Kölnische Rundschau: Zur Wahl von Angela Merkel
Köln (ots)
Hart bleiben
Cordula von Wysocki
zur Wahl von Angela Merkel
Sie war noch nicht lange im Amt, als Angela Merkel ahnte, was einer Kanzlerin droht. Die größte Gefahr sei, dass man am Ende alle verstehe und zu weich werde, sagte sie Anfang 2006 während ihrer Antrittsreise nach Israel dem "Zeit"-Journalisten Bernd Ulrich. Und damals dachte sie noch an eine normale Amtszeit von vier, vielleicht acht Jahren. Gestern, zwölf Jahre später, ist Angela Merkel (63) zum vierten Mal gewählt worden. Wenn sie Anfang 2020 noch regiert, wird sie länger im Amt sein als Konrad Adenauer.
Was wird die erste Kanzlerin Deutschlands aus dieser vierten Amtszeit machen? Bestandsaufnahme am Tag 1: Mit den herben Verlusten bei der Bundestagswahl im Rücken, die auch auf ihr persönliches Konto gehen, war der Anlauf zur Regierungsbildung lang und holprig. Und am Ende mussten teure Verhandlungsgeschenke für die SPD auf den Tisch. Das No-Groko-Aufbäumen war damit nicht zu verhindern, was gestern in dem Wahlergebnis durchschlug. Dass zudem die SPD-Fraktion geschlossen sitzenblieb, während die Union der Kanzlerin stehend applaudierte, zeugte von wenig Anstand unter Koalitionspartnern. Kein Traumstart für Angela Merkel.
Das neu aufgestellte Kabinett mit einigen frischen politischen Talenten verbreitet zwar einen Hauch von Aufbruch-Charme. Und an der Spitze der zweiten Regierungspartei steht aller Wahrscheinlichkeit nach Andrea Nahles, mit der Angela Merkel bereits konstruktiv in einem Kabinett gewirkt hat. Doch der Koalitionsvertrag ist ambitioniert, ein 177-seitiges großes Versprechen für mehr Sicherheit - innere, äußere und soziale. Das umzusetzen, erfordert Konzentration und Willenskraft von allen drei beteiligten Parteien. Vor allem aber Führungsstärke und die Entschlossenheit - anders als bei der verfehlten Flüchtlingspolitik - Probleme klar zu benennen. Weich werden geht jetzt nicht.
Auch nicht im Trio mit Horst Seehofer und Olaf Scholz. Da wird die Kanzlerin vor allem ein wachsames Auge auf den CSU-Partner haben müssen, der schon vorab mit Hinweis auf die erste Klausur in etwas ungemütlichem Ton den Takt vorgab ("Dann ist Ende der Diskussion, dann wird umgesetzt"). Das zweite wachsame Auge gilt Jens Spahn, den Angela Merkel schlauerweise an den Kabinettstisch holte, und der dabei ist, mit forschen Interviews sein Spielfeld auszumessen.
Volle Kraft braucht die Kanzlerin auch in der Außenpolitik. In der Rolle der hochgeschätzten und in Europa führenden Politikerin ist sie mehr denn je gefragt. Die deutsche Regierungschefin gehört in der Diskussion um die Reform der Euro-Zone oder die Brexit-Verträge in die erste Reihe. Und da, wo die Gefahr, weich zu werden, vielleicht am größten war, muss die Kanzlerin wieder hart anpacken: in der Frage eines gemeinsamen europäischen Migrationsplanes, dem sich insbesondere die osteuropäischen Länder weiterhin verschließen.
Eine der größten Herausforderungen für die nächsten Jahre wird aber wohl sein, die eigene Nachfolge zu regeln. In dem Punkt sind die großen Amtsvorgänger keine Vorbilder. Weder bei Adenauer noch bei Kohl konnten Kronprinzen nachrücken. Aber da Merkel vermutlich die erste deutsche Regierungschefin sein wird, die nicht aus dem Amt gezwungen wird, kann und muss sie frühzeitig Vorkehrungen treffen.
Den ersten Schritt hat sie schon vor ihrer Wahl getan: Mit der Berufung von Annegret Kramp-Karrenbauer zur CDU-Generalin hat Angela Merkel ein Zeichen gesetzt. Ein kluger Schachzug und einer, der Größe zeigt. Denn die Parteivorsitzende gibt der möglichen Nachfolgerin mit diesem Amt einen großen Raum, sich zu entfalten und zu positionieren. In Sachen Durchsetzungskraft, Führungsstärke und Kreativität kann "AKK" hier schon einmal Punkte sammeln.
Es war immer glaubhaft, wenn Angela Merkel ihren Antrieb zu regieren damit begründete, sie wolle Deutschland dienen. Das gilt auch für ihre vierte Amtszeit. Dass die große Gefahr darin liegt, irgendwann zu weich zu werden, hat Angela Merkel 2006 mit dem Gedanken verknüpft, es könne durchaus richtig sein, nach acht Jahren abgewählt werden. Gut, dass sie das für sich selbst irgendwann anders gesehen hat.
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