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CDU/CSU - Bundestagsfraktion

CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Schnieber-Jastram, Singhammer und Storm: Zehn Forderungen zur Weiterentwicklung der Alterssicherung in Deutschland

Berlin (ots)

Die sozialpolitische Sprecherin der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Birgit Schnieber-Jastram MdB, der
sozialpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Johannes Singhammer
MdB, sowie der Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Rentenversicherung" in
der Sozialstaatskommission 21 der CDU, Andreas Storm MdB, erklären zu
dem morgen stattfindenden Gespräch mit der Bundesregierung zur
Weiterentwicklung der Alterssicherung:
Alle Systeme der Alterssicherung in Deutschland stehen vor großen
Herausforderungen. Der Generationenvertrag, auf dem die solidarische
Rentenversicherung aufbaut, ist vor allem aus demographischen Gründen
in eine Schieflage geraten. Angesichts dieser Herausforderung gilt
es, die Finanzkraft der Rentenversicherungssysteme langfristig stabil
zu halten und damit eine nachhaltige Entwicklung in der
Alterssicherung sicherzustellen. Nur so kann die Leistungsfähigkeit
des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung als tragende Säule
der sozialen Sicherheit in Deutschland erhalten bleiben und das
bewährte System für die kommenden Generationen gesichert werden.
Angesichts der Herausforderungen einer sich wandelnden Wirtschaft
und Gesellschaft ist es wichtig, Entscheidungen über die Zukunft der
gesetzlichen Rentenversicherung im Konsens der großen Parteien zu
treffen. Die Union wird ihre staatspolitische Verantwortung als
Opposition wahrnehmen und hat der Bundesregierung einen Rentenkonsens
angeboten. Eine nachhaltige und tragfähige Lösung dieses Problems ist
von nationaler Bedeutung, betrifft alle Generationen und ist
entscheidend für das Vertrauen der Menschen in unseren Staat. Gerade
auch die jüngere Generation muss sich darauf verlassen können, dass
ihre Altersvorsorge langfristig gesichert ist.
Unbeschadet unserer strikten Ablehnung der von der Bundesregierung
beschlossenen Abkoppelung der Rentenanpassung von der
Nettolohnentwicklung für dieses und das nächste Jahre ist die Union
bereit, vorurteilsfrei und parteiübergreifend an einer sinnvollen
Lösung mitzuwirken und diese zu verantworten. Ziel einer
verantwortungsvollen und nachhaltigen Rentenpolitik muss es sein,
Lösungen zu finden, die auch in einigen Jahrzehnten noch Bestand
haben.
Die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion setzt sich dabei für die folgenden zehn
Punkte ein:
Erstens: Die Leistungen der Rentenversicherung sind für viele
Millionen Menschen die wichtigste Sicherung gegen die großen
Lebensrisiken Alter, Tod und Invalidität. Die Menschen vertrauen in
die Stabilität dieser Systeme. Ein grundlegender Systemwechsel ist
nicht sinnvoll. Die Grundentscheidung der Rentenreformen 1992 und
1999, das lohn- und beitragsbezogene Rentenumlageverfahren
beizubehalten, eine steuerfinanzierte Grundrente sowie eine
vollständige Kapitaldeckung der Rentenversicherung abzulehnen und das
Versicherungsprinzip, d. h. die Äquivalenz von Beitrag und Leistung,
zu stärken, sind nach wie vor richtig.
Zweitens: In Deutschland werden die künftigen Generationen
erheblich stärker mit Abgaben belastet als die gegenwärtige, wenn
kein grundlegender Politikwechsel eingeleitet wird. Ziel einer
verantwortungsvollen und zukunftsorientierten Politik muss es daher
sein, die Belastungen der nachfolgenden Generationen abzubauen und
langfristig eine ausgeglichene Generationenbilanz zu erreichen. Dies
ist nur möglich, wenn der Beitragssatz in der gesetzlichen
Rentenversicherung langfristig auf einem für die Versicherten
tragbaren Niveau gehalten wird.
Drittens: Zentrales Element der angestrebten Rentenreform muss
eine neue Formel zur Berechnung der Renten sein, die sie
zukunftsfähig macht. Die weiteren Steuerentlastungen werden sich in
den nächsten Jahren rentensteigernd auswirken, so dass mit einem
spürbaren Beitragsanstieg gerechnet werden müsste, würde man an der
bisherigen Nettoanpassung unverändert festhalten. Mit einer höheren
Rentenanpassung müsste auch gerechnet werden, wenn das
