ZDF-Pressemitteilung
ZDF-Magazin "Frontal 21" am 5. November 2002, 21.00 Uhr
BND-Präsident: Erhöhte Anschlagsgefahr in Deutschland
"Osama bin Laden lebt und ist aktiv"
Mainz (ots)
Der Bundesnachrichtendienst erwartet einen großen Terroranschlag der Al Qaida in naher Zukunft. Das sagte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, dem ZDF-Magazin "Frontal 21". Dabei gehe der BND von einer "höheren Gefährdung auch hier in Deutschland" aus. Nach Angaben Hannings gebe es "eine neue Dimension seit den Erklärungen des bin Laden Stellvertreters al Zawahiri", die am 8. Oktober im arabischen Fernsehen ausgestrahlt worden waren. Demnach werde Deutschland als Verbündeter der USA im Krieg gegen den Terrorismus angesehen. Deshalb rechne der BND mit einer "steigenden Gefährdung" auch für Deutschland. Zawahiri hatte in seiner Botschaft angekündigt, die "Dosis für Frankreich und Deutschland" gegebenenfalls zu erhöhen.
Hanning bestätigte gegenüber "Frontal 21", dass Osama bin Laden "nicht nur lebt, sondern dass er auch agiert". An ihn und seinen Stellvertreter in der Grenzregion zwischen Pakistan und Afghanistan heranzukommen sei schwer, so der Geheimdienstchef, weil bin Laden "sehr konspirativ vorgeht, weil er sehr gut geschützt wird, und weil er alles tut, um den Nachstellungen westlicher Behörden zu entgehen. Er stützt sich ab auf Strukturen der Al Qaida. Er hat Helfer, er hat zahlreiche Helfer. Er agiert in Regionen, die sehr schwer zugänglich sind. Er wechselt auch seine Aufenthaltsorte, das macht es sehr schwer, seine Situation, seine Lage festzustellen", sagte Hanning gegenüber dem ZDF-Magazin.
Aus der Grenzregion heraus organisiere bin Laden einen Guerillakrieg in Afghanistan. Es gebe Hinweise, so Hanning, dass "sie westliche Truppen, ISAF-Truppen möglicherweise dort angreifen werden". Aber auch international sei Al Qaida wieder voll operationsfähig. Auf die Frage, ob größere Anschläge in naher Zukunft bevorstehen, meinte der BND-Präsident im Exklusiv-Interview mit "Frontal 21": "Ja, wir haben das von den Kollegen in den USA gehört. Wir teilen eigentlich diese Ansicht. Wenn Sie sich die Zeitabläufe früherer Anschläge anschauen, wenn Sie sich anschauen den Zeitablauf seit dem 11. September, so ist in der Tat die Befürchtung sehr konkret, dass wir mit einem neuen Anschlag rechnen müssen, einem Anschlag auch größerer Dimension." Dabei sehe der BND allerdings keine Fähigkeit Al Qaidas, "Nuklearwaffen einzusetzen". Aber man könne "nicht ausschließen, dass sie so genannte schmutzige Bomben entwickelt haben."
Zu den Anschlägen in Indonesien sagte Hanning, sie seien "hochprofessionell vorbereitet worden, offenbar mit einem Team. Wir haben noch keine abschließenden Ergebnisse, aber der Eindruck, der sich bei uns gebildet hat, ist, dass dort regionale Gruppen agiert haben, aber ganz offenbar unter professioneller Anleitung." Nach Angaben von "Frontal 21" geht der BND davon aus, dass die extremistische "Jemmah Islamiyah" den Anschlag auf Bali verübte, die zeitgleiche Attacke auf Sulawesi sei das Werk des "Laskar Jihad". Die Planung und Koordination habe ein Verbindungsmann der Al Qaida übernommen.
Der deutsche Geheimdienstchef erklärte, es gebe "in den letzten Monaten mehr und mehr Informationen, dass touristische Zentren bedroht sind, dass in der Tat Touristenzentren ausgespäht werden." Als Beispiele für gefährdete Gebiete nannte Hanning Indonesien, den Süden Thailands und die Philippinen.
Der BND-Präsident warnte jedoch davor, aus der steigenden Bedrohung einen "Kampf der Kulturen", einen "generellen Gegensatz zwischen christlicher und muslimischer Welt zu konstruieren". Hanning plädierte dafür, auch nach zivilen Strategien im Kampf gegen den Terrorismus zu suchen: "Langfristig wird man sich viel stärker als bisher mit den Wurzeln des Terrorismus auseinander setzen müssen: mit den sozialen Problemen, mit den Fragen der Globalisierung, mit den schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen."
Rückfragen bitte an ZDF-Redaktion "Frontal 21", Thomas Fuhrmann, Tel.: 030-20991255, oder
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