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Land Berlin entschuldigt sich bei "Artemis"-Betreibern - Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz muss 250.000,- EUR Geldentschädigung zahlen

Berlin (ots)

In zwei Klageverfahren (Az 9 U 19/21 und 9 U 21/21), welche die Betreiber des "Artemis" Berlin gegen das Land Berlin angestrengt hatten, haben sich die Kläger und die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz vor dem 9. Zivilsenat des Kammergerichts Berlin auf einen Vergleich geeinigt: Danach entschuldigt sich das Land Berlin für sein gerichtlich festgestelltes rechtswidriges Handeln im Jahr 2016, als 950 Polizisten im Rahmen einer groß angelegten Razzia das "Artemis" sowie die Privatwohnungen der Betreiber durchsuchten, Staatsanwälte in einer anschließenden Razzia den Eindruck erweckten, die Betreiber hätten schwerwiegende Straftaten in einem gewalttätigen Umfeld im Bereich der Prostitution begangen und diese fast vier Monate in Untersuchungshaft hielten. Des Weiteren verpflichtet sich das Land Berlin den "Artemis"-Betreibern wegen dieser rechtswidrigen Verhaftung und Anklage sowie der unzulässigen Äußerungen Geldentschädigung und Schadenersatz in Höhe von 250.000,- EUR zu zahlen.

In einer Stellungnahme, welche die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz veröffentlichte, heißt es dazu: "Das Land Berlin bedauert die von den Betreibern und vier Mitarbeiterinnen des Artemis im Jahr 2016 erlittene Untersuchungshaft sowie die Äußerungen von damaligen Vertretern der Staatsanwaltschaft Berlin am 14. April 2016, mit dem schwerste Vorwürfe der Steuerhinterziehung und Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen erhoben wurden, obwohl die Geschäftsführer der Artemis GmbH ihren steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen immer vollumfänglich nachgekommen waren."

In dieser Erklärung räumte die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz außerdem ein, dass niemals ein Tatverdacht bestanden hat: "Tatsächlich ist durch Beschlüsse des Kammergerichts und des Landgerichts Berlin festgestellt worden, dass kein Tatverdacht bestand. Das Land Berlin entschuldigt sich für die Untersuchungshaft und für die erheblichen Nachteile, die die damals Beschuldigten durch Durchsuchung, die Untersuchungshaft und die Anklageerhebung und die Äußerungen der Staatsanwaltschaft erlitten haben."

Mit dieser umfänglichen Entschuldigung gegenüber den "Artemis"-Betreibern hat das Land Berlin einen Paradigmenwechsel vorgenommen. Noch im Dezember vergangenen Jahres war die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz im Klageverfahren 9 U 21/21 vom Kammergericht zu einer Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 100.000,- EUR nebst Zinsen verurteilt worden - eine Revision hatte das Gericht nicht zugelassen. Das Land hatte daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof eingelegt. Diese wird nun obsolet.

"Sieben Jahre nach diesem beispiellosen Rechtsbruch zeigt das Land Berlin endlich die Bereitschaft, sich unmissverständlich von den schweren Amtspflichtverletzungen zu distanzieren. Das ist ein gutes Signal, um das Vertrauen in den Rechtsstaat wieder herzustellen", sagt Rechtsanwältin Dr. Margarete Gräfin von Galen, welche die "Artemis"-Betreiber gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Silvin Bruns vertreten hat. Dieser ergänzt: "Nachdem der Justizsenat unter der vormaligen Senatorin Lena Kreck eine geradezu erschütternde Ignoranz den Betroffenen und auch dem Kammergericht gegenüber an den Tag gelegt hat, empfinden wir es als höchst anerkennenswert, dass sich nach dem Regierungswechsel die neue Hausleitung den Tatsachen gestellt hat und bereit ist, sich in der angemessenen Form für das das objektiv festgestellte, skandalöse Fehlverhalten der damaligen Staatsanwälte zu entschuldigen", so Dr. Silvin Bruns. Auslöser der Klage sei jedoch ihr Vorgänger Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) gewesen: "Hätte sich dieser für die gerichtlich festgestellten Fehler einfach entschuldigt und so geholfen, die Reputationsschäden der Mandanten zu heilen, hätte diese Klage gar nicht erst erhoben werden müssen. Die Halsstarrigkeit, mit der er alle entsprechenden Anfragen beharrlich ignoriert hat, muss jetzt der Steuerzahler ausgleichen."

Ein Gutes hat die Angelegenheit allerdings: Bereits nach dem Urteil des Kammergerichts im Dezember hatten die beiden "Artemis"-Betreiber Hakki und Kenan Simsek entschieden, die Ihnen zugesprochene Entschädigung in Höhe von 100.000,- EUR für caritative Zwecke spenden zu wollen. Nach dem jetzigen Vergleich mit dem Land Berlin auf Zahlung von 250.000,- EUR Geldentschädigung sollen zunächst die Mitarbeiterinnen für die erlittene Untersuchungshaft entschädigt werden und von der verbleibenden Summe wollen die "Artemis"-Betreiber diese Spende entsprechend erhöhen.

Hintergrund:

Das "Artemis" in Berlin Halensee war am 13. April 2016 im Rahmen einer Razzia von 950 Beamten von Polizei, Staatsanwaltschaft Hauptzollamt und Steuerfahndung durchsucht worden. In einer Pressekonferenz am darauffolgenden Tag hatten die ermittelnden Staatsanwälte den Eindruck erweckt, die Betreiber hätten schwerwiegende Straftaten in einem gewalttätigen Umfeld im Bereich der Prostitution begangen. Die anschließende Anklage ließ das Landgericht Berlin im November 2018 allerdings noch nicht einmal zur Verhandlung zu, eine Beschwerde hiergegen zog die Staatsanwaltschaft schließlich im Januar 2019 von sich aus zurück. Für die durch diese unzulässigen Äußerungen entstandenen konkreten Nachteile im privaten wie im beruflichen Bereich hatten die Betreiber des "Artemis" das Land Berlin vor dem Kammergericht in zwei parallel laufenden Verfahren auf Geldentschädigung, Schadenersatz und Schmerzensgeld verklagt.

Pressekontakt:

Stephan Clausen

K E T A N O

Gesellschaft für Öffentlichkeitsarbeit

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