er auf die Ostsee hinausfährt. Den Marinesoldaten im Marinestützpunkt Eckernförde bläst Mitte November der Wind mit Windstärke fünf bis sieben kräftig in die Gesichter. Dauernieselregen durchnässt ihre Uniformen. Doch das hält Minentaucher der Deutschen Marine nicht davon ab, ihre nicht alltägliche Arbeit zu verrichten. Sprengungen und Flachwassertauchen stehen auf dem Dienstplan - unterschrieben vom Kompaniechef hängt er am Schwarzen Brett der Minentaucherkompanie in Eckernförde. Die Männer klagen nicht über widriges Wetter, denn: im Einsatz und im Notfall müssen sie auch bei jedem Wetter ran.
15 Monate Ausbildung liegen vor Güldner
Einer von den 20 Spezialisten an Bord der "Schlei" ist Andreas Güldner: Der Obermaat ist der derzeitige deutsche Rekordhalter im Freitauchen (Apnoetauchen). Im zurückliegenden Sommer ist er nur mit Flossen und ohne Atemgerät 71 Meter tief ins Rote Meer abgetaucht. Seitdem sagt er von sich selber: "Ich bin der tiefste Deutsche." Nach dem Erfolg hat sich das Leben von Güldner kaum verändert. Er ist bescheiden geblieben und hat bei den Minentauchern seine berufliche Heimat und Zufriedenheit gefunden. Er will weiterkommen. Sein Ziel: Bootsmann. Deshalb wird er zum Kampfmittelbeseitiger ausgebildet. Das sind Meister ihres Fachs. Sie können Minen, Bomben und Sprengsätze entschärfen. Der 22-jährige Güldner hat sich dazu auf 12 Jahre bei der Marine verpflichtet. Im Dezember geht es zunächst nach Plön an die Marineunteroffizierschule. Dort wird Güldner vier Monate lang zum militärischen Vorgesetzten ausgebildet. Menschenführung, Recht und militärische Ausbildung stehen dort auf dem Lehrplan. Danach geht es weiter zum elfmonatigen Feuerwerker- und Kampfmittelbeseitigerlehrgang nach Aachen. Anschließend warten auf ihn Einsätze zu Lande und unter Wasser. Er lokalisiert dann Seeminen, identifiziert und beseitigt sie. An Land kann Güldner zum Entschärfen auch von Sprengfallen und Landminen eingesetzt werden.
Plastiksprengstoff ist wie Knetmasse
Das nasskalte Novemberwetter ist heute auch für Güldner kein Zuckerschlecken, denn das Landungsboot hat unter Deck nicht viel Platz. Die Vorbereitungen fürs Sprengen müssen ohnehin auf dem offenen Ladedeck des Bootes verrichtet werden. Mit einem Messer schneidet er den rosafarbenen Plastiksprengstoff. "Das ist völlig ungefährlich und sicher in der Handhabung", betont Güldner selbstsicher, "erst mit der Sprengkapsel kann die 6,5-Kilogramm-Ladung, die ich hier zu einem Paket schnüre, gezündet werden." Mit Plastikfolie, Textilklebeband und Packband formt er aus der knetfähigen Masse handliche Sprengladungen. Der Regen hat seine schwarze Wollmütze mittlerweile völlig aufgeweicht. Regentropfen laufen an seinen Wangen herunter. An das Landungsboot schlagen derweil ein Meter hohe Wellen - das kiellose 40-Meter-Boot schaukelt hin und her. Was motiviert die Männer, das alles auf sich zu nehmen? Sie wollen ihre Minentaucherlizenz erhalten. Dazu müssen sie einmal jährlich einen Tauchgang mit Sprengung absolvieren. Der Lohn dafür: 184,07 Euro monatliche Bruttozulage. Bei Auslandseinsätzen oder Bordverwendungen kommen weitere variable Geldleistungen hinzu. Vor allem ist es aber der Stolz, zu einer besonderen Truppe der Bundeswehr zu gehören. Sie sind ausgewählt, sowohl körperlich als auch geistig. Als äußeres Zeichen tragen die Minentaucher an ihrer Uniform das Minentaucherabzeichen über der rechten Brust. Das bringt vor allem Anerkennung bei Soldaten im In- und Ausland.
