amnesty international zum Weltfrauentag: Leere Rhetorik und unerfüllte Versprechen
Berlin (ots)
- Sperrfrist: 08. März 2000, 00:01 Uhr MEZ -
amnesty international kritisiert fehlenden politischen Willen der Regierungen, Frauenrechte durchzusetzen / Dramatische Situation in Kriegs- und Konfliktregionen / Extrem hohe Dunkelziffer bei Menschenrechtsverletzungen an Frauen / ai-Generalsekretärin fordert Umsetzung der Frauenkonvention und Ratifizierung ihres Zusatzprotokolls durch alle UN-Mitgliedstaaten
Die tatsächliche Situation der Frauen in aller Welt steht in krassem Gegensatz zu der großartigen Rhetorik der internationalen Gemeinschaft. Diese verheerende Bilanz zieht Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international, zum heutigen Internationalen Frauentag. "Trotz aller Versprechungen und Deklarationen, die vor fünf Jahren bei der vierten internationalen Frauenkonferenz in Peking verabschiedet wurden, haben die Regierungen sehr wenig getan, um die Rechte der Frauen umzusetzen und sie vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, denen sie einzig auf Grund ihres Geschlechts ausgesetzt sind. Der mangelhafte Schutz der Rechte der Frauen spiegelt den fehlenden politischen Willen vieler Regierungen wider, substanzielle Veränderungen im Leben der Frauen herbeizuführen. Im Namen von kulturellen oder religiösen Interessen ignorieren viele Regierungen die Verpflichtungen, die sie auf der internationalen Bühne eingegangen sind."
Da Frauen in vielen Gesellschaften als weniger wertvoll betrachtet werden, kommt der Gewalt, die ihnen angetan wird, auch weniger Beachtung zu. amnesty international erhält weniger Berichte über Menschenrechtsverletzungen an Frauen als über solche an Männern. Die Gründe dafür dürften vielfältig sein: Für sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigungen in der Haft sind Männer direkt verantwortlich; häufig sitzen ausschließlich Männer in den Institutionen, die Informationen über Frauenrechtsverletzungen sammeln und verbreiten könnten. Es entsteht ein Teufelskreis, unterstützt durch die häufig anerzogene Scham der Frauen, die es ihnen verbietet, über ihre Demütigungen vor allem im sexuellen Bereich zu sprechen. "Die Dunkelziffer bei Menschenrechtsverletzungen an Frauen ist extrem hoch. Wir sind als Menschenrechtsorganisation vor allem auf die Informationen von Privatpersonen angewiesen. Hier spielen Frauenrechtlerinnen, die häufig deshalb selbst Opfer von Verfolgung werden, eine ganz entscheidende Rolle", sagt Barbara Lochbihler.
Nach Informationen der Menschenrechtsorganisation sterben täglich mehr Frauen und Mädchen an geschlechtsspezifischen Übergriffen als an anderen Formen von Menschenrechtsverletzungen. Jedes Jahr werden Millionen Frauen und junge Mädchen an den Genitalien verstümmelt, zu Tode geprügelt, lebendig verbrannt, gesteinigt, sexuell missbraucht. Frauen werden immer noch als Menschen zweiter Klasse behandelt und im Namen von Religion, Tradition oder Kultur im öffentlichen und im so genannten privaten Bereich ihrer elementaren Menschenrechte beraubt. In Pakistan beispielsweise werden jährlich Hunderte von Frauen wegen Verletzung der Familienehre getötet. Obwohl dies eigentlich illegal ist, werden solche Praktiken weiter geduldet. In vielen Ländern werden junge Mädchen und Frauen beschnitten, obwohl dies durch nationale Gesetze verboten ist. Beispielsweise in Sierra Leone und im Sudan werden Tausende Mädchen und Frauen sexuell versklavt und verschleppt. "Für diese Verletzungen der Rechte der Frauen sind die Regierungen mitverantwortlich, die Frauen nicht ausreichend gegen diese Formen der Gewalt schützen, die Täter nicht verfolgen und nicht bestrafen", so Barbara Lochbihler.
In Kriegs- und Krisenregionen sind Frauen besonders gefährdet: 80 Prozent aller Flüchtlinge weltweit sind Frauen und Kinder. Unter miserablen Bedingungen lastet auf den weiblichen Flüchtlingen die gesamte Verantwortung für Kinder, Alte und Kranke. Gleichzeitig sind sie in Flüchtlingslagern und an Grenzübergängen Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch durch Soldaten, Behördenvertreter und männliche Flüchtlinge schutzlos ausgeliefert. amnesty international liegen Berichte über weibliche Flüchtlinge aus Osttimor vor, die in Lagern in Westtimor im September 1999 von indonesischen Sicherheitskräften und Milizionären vergewaltigt wurden. In einem Lager, das die Regierung Burundis aufgebaut und unterhalten hat, wurden im Oktober und November vergangenen Jahres mehrere Frauen von burundischen Sicherheitskräften vergewaltigt.
Einer der wenigen Erfolge, den die internationale Gemeinschaft zum Schutz der Rechte der Frauen zu verzeichnen hat, ist die beschlossene Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs, der Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt - erzwungene Prostitution, sexuelle Sklaverei und erzwungene Schwangerschaft - als Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie im Kontext internationaler oder interner kriegerischer Auseinandersetzungen als Kriegsverbrechen einstuft.
Im Dezember 1999 wurde ein Zusatzprotokoll zur Frauenkonvention angenommen, demzufolge Frauen und Gruppen, wie Nichtregierungsorganisationen, das Recht haben, gegen Staaten zu klagen, die ihren Verpflichtungen nach der Frauenkonvention nicht nachkommen. Dieses Zusatzprotokoll bewertet amnesty international positiv. Barbara Lochbihler kritisiert jedoch: "Die weltweite Ratifizierung der Frauenkonvention bis zum Jahr 2000 war ein wichtiges Ziel der Weltfrauenkonferenz in Peking. Dennoch haben 22 Mitglieder der Vereinten Nationen, unter ihnen die USA, die Konvention immer noch nicht ratifiziert. Das Zusatzprotokoll wurde bislang sogar erst von 28 Staaten unterschrieben. Solange solche Abkommen nur auf dem Papier bestehen und gar nicht erst ratifiziert werden, bleiben universelle Menschenrechte für Frauen ein unerreichbares Ziel. Die Regierungen in aller Welt müssen endlich ihren Worten auch Taten folgen lassen."
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