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Eine Trendwende im Gesundheitswesen ist nötig - der Weg bleibt weiter offen

Berlin (ots)

31. Plattform Gesundheit des IKK e.V. / Innungskrankenkassen und Sozialpartner kritisieren die Verschiebung der Finanzlösung auf eine Expertengruppe

Es braucht mutige Schritte, um die gravierenden Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen zu beheben, die das deutsche Gesundheitssystem zwar zu einem der teuersten, aber nicht zum besten Gesundheitssystem der Welt gemacht haben. Diese Chance haben CDU, CSU und SPD mit dem kurz vor Veranstaltungsbeginn veröffentlichten Koalitionsvertrag "Verantwortung für Deutschland" vergeben. Die Ambitionslosigkeit bei einer kurzfristigen finanziellen Stabilisierung der GKV setzt sich fort in einer Verschiebung von nachhaltigen Strukturreformen in Kommissionen mit Prüfaufträgen. Dies ist das Fazit der 31. Plattform Gesundheit des IKK e.V., die gestern in Berlin stattfand. Unter dem Titel "Neustart für die Gesundheitspolitik? Impulse und Perspektiven für die 21. Legislaturperiode" diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Sozialpartnerschaft sowie rund 120 Gäste vor Ort und digital. Als größtes Manko des Koalitionsvertrags sehen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion die weiterhin klaffende Finanzlücke im Gesundheitssystem. Diese hätte prioritär angegangen werden müssen, um im zweiten Schritt Strukturreformen in Gang zu setzen. Stattdessen sieht der Koalitionsvertrag die Einsetzung einer Arbeitsgruppe vor, die 2027 erste Ergebnisse vorlegen soll.

Dass die finanzielle Ausgestaltung des Gesundheitswesens nicht so bleiben kann, wie bisher, darin sind sich alle Diskutanten einig. Derzeit laufen die Kosten weg - in diesem Jahr rechnet die GKV mit 340 Milliarden Euro Ausgaben, das Jahr 2024 wurde mit einem Defizit in Höhe von 6 Mrd. Euro abgeschlossen. Weitere Ausgabensteigerungen durch den demografischen Wandel sind absehbar. "Die Kassen stehen mit dem Rücken zur Wand", warnt Hans-Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V., in seinen einführenden Worten. Die Belastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, also der Versicherten und Arbeitergeber, über eine permanente Erhöhung der Zusatzbeiträge wie in der Vergangenheit, sei keine Option, erklärt Müller. "Dies gefährdet den sozialen Frieden und kann unsere Demokratie destabilisieren - etwas, das wir uns in diesen ungewissen Zeiten nicht leisten können." Der Vorstandsvorsitzende zeigt sich ernüchtert, dass die Steuerfinanzierung für die Versorgungsaufwendungen für Bürgergeldempfänger, die Dynamisierung des Bundeszuschusses sowie die Gegenfinanzierung von versicherungsfremden Leistungen keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden haben. Dabei gehe es ja nicht darum, einfach nur mehr Geld ins System zu pumpen, so Müller. Ralf Reinstädtler, Vorstandsmitglied der IG Metall, Verwaltungsratsvorsitzender der IKK Südwest, verweist darauf: "Wenn wir mehr Geld ins System bekommen, ist das die Chance, die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zu entlasten."

Aus diesem Grund ist IKK e.V.-Vorstandsvorsitzender Müller auch enttäuscht, dass die Forderung eines Ausgabenmoratoriums im Regierungsvertrag fehlt. "Wir brauchen eine Bremse", fordert er. "Das Gesundheitswesen braucht ein Ausgabenmoratorium in Form einer Grundlohnsummenanbindung der Leistungsausgaben, bis die notwendigen Strukturreformen greifen!" Beide Sozialpartner sehen das ebenso. Nach Ansicht von Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Mitglied im Verwaltungsrat der IKK classic, wäre ein Ausgabenmoratorium das adäquate Instrument, um die Ausgaben zunächst im Rahmen zu halten.

Um die Ausgaben dauerhaft zu senken, müsse das Gesundheitswesen effizienter werden. So sehen die Podiumsgäste Chancen in der Versorgungs- und Patientensteuerung etwa durch das geplante Primärarzt-System oder durch die Digitalisierung und Nutzung von KI. Der Abgeordnete Dr. Georg Kippels, CDU, verweist darauf, dass Strukturveränderungen aber nicht "oben drauf" kämen, sondern zu einer ressourcenschonenden Verwendung führen sollten. "Wir haben eine natürliche Begrenzung der Dinge", mahnt der Politiker. Er betont, dass damit keine Leistungskürzungen gemeint seien, sondern eine effiziente Verwendung vorhandener Ressourcen. Dazu gehöre auch der Patient, der verantwortungsvoll Leistungen in Anspruch nehme. Kippels erklärt: "Viel wirkt nicht immer auch viel. Jeder muss das bekommen, was für ihn das Beste ist." Der ressourcenschonende Umgang im Gesundheitswesen werde kostensenkend wirken. Diesbezüglich stimmt Handwerkspräsident Dittrich zu: "Wir brauchen mehr Eigenverantwortung und müssen weg von der All-inclusive-Mentalität im Gesundheitswesen."

