Boom bei Gelenkersatz: Fluch oder Segen?
Bremen (ots)
Krankenkasse hkk präsentiert Gesundheitsreport zu endoprothetischen Operationen des Knie- und Hüftgelenks: Leichter Anstieg bei hkk-Versicherten im Gegensatz zu bundesweitem Trend / Forderung nach Ausschöpfung gelenkerhaltender Maßnahmen und besserer Aufklärung der Patienten / Ausführliche Informationen unter hkk.de
Die Endoprothetik - der operative Einsatz von Implantaten in den Körper, um geschädigte Gelenke dauerhaft zu ersetzen - verbessert die Lebensqualität vieler Patienten mit degenerativen Gelenkerkrankungen und ist aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. Manche Experten sind jedoch davon überzeugt, dass rund zehn Prozent der Operationen in Deutschland unnötig sind. Im Vergleich zu anderen OECD-Ländern (Organisation für Economic Cooperation and Development) ist Deutschland Spitzenreiter bei der endoprothetischen Versorgung mit Hüft- und Kniegelenken. Ärzte und Krankenhäuser müssen sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, das eigene wirtschaftliche Interesse über das ihrer Patienten zu stellen. Wird in Deutschland zu schnell operiert?
Für den heute in Bremen präsentierten hkk-Gesundheitsreport untersuchte Dr. Bernard Braun, Leiter des Bremer Instituts für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung (BIAG), die Häufigkeit von endoprothetischen Operationen des Knie- und Hüftgelenks bei hkk-Versicherten. Dr. med. Bertram Regenbrecht, Chefarzt des Zentrums für Endoprothetik, Fußchirurgie, Kinder- und Allgemeine Orthopädie der Roland Klinik Bremen, kommentierte als unabhängiger Fachexperte die Studienergebnisse aus dem Blickwinkel der klinischen Praxis.
Untersuchungsdesign
Auf Basis anonymisierter hkk-Versicherten-Routinedaten wurden die Entwicklung und Häufigkeit von endoprothetischen Operationen des Knie- und Hüftgelenks sowie von Revisionen (also Nachoperationen) bzw. Wechseln von Endoprothesen in den Jahren 2008 bis 2012 untersucht. Für die qualitative Analyse analysierte das BIAG auch die vor- und nachoperative Inanspruchnahme ausgewählter Leistungen wie ambulant-ärztliche Behandlungsfälle, Heil- und Hilfsmittel sowie Arzneimittel.
Immer mehr Operationen bei hkk-Versicherten
Im Untersuchungszeitraum stieg die Anzahl der Operationen bei hkk-Versicherten nahezu kontinuierlich an. Während im Jahr 2008 noch 598 operierte Hüft-Endoprothesen registriert wurden, waren es 2012 bereits 723 - eine Zunahme von 21 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Knie-Endoprothesen mit 347 Fällen in 2008 gegenüber 432 Fällen in 2012, was einer Steigerung von 24,5 Prozent entspricht.
Gleichwohl: hkk-Versicherte im bundesweiten Vergleich seltener operiert
Bundesweit stagniert laut Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) die Anzahl der erstimplantierten Hüft- und Knie-Endoprothesen seit 2009 auf hohem Niveau. Um die Vergleichbarkeit der hkk-Daten mit anderen Studien zu gewährleisten, verwendet die Studie die Zahl der Fälle pro 100.000 Versichertenjahre (VJ) als gemeinsame Berechnungsgrundlage. Dabei ergibt sich, dass hkk-Versicherte im Vergleich zum bundesweiten Behandlungsgeschehen seltener eine Knie-Prothese erhalten: Im Referenzjahr 2011 waren es 118,2 Erstimplantationen je 100.000 VJ, während der bundesweite Vergleichswert bei AOK-Versicherten 129,5 betrug. "Dieses Ergebnis überrascht nicht, da hkk-Versicherte im Durchschnitt jünger sind als AOK-Versicherte", erklärt Braun. Im gleichen Jahr wurden bei der hkk 175,8 erstmalige Hüft-Endoprothesen je 100.000 VJ eingesetzt. In diesem Fall liegen jedoch keine Referenzzahlen für den Bundesdurchschnitt vor.
Mehr Revisionen und Wechseln, trotzdem kein Hinweis auf Qualitätsprobleme
Der hkk Gesundheitsreport zeigt einen deutlichen Anstieg von Revisionen und Wechseln bei hkk-Versicherten: Von 2008 bis 2012 zeigte sich bei Hüft-Endoprothesen ein prozentualer Anstieg von 75 Prozent; bei Knie-Endoprothesen lag dieser Wert bei 45 Prozent. Bundesweit nahmen die Revisionen und Wechseln bei Knie-Endoprothesen im Vergleichszeitraum mit 43 Prozent ähnlich stark zu; die Anzahl der Hüft-Endoprothesen ist jedoch seit 2009 leicht rückläufig. "Über die Gründe der steigenden Revisionseingriffe können wir nur spekulieren", so Bernard Braun. Es müsse jedoch die durchschnittliche Standzeit eines erstimplantierten Hüft- oder Kniegelenks von 10 bis 15 Jahren berücksichtigt werden. Logisch ist: Eine steigende Anzahl Erstimplantationen führt zeitversetzt zu einer steigenden Anzahl von Revisionen. "Und je jünger die Patienten sind, desto wahrscheinlicher muss ein implantiertes Gelenk mindestens einmal ersetzt werden, verbunden mit allen Risiken und nachoperativen Beschwerden."
