VAUNET - Verband Privater Medien
VPRT: Antwort der Bundesregierung auf Auskunftsersuchen der EU-Kommission im Beihilfeverfahren politisch ohne Beispiel
Berlin (ots)
Bundesregierung fordert Verfahrenseinstellung und Aufgabe rechtlicher Positionen von der EU-Kommission als Bedingung für eingeforderte Auskünfte
Interessen der privaten Medienunternehmen werden nicht berücksichtigt
Mit ihrer Antwort auf ein erneutes Auskunftsersuchen der Europäischen Kommission zu wettbewerbspolitisch relevanten Positionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland hat die Bundesregierung den Konflikt mit der Brüsseler Wettbewerbsbehörde auf dem Rücken der privaten Rundfunkanbieter maßgeblich verschärft. Dieses Fazit zog der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation e. V. (VPRT), Jürgen Doetz, aus dem 44-seitigen Schreiben.
Das Dokument, das in enger Abstimmung mit den für die Medienpolitik zuständigen Bundesländern und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entstanden sei, ziele ausschließlich darauf, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Erläuterungen zu einem beabsichtigten Maßnahmenkatalog zur Optimierung der dualen Rundfunkordnung in Deutschland sollen demnach erst dann näher präzisiert werden, "wenn die Verfahrenseinstellung ohne beihilferechtliches Präjudiz gemeinsame Vorstellung der GD Wettbewerb und der Bundesregierung wird". Ein äußerst ungewöhnliches Vorgehen und Ansinnen, so Doetz. Die privaten Rundfunkanbieter in Deutschland blieben allerdings zuversichtlich, dass die Europäische Kommission den von ihr eingeschlagenen Weg weiter verfolgen werde. Der VPRT unterstütze die Kommission in ihrer Grundsatzposition, dass Rundfunkgebühren dem europäischen Beihilferecht unterliegen. Damit, so Doetz weiter, sei für Deutschland eine Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages von ARD und ZDF zwingend geboten.
Im Übrigen sei es ein Irrglaube, wenn man in Deutschland davon ausgehe, mit einer Verfahrenseinstellung in Brüssel die Diskussion über die zwingend notwendigen Korrekturen am Wettbewerbsverhalten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aussitzen zu können. "Wir werden in Deutschland und in Brüssel medienpolitisch und medienrechtlich so lange weiterkämpfen, bis wir für den privaten Rundfunk mehr Chancengerechtigkeit im Dualen Rundfunksystem erkämpft haben", erklärte Doetz. Der VPRT-Präsident betonte, dass der Verband im Falle einer Verfahrenseinstellung ohne konkrete Ergebnisse den europäischen Rechtsweg beschreiten werde. Die dem Verfahren in Brüssel zugrunde liegende Beschwerde hatte der VPRT im April 2003 eingereicht.
Das aktuelle Schreiben der Bundesregierung nach Brüssel enthält nach Auffassung des VPRT an mehreren Stellen Positionen, die zu gravierenden Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfähigkeit des privaten Rundfunks in Deutschland führen. So werde zum Beispiel mit Blick auf die digitalen Bouquets von ARD und ZDF konstatiert, dass deren Programmangebote so weiterentwickelt werden müssten, dass sie geänderten Publikumsinteressen oder neuen Formen und Inhalten des Fernsehens entsprechen. Die Bestimmung dessen, was in diesem Rahmen publizistisch erforderlich sei, stehe danach den Rundfunkanstalten zu. Dies bedeute einen umfassenden Freibrief für die weitere Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, so der VPRT-Präsident. Die Umwidmung der derzeitigen öffentlich-rechtlichen Digitalkanäle zu Sportkanälen bei Großveranstaltungen wie zuletzt den olympischen Winterspielen in Turin, wird in dem Schreiben mit der Aussage, der Programmschwerpunkt werde durch die zeitweilige Umstellung des Programmschemas nicht verändert, lapidar verteidigt.
Notwendige ordnungspolitische Vorgaben werden auf die Gremien der öffentlich-rechtlichen Anstalten abgeschoben, die zu prüfen hätten, dass etwa geplante Online-Angebote den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft dienten. Dies festzustellen, seien die plural besetzten internen Kontrollgremien "geeignet und berufen". Auch für die Mobile-Aktivitäten von ARD und ZDF werden keine Beschränkungen vorgesehen. "Das alles zusammengenommen", so Doetz, "bedeutet neue Angebote auf allen Wegen wie aus einem Selbstbedienungsladen auf Kosten aller Gebührenzahler!"
Aus Sicht des VPRT völlig unzutreffend sei in der Antwort der Bundesregierung die Darstellung der Situation beim Erwerb von Sportrechten. Hier werde der Eindruck erweckt, dass der Markt zu einer angemessenen Verteilung zwischen dem öffentlich-rechtlichen System und den kommerziellen Sendeunternehmen geführt habe. Dies gelte auch für die Behauptung, ARD und ZDF ließen Rechte insofern nicht ungenutzt, als sie die Rechte entweder selbst verwerten oder zur Sublizenzierung anbieten. Derartige Darstellungen seien vor allem vor dem Hintergrund des aktuellen Beispiels der olympischen Winterspiele in Turin befremdlich. Die Vertreter der Länder hätten sich hier vor wenigen Monaten selbst davon überzeugen können, dass die Sublizenzierungspraxis von ARD und ZDF aufgrund der von ihnen gestellten Bedingungen für die privaten Programmanbieter (Parallelberichterstattung, fehlende Planungssicherheit) letztlich inakzeptabel gewesen seien.
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