Wie die Innungskrankenkassen spricht sich der Abgeordnete auch für eine stärkere Fokussierung auf die Prävention aus. So sagt Kippels: "Wir beschäftigen uns bei steigenden Krankheitsbildern viel zu wenig damit, wie wir diese positiv steuern können. Individualprävention, aber auch Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung bringen oft eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten."

In Richtung der Politik verweist ZDH-Präsident Dittrich darauf, dass die Selbstverwaltung viele kluge Vorschläge zur Ausgabensteuerung vorgelegt hätte. Die Vorschläge des ZDH zum Bürokratieabbau für Betriebe etwa, seien die von den politischen Kräften nicht aufgegriffen oder diskutiert worden. Er fordert, dass man dringend das Ziel im Auge behalten müsse, wieder zurück zur 40 Prozent-Obergrenze bei den Sozialabgaben zu kommen. Irritiert zeigen sich beide Sozialpartner darüber, dass im Koalitionsvertrag die Selbstverwaltung im Zusammenhang mit Bürokratie als "lähmend" bezeichnet wird. "Man will uns reduzieren, obwohl wir eine einflussreiche Größe im Gesundheitswesen sind und die Arbeitgeber sowie Versicherten die Party bezahlen", kommentiert IG Metall-Vorstandsmitglied Reinstädtler. "Wir sind die, die auf die Tube drücken, nicht die, die bremsen!" Er ist sich sicher, dass dies Abwehrreflexe seitens der Politik seien. Die Selbstverwaltung sei im positiven Sinne der Stachel in der Politik - sie piekse und tue weh. Er ist sich sicher: "Wenn wir entscheiden könnten, hätten wir ein besseres Gesundheitswesen."

Handwerkspräsident Dittrich hält mehr Gestaltungsspielräume für die Selbstverwaltung, mehr Parität und Subsidiarität auch für ganz wichtige Faktoren gegen eine populistische Welle, die auch Deutschland erfasst habe. Er mahnt: "Der Rückbau der Daseinsvorsorge, das Gefühl des Abgehängtseins im ländlichen Raum gerade bei der medizinischen Versorgung führt zu Populismus und wird zukünftige Wahlergebnisse entscheiden!" Stattdessen fordert er ein Bekenntnis zum Wert des Sozialstaates. Dieser habe schließlich eine stabilisierende gesellschaftliche Funktion. Reinstädtler ergänzt: "Der Sozialstaat ist mehr wert, als er kostet!"

In seinen abschließenden Worten greift Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V., die Finanzierungsfrage noch einmal auf. Er konstatiert, dass die Entwicklung der Beitragssätze toxisch, im Kern aber von der Politik zu verantworten sei. Der Mix aus der Abschöpfung von Finanzreserven, der Absenkung der Mindestrücklagen auf weniger als eine Wochenausgabe bei zeitlich ungewissen Zahlungszeiträumen der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, wirke destabilisierend. Die Einsetzung der Kommission sehe er als einen Weg, um das Problem auszusitzen und die Finanzreform wieder auf "wirtschaftlich bessere Zeiten" zu vertagen. Aber dabei seien, dies habe die Veranstaltung gezeigt, die Sozialpartner bereit für einen zielführenden Dialog. Die Politik sollte deren Angebot annehmen.

Über den IKK e.V.:

Der IKK e.V. ist die Gemeinsame Vertretung der Innungskrankenkassen auf Bundesebene. Der Verein wurde 2008 gegründet mit dem Ziel, die Interessen seiner Mitglieder und deren Versicherten gegenüber allen wesentlichen Beteiligten des Gesundheitswesens zu vertreten. Die Innungskrankenkassen stehen für 5,1 Mio. Versicherte.

- Diese Pressemitteilung finden Sie auch im Internet unter www.ikkev.de -

Eine Bildergalerie mit redaktionell frei verwendbaren Fotos der Veranstaltung finden Sie unter https://t1p.de/35eb5

Pressekontakt:

Pressesprecherin
Iris Kampf
Tel.: 030 202491-32
Fax: 030 202491-50
E-Mail: iris.kampf@ikkev.de

Original-Content von: IKK e.V., übermittelt durch news aktuell

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