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Streit um "Facharzt für Notfallmedizin" Fachärzte-Lobby fürchtet um Einfluss bei Nachwuchsgewinnung
"Report Mainz", heute, 23. Juli 2013, 21.45 Uhr im Ersten

Mainz (ots)

Im Streit um die Einführung eines so genannten Facharztes für Notfallmedizin fürchtet die Lobby der Fachärzte offenbar um ihren Einfluss bei der Gewinnung von Ärztenachwuchs. Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" des Südwestrundfunks. Aus einem internen Schreiben aus dem Jahr 2012, das "Report Mainz" vorliegt, geht hervor, man befürchte eine "'Migration' in diese Richtung" für den Fall, dass die Notfallmedizin zu einer eigenen "Facharztqualifikation" werde.

Das Schreiben stammt von Prof. André Gries, Leiter einer Notaufnahme an der Uniklinik Leipzig und führendes Mitglied bei der "Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)". Diese vertritt die etablierten Fachgesellschaften und Berufsverbände, etwa aus dem Bereich Chirurgie und Anästhesiologie, die den Facharzt für Notfallmedizin kategorisch ablehnen. An Vertreter dieser Fachgesellschaften schreibt Gries: "Viele junge Kollegen und Kolleginnen finden den Weg in die klinische Medizin heute vor dem Hintergrund ihres Interesses an der Notfallmedizin." Spätestens dann, wenn der Facharzt für Notfallmedizin in einzelnen Bundesländern eingeführt werde, "stehen diese Kolleginnen und Kollegen den traditionellen Fächern in anderen Bundesländern noch weniger zur Verfügung."

Die Aussage ist vor dem Hintergrund brisant, dass die DIVI den Facharzt für Notfallmedizin offiziell aus Qualitätsgründen ablehnt. Im Interview mit "Report Mainz" sagte DIVI-Präsidentin Prof. Elke Muhl: "Wir denken, dass die Notfallversorgung mit Fachärzten auf diesem hohen Niveau einmalig ist in Europa. Insofern denke ich, brauchen wir diesen Facharzt für Notfallmedizin nicht." Dem widerspricht Prof. Christoph Dodt, der in München eine Notaufnahme leitet und als Vorsitzender der "Deutschen Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin" (DGINA) die Einführung eines eigenen Facharztes für Notfallmedizin fordert. Wörtlich sagt Dodt: "Die meisten Patienten, die in die Notaufnahme kommen, sehen in sehr, sehr vielen Fällen erst einmal unerfahrene Assistenten, die eine erste Beurteilung der Lage durchführen und dann natürlich Fachärzte der einzelnen Fachdisziplinen rufen können. Aber möglicherweise sind da schon Fehler passiert. Die Ausbildung in Notfallmedizin ist bei uns in Deutschland ein absolutes Entwicklungsland. Das ist kein haltbarer Zustand. Wir brauchen einen Facharzt für Notfallmedizin."

Nach Angaben der beiden europäischen Ärztevereinigungen EuSEM (European Society for Emergency Medicine) und der UEMS (union européenne des médecins spécialistes) ist die Notfallmedizin inzwischen in 18 europäischen Ländern eine anerkannte Fachrichtung. In einem gemeinsamen "Policy Statement" vom April dieses Jahres fordern sie die europaweite Etablierung der Notfallmedizin als eigene medizinische Fachrichtung.

Die Bundesärztekammer bestätigte "Report Mainz" in einer schriftlichen Stellungnahme, dass es die Notfallmedizin in zehn europäischen Ländern sogar auf Facharztniveau gebe. In Deutschland, heißt es, dürfte sich die Besetzung von Notaufnahmen mit solchen Fachärzten "in Anbetracht der ökonomischen Bedingungen gerade für kleinere Krankenhäuser als problematisch erweisen".

Im Rahmen der Novelle der so genannten Musterweiterbildungsordnung für Ärzte, die von der Bundesärztekammer koordiniert wird, wird derzeit versucht, die Notfallmedizin durch eine verbesserte Zusatz-Weiterbildung aufzuwerten. Der Vorschlag der Gesellschaft DIVI sieht dabei eine zweijährige Ausbildungszeit vor. Dabei soll jedoch ein Jahr aus der Facharztausbildung angerechnet werden. Zudem soll die Zusatzweiterbildung nur für Leiter von Notaufnahmen obligatorisch sein. Prof. Christoph Dodt von der Gesellschaft DGINA sieht in diesem Vorschlag eine "Schmalspurausbildung". Gegenüber "Report Mainz" sagt er: "Das ist wirklich absurd. Ich denke es reicht nicht, nur den Leiter in Notfallmedizin auszubilden und diejenigen, die dann tatsächlich am Patienten arbeiten, nicht auszubilden. Das kann nicht sein."

Weitere Informationen finden Sie auf www.reportmainz.de. Zitate gegen Quellenangabe "Report Mainz" frei. Fragen bitte an "Report Mainz", Tel.: 06131/929-33351.

Original-Content von: SWR - Das Erste, übermittelt durch news aktuell

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