Kölnische Rundschau: zum Kölner Muslimen-Kongress
Köln (ots)
Machtansprüche
SANDRO SCHMIDT
zum Kölner Muslimen-Treffen¶
Wenn sich ein Teil der organisierten islamischen Gemeinschaft zu einem dreitägigen Kongress mit 100 Teilnehmern aus 17 Ländern trifft, um über "die Zukunft der Muslime in Europa" nachzudenken, gibt es erst einmal wenig einzuwenden. Es ist gut, wenn sich Menschen in einer sich schnell wandelnden Welt Gedanken über ihre Rolle und ihre Identität machen. Problematisch wird es aber, wenn dies, wie in Köln, kein offener Dialog mit anderen islamischen Gemeinschaften oder Vertretern der Mehrheitsgesellschaft ist, sondern eine abgeschottete Zusammenkunft, die konspirativ wirkt. Noch problematischer erscheint dieses "II. Treffen der europäischen Muslime" durch zwei weitere Faktoren: den schon im Titel erhobenen Anspruch, für alle Muslime in Europa sprechen zu können. Dies ist mitnichten der Fall. Die Gläubigen des Islam sind so heterogen in ihren Glaubensrichtungen organisiert, dass niemand für niemanden verbindlich den Kurs bestimmen kann. Zweitens versucht genau das aber offenbar die türkische Regierung mit ihrer Religionsbehörde Diyanet, die den Kongress mit Hilfe des von ihr gesteuerten Moscheeverbandes Ditib veranstaltet hat. Dass dabei auch Mitglieder der je nach Spielart konservativen bis reaktionär-radikalen Muslimbruderschaft eingeladen worden sind, die in Deutschland aus gutem Grund vom Verfassungsschutz beobachtet werden, ist ein unappetitliches Detail. Wir lernen: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Regierung versuchen zunehmend und gezielt, mit dem Mittel der Religion Einfluss auf Bürger anderer europäischer Staaten zu nehmen, um die dort gelebte freiheitlich-demokratische, pluralistische Gesellschaftsform infrage zu stellen und zu untergraben. Was soll denn die Formulierung im Abschlussdokument von Köln, es könne keinen "deutschen", "französischen" oder "europäischen" Islam geben, eine solche "Einschränkung" stehe im "Widerspruch zur Universalität des Islams". Richtig, der Islam ist wie das Christentum universell. Aber es gibt nicht wenige Muslime, die ihr Verständnis vom Islam sehr gut mit westlicher Lebensart vereinbaren können. Das jedoch wollen konservative Glaubensbrüder nicht akzeptieren. Wir lernen weiter, dass sich die Ditib inzwischen eindeutig als verlängerter Arm Ankaras versteht. Daraus sollte zum Beispiel die NRW-Regierung die Konsequenz ziehen und den Verband nicht mehr als legitime Vertretung hier lebender Muslime behandeln. Und drittens wäre es an der Zeit, dass sich andere islamische Verbände in Deutschland öffentlich stärker dagegen wehren, von Ditib und ihren Hintermännern als "die Muslime" mit vereinnahmt zu werden. Sie sollten sich ihr Religions- und Gesellschaftsverständnis nicht von politisch motivierten Ideologen bestimmen lassen, denen es mehr um irdische Macht als ums Gottesverständnis geht.
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