Ärzte hebeln Maskenpflicht mit Hilfe von Attesten aus SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach: "Das ist kriminell"
"Report Mainz" am Di., 7.7., 21:45 Uhr im Ersten
Mainz (ots)
Bundesweit stellen Ärztinnen und Ärzte nach Recherchen von "Report Mainz" Atteste gegen die Maskenpflicht aus - ohne Patienten vorher medizinisch zu untersuchen oder zu befragen. Im Internet unterstützen sie mit ihren Namen eine Initiative, die Corona verharmlost und Maßnahmen gegen die Pandemie als überzogen kritisiert.
Initiative wirbt für das "großzügige" Ausstellen von Attesten So spricht sich die Initiative "Ärzte für Aufklärung" dafür aus, "großzügig" Atteste gegen die Maskenpflicht auszustellen. Führende Köpfe der Initiative vermuten hinter den Maßnahmen zur Einschränkung von COVID-19 eine große Verschwörung. In Videos der Initiative stufen ihre Vertreter das Virus als nicht besonders gefährlich und eine Maske daher als nicht notwendig ein. Viel mehr noch: Eine Maske würde bei vielen Menschen gar erst Unwohlsein hervorrufen. "Report Mainz" gegenüber wollte sich die Initiative nicht äußern. Etwa 2.000 Unterstützer haben die "Ärzte für Aufklärung" nach eigenen Angaben, darunter Hunderte Mediziner, namentlich dokumentiert auf ihrer Website. Recherchen von "Report Mainz" belegen, dass es sich bei vielen der Unterstützer tatsächlich um Ärzte handelt. Mehr als 40 dieser Ärztinnen und Ärzte hat "Report Mainz" stichprobenartig angeschrieben und nach einem Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht gefragt. Nicht aus medizinischen Gründen, sondern wegen persönlicher Abneigung der Maskenpflicht als Corona-Maßnahme.
Mehrere Ärzte stellen Atteste ohne Untersuchung aus 19 der angeschriebenen Ärzte antworteten auf die verdeckte Anfrage von "Report Mainz", keiner von ihnen wies das Ausstellen eines solchen Attests aus ethischen Gründen zurück. Andere schrieben direkt, dass man bei ihnen solch ein Attest bekommen könne. Bei Ärzten aus vier verschiedenen Bundesländern hat "Report Mainz" vor Ort den Test gemacht und allein aufgrund einer vermeintlichen Ablehnung der Maskenpflicht ein Attest zur Befreiung von eben dieser erhalten. Dabei haben zwei Ärzte mit den vermeintlichen Patienten nicht einmal gesprochen, geschweige denn sie untersucht. Ein weiterer Arzt bot per Mail an, nach einer Überweisung von 50 Euro das Attest per Mail zu schicken. Die Diagnose solle der Patient ihm selbst vorab schriftlich mitteilen. Für den Test traten die Reporter in den Praxen als normale Patienten auf, im Anschluss gaben sie sich als Journalisten zu erkennen. Auf die Bitte nach einer Stellungnahme von "Report Mainz" reagierten die betroffenen Ärzte unterschiedlich: So hieß es einmal, es habe eine Verwechslung mit einem anderen Patienten vorgelegen, andere Ärzte verteidigen die Entscheidung als aus ihrer Sicht medizinisch gerechtfertigt.
Lauterbach: "Ärztliche Autorität missbraucht" SPD-Politiker Karl Lauterbach hält das Ausstellen der Atteste ohne Untersuchung für äußerst verwerflich. Aus seiner Sicht werde hier die in den Bundesländern gesetzlich vorgeschriebene Maskenpflicht durch lapidare Atteste unterlaufen. Gegenüber "Report Mainz" findet er deutliche Worte: "Das ist nichts anderes, als dass man die medizinische, die ärztliche Autorität missbraucht, um ein Gesetz auszuhebeln." Als Schutz vor der Pandemie sei dieses Gesetz aber "unbedingt" notwendig.
Rechtsexperte: Vorgehen möglicherweise strafrechtlich relevant Hinzu kommt: Das Ausstellen von Attesten ohne vorherige Untersuchung ist laut Bundesgesundheitsministerium grundsätzlich unzulässig. Dem Fachanwalt für Medizinrecht und Professor an der Psychologischen Hochschule Berlin Martin Stellpflug zufolge kann "das unrichtige Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen" darüber hinaus nicht nur berufsrechtlich, sondern auch strafrechtlich relevant werden - als Verstoß gegen § 278 im Strafgesetzbuch, der das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse verbietet. Und auch die gesundheitlichen Folgen solcher Atteste würden schwer wiegen: Durch das bewusste Umgehen der Maskenpflicht würden die Ärzte eine Verbreitung des Corona-Virus bereitwillig in Kauf nehmen, sagt Lauterbach im Interview mit "Report Mainz". Denn wenn ein Patient sich aufgrund dieses Attests unvorsichtig verhalte und damit sich selbst oder andere anstecke, könnten er oder andere deswegen im schlimmsten Fall sogar versterben. "Das ist eine Verantwortung, die wir nicht tragen können als Ärzte." Es gehe also in der Folge noch um viel mehr, als jemandem durch eine falsche Diagnose die Möglichkeit zu geben, ein Gesetz zu brechen. Die Einschätzung des SPD-Politikers ist deutlich: "Ehrlich gesagt, das ist kriminell."
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