Forderung nach Ausschöpfung gelenkerhaltender Maßnahmen und besserer Aufklärung
Die Menge der vor den Operationen verordneten Heilmittel sowie der schmerzmildernden oder -stillenden Verfahren erschien Dr. Braun relativ gering - "vor allem, da sie zur Vermeidung von Operationen beitragen können und ihren Nutzen nachgewiesen haben. Daher sollten solche Behandlungsmöglichkeiten vor einer OP voll ausgeschöpft werden," so Dr. Braun.
Zudem seien die Beratungsangebote für Patienten auszubauen. Dabei sollten insbesondere die nachoperative Gesundheits- und Lebensqualität realistisch dargestellt und überhöhte Erwartungen relativiert werden. Beispielsweise müssen viele Patienten damit rechnen, dass auch noch sechs oder mehr Monate nach einer Operation eine regelmäßige Weiterbehandlung und die Einnahme von Schmerzmitteln notwendig sind.
Zur Patienteninformation empfiehlt der hkk-Gesundheitsreport so genannte Decision aids, die auf der Basis bestmöglichen und neutralen Wissens über die Folgen einer Operation informieren und eine an persönlichen Bedürfnissen orientierte Entscheidungsfindung ermöglichen. In einer 2012 veröffentlichten US-amerikanischen Studie nahm die Zahl der Patienten, die sich für eine Hüft- bzw. Knie-Endoprothesen-Operation entschieden, nach der Nutzung von Decision aids um 26 Prozent beziehungsweise 38 Prozent ab. Die hkk wird die Entwicklung solcher Entscheidungshilfen in Zusammenarbeit mit unabhängigen Experten unterstützen.
Demgegenüber betonte Dr. Regenbrecht von der Roland-Klinik Bremen die Bedeutung des persönlichen Arzt-Patienten-Gesprächs, da nur hier auf die individuelle Situation des einzelnen Patienten eingegangen werden könne. Zudem seien Krankengymnastik und andere Heilmittel nicht in jedem Fall geeignet, den Gelenkverschleiß und damit die Notwendigkeit einer Operation hinauszuzögern. Die hohe Zahl an Operationen in Deutschland könne vor allem durch den hierzulande sehr guten Zugang zur Gesundheitsversorgung begründet werden.
Ergänzend plädieren die Autoren des hkk-Gesundheitsreports für eine Teilnahme aller Kliniken am freiwilligen Endoprothesen-Register (EPRD, eine Initiative der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie). Diese zentrale Erfassungsstelle sammelt und analysiert Daten zu Erst- und Folgeoperationen, die künftig zur Qualitätsverbesserung genutzt werden sollen.
Über die hkk Erste Gesundheit:
Die hkk zählt mit mehr als 360.000 Versicherten (darunter 260.000 zahlende Mitglieder), 27 Geschäftsstellen und 2.000 Servicepunkten zu den 20 größten bundesweit geöffneten gesetzlichen Krankenkassen. Als erste Kasse in Deutschland zahlt sie ihren Mitgliedern bereits seit 2009 jährlich Beiträge zurück; für 2013 beträgt diese hkk-Dividende 100 Euro. Sie soll auch 2014 beibehalten werden. Gleichzeitig erweitert die hkk ihr breites Angebot an Extraleistungen: So können sich Versicherte die Kosten für Naturarzneimittel, Osteopathie, erweiterte Schwangerschaftsvorsorge und sportmedizinische Untersuchungen erstatten lassen. Vergünstigte private Zusatzversicherungen der LVM ergänzen das Angebot. Gute Noten erreicht auch die hkk-Servicequalität: 2013 vergab der TÜV Nord die Wertung "gut", das M+M Versichertenbarometer die Note 1,73 für die Kundenzufriedenheit. Die hkk wurde 1904 gegründet und gehört zum Verband der Ersatzkassen (vdek). Mehr als 700 Mitarbeiter in Bremen und Oldenburg betreuen ein Ausgabenvolumen von 846 Mio. Euro bei Verwaltungskosten, die deutlich unter dem Branchendurchschnitt liegen. Als Arbeitgeber bietet die hkk zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten und fördert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gleichzeitig fühlt sie sich einem nachhaltigen Umgang mit den Umweltressourcen verpflichtet.
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