Ziel: Eigenen Rekord brechen
Über Güldners Tauchrekord wurde in den vergangenen Monaten bundesweit viel in den Medien berichtet. Der Franke hat sich zu einem Aushängeschild der Minentaucher entwickelt. Und solche Männer braucht die Spezialistentruppe der Marine. Denn nur wenige schaffen das harte Auswahlverfahren. Zurzeit gibt es in der Minentaucherkompanie rund 50 Männer - keine einzige Frau ist darunter. Der Bedarf der Marine an diesen elitären Soldaten ist wesentlich größer. Das liegt an den erweiterten Aufgaben der Bundeswehr mit ihren Auslandseinsätzen. Güldner spricht über die Zeit nach seinem Rekordtauchgang: "Die Berichterstattung darüber hat dazu geführt, dass ich vielleicht ab Januar einen Sponsor für meine private Tauchausrüstung haben werde." Er trainiere neben seiner Tätigkeit als Minentaucher mindestens einmal wöchentlich in der "Taucherübungshalle", dem Schwimmbad im Marinestützpunkt Eckernförde. Dort hat er einen Partner gefunden, einen ausgebildeten Kampfschwimmer. "Mein Ziel ist es, meinen eigenen Rekord einzustellen. Ich will 75 Meter schaffen", so der Mann aus Gräfenberg bei Nürnberg. Trotz der Aussicht auf einen ersten Sponsor bleibt Güldner Realist: "Vom Apnoetauchen kann fast niemand leben. Mein Beruf ist Minentaucher. Das bin ich gerne - und das will ich bleiben."
Marine vergrämt Säugetiere und Vögel vor Sprengübungen
Indes ist das Wetter auf der Ostsee so stürmisch geworden, dass ein Sprengen nur sehr schwer möglich ist. Bis zu zwei Meter hohe Wellen bringen die beiden mittlerweile ausgesetzten Schlauchboote der Minentaucher stark zum schwanken. Sie wurden in Teamarbeit zu Wasser gelassen und fahren abseits der geankerten "Schlei" im 15,4 Quadratkilometer großen Sperrgebiet Schönhagen. Das Gebiet zwischen Damp und Olpenitz ist für die zivile Schifffahrt gesperrt. Hier übt die Marine das Sprengen. "Doch der Tier- und Umweltschutz kommt nicht zu kurz", sagt Güldner, "vor jeder Sprengung werden Säugetiere und Vögel mit einem lauten Knall unter Wasser vergrämt." Doch am heutigen Tag geht die Gefahr vom Wetter aus - für die Menschen. Die zwei Boote können sich nicht mit Motorenkraft außerhalb des Gefahrenbereichs der Detonationen halten. Der Ausbildungsleiter will die Übungen deshalb nach nur einer Probesprengung abbrechen. Er sagt: "In Notfällen und Einsätzen könnten wir das mit den Sprengungen bei diesem Wetter tun. Jetzt besteht aber keine Notwendigkeit, ein Risiko einzugehen." Er geht zum Kommandanten des Landungsbootes. Danach geht es zurück nach Eckernförde. Dieses Beispiel zeigt: Minentaucher sind keine Abenteurer. Mit Bedacht und Professionalität gehen sie ihrer Arbeit nach. Risiko wird ausgeschlossen. Deshalb findet das Flachwassertauchen nach einer 45-minütigen Rückfahrt im bis zu zehn Meter tiefen Hafenbecken des Stützpunktes statt. Die Sprengungen sollen an einem der kommenden Tage nachgeholt werden.
Beruf ist auch sein Hobby
Obermaat Güldner ist der erste, der ins neun Grad kalte Wasser steigt. Er trägt einen schwarzen Vollkörper-Taucheranzug. An den Armen ist die deutsche Flagge als Hoheitszeichen angebracht. Dadurch wird der Taucheranzug zur Uniform. Auf seinem Rücken trägt er das Dräger-Tauchgerät LAR 7 - das Lungenautomatische Respirationsgerät Modell 7. Der Inhalt der beiden Flaschen: ein Gemisch aus 40 Prozent Stickstoff und 60 Prozent Sauerstoff. "Damit können wir bis zu 24 Meter tief tauchen", sagt Güldner. Jetzt lauscht er den Belehrungen des Ausbildungsleiters. Kein Wagnis soll eingegangen werden. Bei auftretenden Problemen sollen vereinbarte Signale mit einer Leine gegeben werden. Für Notfälle stehen Kameraden bereit, die mit einem Schlauchboot im Hafenbecken fahren. Güldner konzentriert sich. Er geht auf Schwimmflossen die zehn Meter bis zur Rampe des Mehrzwecklandungsbootes. Kurze Pause. Er springt und taucht. Nur ein etwa ein Meter langer gelber Kunststoffschwimmer bleibt an der Wasseroberfläche zu sehen - verbunden mit der Sicherheitsleine. Güldner geht seinem Beruf nach, der gleichzeitig sein Hobby geblieben ist. Dieser Beruf wird ihn bald überall hinbringen - vor den Libanon oder sogar nach Afghanistan - aber im Dezember erst einmal nach Plön an die Marineunteroffizierschule.
Autor: Detlef Struckhof, Presse- und Informationszentrum Marine Fotos: Detlef Struckhof, Presse- und Informationszentrum Marine
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