"Report München": Bern wirft der deutschen Justiz Völker-rechtsverletzung vor
Sprengt die Schweiz die Verfahren gegen Max Strauß und Karlheinz Schreiber?
München (ots)
In einer beispiellosen Intervention hat sich die Schweiz in die Verfahren um den bislang größten Schmiergeldskandal der Bundesrepublik eingeschaltet. In einem Schreiben vom 9. Juli 2007, das dem ARD-Magazin "Report München" vorliegt, verlangt das Berner Bundesamt für Justiz "die Aufhebung" der Urteile im Zusammenhang mit dem Fuchs-Panzer-Geschäft des Thyssen-Konzerns mit Saudi-Arabien. In dem an das Bundesjustizministerium in Berlin gerichteten siebenseitigen Dokument heißt es, die deutschen Behörden hätten "sämtliche geeigneten Maßnahmen zu ergreifen", um "den rechtmäßigen Zustand wieder herzustellen". Die Schweiz benennt ausdrücklich die schon abgeschlossenen Verfahren gegen die Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert, sowie gegen Ex-Rüstungsstaatssekretär Holger Pfahls, die vom Augsburger Landgericht wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden sind. Die Berner Justiz fordert nachhaltig, "abgeschlossene Verfahren rückgängig zu machen".
Das Schweizer Veto bezieht auch die noch anhängigen Verfahren gegen Max Strauß und Karlheinz Schreiber ein.
Die Schweiz untersagt, die auf dem Weg der Rechtshilfe nach Deutschland gelieferten Bankunterlagen als Beweismittel zu verwenden und will "schriftlich bestätigt haben, dass die besagten Beweismittel nicht zu diesem Zweck verwendet werden".
Es ist das erste Mal, dass die Schweiz sich in dieser Form mit der deutschen Justiz auseinandersetzt. Sie wirft den deutschen Gerichten vor, darunter dem Bundesgerichtshof (BGH), das völkerrechtlich verbindliche Rechtshilfeabkommen verletzt zu haben. Die Warnung aus Bern ist deutlich: Der BGH habe eine Lage geschaffen, die "für die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Schweiz im Bereich der Rechtshilfe unabsehbare Konsequenzen" habe. Folco Galli, der Sprecher des Berner Bundesamtes für Justiz sagte gegenüber "Report München" in einem Interview: "Dies wäre einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Bekämpfung strafbarer Handlungen abträglich und würde im Ergebnis beiden Ländern schaden. Wir sind nicht gewillt, diese Verletzungen hinzunehmen. Bis zur Klärung der Sachlage wird die Schweiz für die im vorliegenden Sachverhalt in Deutschland noch hängigen Strafverfahren keine weitere Rechtshilfe mehr leisten."
Kernpunkt der Auseinandersetzung sind die Schweizer Bankunterlagen von Karlheinz Schreiber. Diese waren auf Grund eines Augsburger Rechtshilfeersuchens im Jahr 1999 nach Deutschland transferiert worden. Zum Streit kam es, als das Schweizer Bundesamt später feststellen musste, dass in dem deutschen Rechtshilfeersuchen "wesentliche Tatsachen" fehlten, erklärt Folco Galli gegenüber dem ARD-Magazin. Die Schweiz fühlte sich von der Augsburger Staatsanwaltschaft über die Tatsache nicht informiert, dass das für Thyssen zuständige Finanzamt die Schmiergeldzahlungen in Höhe von 220 Millionen Mark als "nützliche Aufwendungen" genehmigt hatte. "Demzufolge liegt auch kein rechtshilfefähiger Abgabebetrug vor", die Rechtshilfe sei "zu Unrecht gewährt worden", sagt Folco Galli.
Schon im Dezember 2002 und erneut im November 2006 hatte die Schweiz vergebens darauf hingewiesen, dass in Sachen Fuchspanzer keine Rechtshilfe möglich sei. Der Bundesgerichtshof setzte sich ebenso wie die Augsburger Justiz in den Revisionsverfahren Maßmann und Haastert darüber hinweg und sagte, dass es in der Entscheidungsbefugnis der deutschen Justiz liege, einmal gelieferte Akten als Beweismittel einzusetzen. Außerdem sei die Schweiz durch die Augsburger Staatsanwaltschaft nicht getäuscht worden. Das sieht Bern nun ganz anders.
Das Veto aus Bern könnte Auswirkungen auf die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz haben. Nach Informationen von Report München hat sich das Berner Bundesamt seine erneute Intervention diesmal vom Schweizer Justizminister Christoph Blocher absegnen lassen. Am Montag wird der Prozess gegen Max Strauß vor dem Augsburger Landgericht fortgesetzt.
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