"Der Neunte Tag" im Ersten
Das Erste zeigt Volker Schlöndorffs preisgekrönten Film mit Ulrich Matthes und August Diel als Kontrahenten am Freitag, 23. November 2007 um 23.30 Uhr.
München (ots)
Eine Entscheidung auf Leben und Tod - neun Tage, die Abbé Henri Kremer (Ulrich Matthes) in seinen Grundfesten erschüttern, die nicht nur über sein Schicksal, sondern auch über das seiner Freunde und seiner Familie entscheiden werden. Auge in Auge mit dem Luxemburger Gestapochef Gebhardt (August Diehl) und seinen eiskalt kalkulierten Argumenten kommt Henri in Versuchung und muss am neunten Tag bekennen, auf welcher Seite er steht.
Urlaub vom KZ, das gibt es nicht - und doch widerfährt dieses Unglaubliche dem Luxemburger Abbé Henri Kremer. Er entkommt auf Zeit diesem Ort, an dem es keinen Gott gibt.
Zu Hause angekommen, muss er sich jeden Tag in der Villa Pauly bei der Gestapo melden. Dort begegnet er dem jungen, leidenschaftlichen Karrieristen Gebhardt. Scheinen die Machtverhältnisse am Anfang klar, so entwickelt sich im Lauf der neun Tage ein wechselvolles Rede- und Gedankenduell zwischen den beiden Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, wenngleich sie sich im Glauben an Gott zu ähneln scheinen.
Gebhardt versucht den Kirchenmann zu locken, zu überraschen und zu überzeugen. Er will Kremer als - wie er glaubt - "Bruder im Geiste" auf seine Seite ziehen. Als dieser sich aber nicht wie erwartet bewegt, reagiert Gebhardt ungestüm und lässt die Maske des Verführers fallen.
Kremer ist in diesen Tagen hin- und hergerissen. Letztlich muss er feststellen, dass er ganz auf sich gestellt ist und seine Entscheidung über Leben und Tod allein fällen muss. Kremer muss sich nur gegenüber seinem Gewissen und der Frage der Menschlichkeit verantworten...
Die Darsteller im Film "Der neunte Tag"
Im Film trägt Abbé Jean Bernard den Namen Abbé Henri Kremer und hat die KZ-Nummer 25639 eintätowiert. Der Abbé wird gespielt von Ulrich Matthes. Die Rolle seines Kontrahenten, des Luxemburgs Gestapochefs Gebhardt, hat August Diel übernommen.
Als Schwester des Abbé, Marie Kremer, ist Bibiana Beglau zu sehen. Hilmar Thate stand als Bischof Philipp von Luxemburg vor der Kamera, Michael König als Gauleiter Simon. In weiteren Rollen: André Jung, Germain Wagner, Jean-Paul Raths, Petr Janis, Karel Dobry, Petr Varga, Ivan Jirik, Karel Hromadka u.a.
Produziert wurde "Der neunte Tag" von der Deutsch-Luxemburgischen Gemeinschaftsproduktion der PROVOBIS FILM, Jürgen Haase und Videopress in Koproduktion mit dem BR und ARTE, gefördert vom FilmFernsehFonds Bayern, Medienboard Berlin-Brandenburg und Film Fund Luxembourg. Redaktion BR: Jakob Hausmann / Benigna von Keyserlingk (zuständig für die Erstausstrahlung am 23. November 2007 im Ersten: Elmar Jaeger).
Regie, Drehbuch, Buch
Die eindringliche Geschichte verfilmte der Oscar-preisgekrönte Regisseur Volker Schlöndorff von Dezember 2003 bis Februar 2004 in Berlin-Brandenburg, München, Luxemburg und Prag.
Das Drehbuch von Eberhard Görner ("Nikolaikirche") und Andreas Pflüger ("Operation Rubikon") stützt sich auf die autobiografischen Aufzeichnungen des luxemburgischen Abbé Jean Bernard: In "Pfarrerblock 25487" schilderte er sachlich die traumatischen Erinnerungen an ein unvorstellbares Grauen, das ihm und seinen Mitgefangenen im Konzentrationslager Dachau widerfuhr.
