Führende Forscher: Könnten in Corona-Forschung weiter sein MdB Thomas Sattelberger (FDP) im Interview mit "Report Mainz": Schwere Versäumnisse und Fehler in der Biotechnologie
Mainz (ots)
Führende Forscher in Deutschland kritisieren eine mangelnde staatliche Unterstützung deutscher Forschung zur Entwicklung von Medikamenten gegen das Corona-Virus. Vielversprechende Forschungsansätze seien in der Vergangenheit zu zaghaft finanziert worden, sagten mehrere Forscher dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz". Dadurch sei versäumt worden, sich auf die jetzige Pandemie besser vorzubereiten.
Mit staatlichen Mitteln hätte man im Vorfeld ein Therapeutikum entwickeln können Der Virologe Prof. John Ziebuhr von der Universität Gießen kritisiert, man habe aus der SARS-Corona-Krise 2003, die in Asien hunderte Todesopfer forderte, nicht die notwendigen Schlüsse gezogen. Im Interview mit "Report Mainz" sagte er: "Die Möglichkeit, dass das Virus in ähnlicher Form zurückkommen konnte, hat eben nicht dazu geführt, dass man gesagt hat, wir legen uns diese Medikamente bereit, falls das Virus zurückkommt. Das ist leider nicht passiert. Es hätte gelingen können, ganz allgemein für die Familie Corona-Viren ein breitenwirksames antivirales Therapeutikum zu entwickeln." Notwendig seien dafür staatliche Mittel gewesen, da der Markt für die Industrie bisher unattraktiv gewesen sei.
Forschungsanträge alle abgelehnt
Der Tübinger Virologe und Immunologe Prof. Oliver Planz, dessen Forschungen laut "Verband der forschenden Arzneimittelhersteller" (VfA) zu den wenigen vielsprechenden Ansätzen aus Deutschland im Kampf gegen Corona-Virus gelten, schildert im Interview mit "Report Mainz": die Schwierigkeiten, an staatliche Forschungsgelder zu kommen: "Wir haben in der Vergangenheit Forschungsantrag um Forschungsantrag gestellt, um Bundesmittel zu bekommen, damit wir unsere Entwicklung in der Firma vorantreiben können. Die sind alle abgelehnt worden. Und jetzt, in der jetzigen Situation, sieht man eigentlich, was man an unserem Produkt hat. Und das legt doch die Vermutung nahe, dass da einige Versäumnisse waren."
In China sei es leichter, an Gelder zu kommen Ähnlich äußert sich Prof. Rolf Hilgenfeld, Leiter einer Forschergruppe an der Universität Lübeck, die antivirale Wirkstoffe entwickelt, die laut VfA bereits für das Corona-Wirkstoff optimiert sind. Die Aufmerksamkeit flache nach einzelnen Epidemien wie SARS im Jahr 2003 schnell wieder ab. "Seit 2005 wurde es zunehmend schwieriger, an Forschungsgelder zu kommen. Und ich brauche Partner aus der Pharmaindustrie für die klinische Entwicklung, das können wir als akademische Institution nicht alleine stemmen. Die Pharmaindustrie interessiert sich nicht, das ist kein Markt.", sagte Prof. Hilgenfeld im Interview mit "Report Mainz". In China sei es dagegen leichter, an Gelder in diesem Bereich zu kommen.
Wachstumsfonds gefordert
Der forschungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Thomas Sattelberger, spricht vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie von "schweren Versäumnissen und Fehlern in der Biotechnologie". Er fordert einen Wachstumsfonds für Biotech-Ausgründungen in der universitären und außeruniversitären Forschung. Im "Report Mainz"-Interview sagte er: "Wir brauchen in Deutschland einen Dachfonds, bei dem die Banken, die Versicherungen, die Rentenversicherungen, aber auch die Venture Capitalists und auch beispielsweise die Familien-Büros der Mittelständler sich beteiligen können, um solche risikoträchtigen Vorhaben im Bereich der Biotechnologie, aber auch im Bereich der künstlichen Intelligenz oder Raumfahrt zu fördern."
Ähnlich äußert sich der Leiter des Wirtschaftsrats der Grünen, Danyal Bayaz: "Wir diskutieren das in der Politik schon sehr, sehr lange, wir haben es aber bislang versäumt, die richtigen zentralen Hebel und Weichen zu schalten, deshalb liegt jetzt der Ball beim Finanzminister und Wirtschaftsminister, dass wir einen Wachstumsfonds auf den Weg bringen."
Beteiligungsfonds der Bundesregierung insbesondere für Digitalisierung und Klimatechnologien Die Große Koalition hatte zwar im November einen "Beteiligungsfonds für Zukunftstechnologien" beschlossen, der bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) angesiedelt sein und ein Volumen von bis zu 10 Mrd. Euro umfassen soll. Laut Koalitionsbeschluss soll der Fonds allerdings "insbesondere in den Bereichen Digitalisierung und Klimatechnologien" Geld zur Verfügung stellen.
Sofort-Maßnahme des Forschungsministeriums Das Bundesforschungsministerium teilte auf "Report Mainz"-Anfrage mit, man habe bereits in der Vergangenheit mehrere Projekte zur Bekämpfung des Corona-Virus und Lungenkrankheiten finanziert. Aus einer vom Ministerium zur Verfügung gestellten Projektliste geht hervor, dass von diesen Projekten lediglich drei die Phase II klinischer Studien, also die Erforschung eines Wirkstoffs an Patienten, erreicht haben. Das Ministerium verwies darauf, man habe nach dem jetzigen Ausbruch der Corona-Pandemie die deutschen Mittel für die europäische Forschungsinitiative "Coalition for Epidemic Preparedness Innovations" (CEPI) um 140 Mio. Euro als "Sofort-Maßnahme" zur Impfstoffentwicklung aufgestockt.
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