Kölnische Rundschau: Kölnische Rundschau Kommentar zur Vereidigung der neuen Regierung
Köln (ots)
Mit Nüchternheit
NORBERT WALLET, Berlin,zur Kanzlerwahl
Zum zweiten Mal ist Angela Merkel als Kanzlerin vereidigt worden. Das zweite Kabinett Merkel. So wird es in den Geschichtsbüchern stehen. Ein bisschen Pathos dürfte man sich da schon leisten. Merkel ist das fremd. Man kann das angenehm finden.
Wie dieser Gegensatz ins Auge springt: Die Nüchternheit der Kanzlerin und der Überschwang eines Guido Westerwelle. Aufbruch und Neuanfang - darunter tun es die Liberalen nicht. Neuanfang? Damit kann Merkel nichts anfangen. Gar nichts. Wenn etwas klar geworden ist in den Koalitionsverhandlungen, dann das: Merkel und Westerwelle leben in unterschiedlichen Welten. Während für den FDP-Chef als Außenminister auch persönlich Neues beginnt, sieht sich Merkel in "persönlicher Kontinuität".
Eigentlich hat sich nichts verändert in Merkels Welt. Diese Kon^tinuität exekutiert sie auch gegenüber der CDU. Im Kern sieht Merkel ihre Aufgabe darin, die Union als Volkspartei der Mitte zu platzieren, die in der Lage ist, dauerhaft enttäuschten SPD-Wählern eine neue Heimat zu geben. Das macht klar, warum eine der ersten Handlungen eine Korrektur der Hartz-Gesetze sein wird.
Aber um des Friedens willen hat Merkel der FDP erstaunliche Zugeständnisse in der Gesundheitspolitik gemacht. Wenn es dumm läuft, kann die Mini-Kopfpauschale zum schwarz-gelben Hartz IV werden. Schon das erklärt, warum Merkel dem liberalen Überschwang mit soviel nüchterner Skepsis gegenübersteht.
Einziger Grund für Merkels Ernst ist das nicht. Mehr als bisher ist sie wieder den Interessen der CDU-Ministerpräsidenten ausgeliefert, ohne deren guten Willen das Zentralprojekt der Regierung - die Steuerreform - scheitern würde. Obwohl der Partner kleiner geworden ist, hat sich Merkels Spielraum nicht wesentlich vergrößert. Der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat wird wieder ein häufiger Treffpunkt. Das sind keine Aussichten, die Vorfreude wecken. Lavieren statt Regieren könnte ein Leitmotiv der Legislaturperiode werden.
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