Das war Abbé Jean Bernard
Jean Bernard (1907-1994) arbeitete seit 1933 als Generalsekretär der internationalen katholischen Filmorganisation O.C.I.C. und war einer der bedeutendsten Vertreter kirchlicher Filmarbeit. Am 6. Januar 1941 wurde er von der Gestapo verhaftet und nach Dachau gebracht. Er entging dem Transport in die Gaskammern. Im August 1942 wurde er entlassen. Jean Bernard wurde Chefredakteur und Herausgeber der Tageszeitung "Luxemburger Wort" sowie von 1947 bis 1972 Präsident der O.C.I.C. (heute: SIGNIS).
1945 erschien sein Buch "Pfarrerblock 25487", das in Luxemburg zum Bestseller wurde. Jean Bernard war eine eindrucksvolle Persönlichkeit von besonderer Gradlinigkeit und Durchsetzungskraft, der seiner Glaubensüberzeugung stets treu blieb.
Preise, Ehrungen, weitere Daten
"Der neunte Tag" wurde bei seiner Uraufführung beim Filmfest München 2004 mit dem Bernhard Wicki Filmpreis - Die Brücke - Der Friedenspreis des Deutschen Films ausgezeichnet. Der Film erhielt das Prädikat Besonders wertvoll. "Der neunte Tag" lief 2004 auf dem Filmfestival Locarno und Sevilla. Im gleichen Jahr erhielt Volker Schlöndorff beim Bayerischen Filmpreis 2004 in München vom Bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber den Ehrenpreis für sein bisheriges Lebenswerk.
2005 erhielt "Der neunte Tag" den Deutschen Filmpreis in der Kategorie Bestes Szenenbild und dazu sechs weitere Nominierung in den Kategorien Bester Spielfilm, Beste männliche Hauptrolle (August Diehl / Ulrich Matthes), Bester Schnitt (Peter R. Adam), Beste Tongestaltung (Gunnar Voigt), Bestes Drehbuch (Andreas Pflüger und Eberhard Görner) und Beste Regie (Volker Schlöndorff). Ulrich Matthes war zudem nominiert für den Europäischen Filmpreis 2005.
"Der neunte Tag" war Bester Film beim Internationalen Film Festival Teheran und erhielt den Grand Prix für den besten Film beim Petersburger Filmfestival 2006.
"Der neunte Tag" lief am 6. April 2007 auf ARTE (Redaktion BR/ARTE: Jochen Kölsch, Redaktion ARTE: Andreas Schreitmüller) und hat Fernsehpremiere im Ersten am Freitag, 23. November 2007, 23.30 Uhr (Redaktion: Serie, Volksstücke, Literarische Filmerzählung, Elmar Jäger).
Hintergrund zum Film
Dachau war das erste Konzentrationslager der Nazis. Im sogenannten "Pfarrerblock" waren zwischen 1939 und 1945 insgesamt 2579 Geistliche aus ganz Europa interniert. Nur etwa die Hälfte überlebte.
Ihr Verbrechen bestand darin, dass sie in ihren Ländern Widerstand gegen die Okkupation durch Hitler-Deutschland geleistet hatten. In Luxemburg wehrten sich Priester und Ordensleute besonders heftig gegen die deutsche Besetzung. Entsprechend groß war die Gruppe der luxemburgischen Priester im KZ Dachau.
Während seiner Internierung musste Abbé Jean Bernard hilflos zusehen, wie Mithäftlinge ermordet wurden. Doch in einer spektakulären Aktion wurde ihm im Januar 1942 ein neuntägiger Urlaub gewährt. Für den Fall, dass er nicht in das KZ Dachau zurückkehrt, kündigte der Lagerkommandant die Exekution weiterer Kleriker an.
In seiner Heimat wurde Jean Bernard bedrängt, das Luxemburger Episkopat zur Unterstützung von Hitlers europäischer Kirchenpolitik zu bewegen. Der Gestapochef von Luxemburg - zugleich geweihter Diakon - versprach ihm die Freiheit, wenn er diesen Beitrag leisten würde. Andernfalls gefährde der Abbé sowohl sein Leben als auch das Leben seiner Leidensgenossen. Jean Bernard geriet in einen schier unerträglichen Gewissenskonflikt.
Volker Schlöndorff, "Der neunte Tag" und weitere wichtige Filme des Regisseurs
Das Thema zu dem Film "Der neunte Tag" faszinierte Volker Schlöndorff sofort. Die beiden Protagonisten - der Abbé, der für ein paar Tage dem KZ Dachau entrinnt und der Gestapochef im von deutschen Nationalsozialisten besetzten Luxemburg - tragen einen Kampf aus: moralische Auseinandersetzung für den einen, Machtkampf für den anderen. Zivilcourage, Menschen in extremer Lebenssituation, politische Willkür, die auf das Individuum einwirkt, Überleben im Konzentrationslager, alle diese Aspekte werden in "Der neunte Tag" berührt.
Schlöndorff sagt dazu: "KZ, Religion, Gewissen, Anstand - in einem Wasserglas findet man das ganze Meer der Vergangenheit."
Wenngleich "Der neunte Tag" eine vergangene Epoche widerspiegelt, dreht sich das Thema um Problemfelder, die so oder ähnlich auch gegenwärtig nicht aus dem Blickfeld des politischen Menschen verschwinden: Die Auseinandersetzung zwischen dem Christen und dem politisch Verblendeten, die Ideologisierung junger Menschen, die Politik des Vatikans und ihre Folgen für den Einzelnen.
Das politische Engagement des 1939 in Wiesbaden geborenen Regisseurs zeigte sich immer wieder in seinen Filmen, die sich kritisch mit gesellschaftlicher Macht- und Gewaltausübung auseinandersetzen. Den erklärten Vorsatz Schlöndorffs, kommerzielles Unterhaltungskino zu inszenieren, verknüpfte er mit seiner Vorliebe für Literaturverfilmungen. Mit dem erst kürzlich im Ersten wieder gezeigten Film "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1975; nach dem gleichnamigen Roman von Heinrich Böll) gelang Schlöndorff der Durchbruch an den deutschen Kinokassen.
Als erster deutscher Film erhielt Schlöndorffs Adaption des Günter Grass-Romans "Die Blechtrommel" 1979 eine Goldene Palme in Cannes und wurde, ebenfalls als erster deutscher Film seit 1927, mit einem Oscar gekrönt. Mit der "Blechtrommel" griff Schlöndorff den Protest des Einzelnen gegen die NS-Diktatur auf, ein Thema, das er 1996 mit "Der Unhold", nach der literarischen Vorlage "Der Erlkönig" von Michel Tournier, aus einer anderen Perspektive vertiefte. Das Individuum in der Verantwortung für sein (Nicht-)Handeln und für die Gesellschaft reflektiert Schlöndorff immer wieder in seinen Arbeiten.
Bibiana Beglau, in Schlöndorffs "Der neunte Tag" als Schwester des Abbé zu sehen, hatte der Regisseur 2000 als Hauptdarstellerin für ein weiteres Meisterwerk entdeckt: für "Die Stille nach dem Schuss", angelehnt an die Memoiren der früheren RAF-Terroristin Inge Viett. Bibiana Beglau wurde für ihr Kinodebüt bei den Berliner Filmfestspielen 2000 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Schlöndorffs Film "Die Stille nach dem Schuss" wurde 2000 mit großem Erfolg unter dem Titel "The Legend of Rita" im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt.
Schlöndorffs Kinodebüt "Der junge Törless" war eine psychologische Studie des kategorischen Imperativs. "Der junge Törless" wurde 1966 in Cannes als Auftakt des "Jungen Deutschen Films" gefeiert. 41 Jahre später, bei den Filmfestspielen in Cannes 2007, wurde Volker Schlöndorffs jüngstes Werk "Ulzhan" uraufgeführt, eine lyrisch erzählte Liebesgeschichte und wie Schlöndorff sagt: "Zur Abwechslung keine Literatur, keine Politik, auch keine Vergangenheitsbewältigung, sondern reine Kür, eine Hymne an das Leben - wie es meinem Alter ansteht". "Ulzhan" ist - wie auch "Der neunte Tag" eine Kino-Koproduktion mit dem BR.
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DVD-Versand "Der neunte Tag" über: Gabriele Scharf, Tel.
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