Bundesverfassungsgericht für eine stärkere Besteuerung der Renten
votiert. Auf diese Entwicklungen muss durch eine Veränderung der
Anpassungsformel in der Rentenversicherung reagiert werden. Ein
Ansatz, um zukünftig eine sozial gerechte Begrenzung des
Rentenanstiegs sicherzustellen, ist der "demographische Faktor", wie
er im Rentenreformgesetz 1999 vorgesehen war.
Viertens: Ein zukunftsfähiges Rentenreformkonzept muss die
veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Im
Wandel begriffen sind insbesondere die Lebensentwürfe und
Rollenbilder von Frauen. Die zunehmende Frauenerwerbstätigkeit, neue
Familienstrukturen und eine an Gleichstellung orientierte Frauenrolle
signalisieren einen gesellschaftlichen Wertewandel, der auch die
sozialen Sicherungssysteme erfasst. Eine Reform der Alterssicherung,
die langfristig tragfähig sein soll, muss auch diese Entwicklung
berücksichtigen. Gefragt sind dabei vor allem Lösungen, die es
erlauben, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu verbessern und
diskontinuierliche Erwerbsverläufe abzusichern, und die so zu einer
eigenständigen Alterssicherung der Frauen beitragen. Daher muss jetzt
die Ausarbeitung einer tragfähigen und ausgewogenen Reform der
Hinterbliebenensicherung und eine verbesserte Bewertung der Zeiten
der Kindererziehung und der Pflege auf der politischen Tagesordnung
stehen. Gleichzeitig sollte die Familienkomponente in der
Alterssicherung gestärkt werden.
Fünftens: Zur Stärkung des gesamten Systems der Alterssicherung
ist ein deutlicher und rascher Ausbau der kapitalfundierten
Altersvorsorge im bestehenden System der zweiten und dritten Säule
der Alterssicherung anzustreben. Durch eine Ausweitung der
Teilkapitaldeckung in der Alterssicherung würde die gesetzliche
Rentenversicherung entlastet und der Wirtschaftsstandort und
Finanzplatz Deutschland gestärkt werden. Daher ist es erforderlich,
die Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung durch Änderung
der steuerrechtlichen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen zu
erhöhen. Die nachgelagerte Besteuerung soll für alle
Durchführungswege der betrieblichen Alterssicherung gelten.
Sechstens: Die bestehende staatliche Förderung der
Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand nach dem Vermögensbildungsgesetz
ist stärker auf den Bereich der Altersvorsorge auszudehnen. Sie ist
nicht nur auf Arbeitnehmer, sondern auf alle Personen mit
unterdurchschnittlichem Einkommen zu konzentrieren. Bei der Höhe der
Zuschüsse zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge könnte eine
Familienkomponente berücksichtigt werden.
Siebtens: Die Einführung einer bedarfsorientierten
Mindestsicherung für Rentner und Erwerbsgeminderte ist abzulehnen. Es
ist zwar richtig, Armut zu bekämpfen. Falsch ist es aber, bei der
Altersarmut zu beginnen. Altersarmut hat in den letzten Jahrzehnten
erheblich an Bedeutung verloren. Ende 1997 waren 1,3 % aller Senioren
auf Sozialhilfe angewiesen. Auch entsteht mit der Einführung der
bedarfsorientierten Mindestsicherung eine "Sozialhilfe de luxe".
Personen ab 65 Jahren und dauerhaft Erwerbsunfähige werden gegenüber
anderen Sozialhilfeempfängern bessergestellt. Auch entstünde ein
erheblicher Verwaltungsmehraufwand durch den Aufbau von
Doppelstrukturen, da zwei Behörden die Einkommensprüfungen
durchführen müssten. Statt der Einführung einer bedarfsorientierten
Mindestsicherung sollten die Rentenversicherung und die Sozialhilfe
zukünftig besser koordiniert werden.
Achtens: Der im "Bündnis für Arbeit" beschlossene Ausbau der
Möglichkeiten eines vorzeitigen Rentenbeginns in Form der "Rente mit
60" ist abzulehnen. Er ist das falsche Signal, weil hierdurch der
Generationenkonflikt verschärft wird. Die jüngere Generation, die
schon heute mehr als jede Generation zuvor von ihrem Einkommen an den
Fiskus und die Sozialversicherung abgeben muss, würde erneut zur
Kasse gebeten, ohne selber von einem vorzeitigen Rentenbeginn
profitieren zu können. Auch sind die beschäftigungspolitischen
Effekte der Frühverrentung gering. Bei den Frühverrentungsmodellen
der Vergangenheit ist auf sieben ausscheidende Senioren gerade mal
eine neu eingestellte Jungkraft gekommen. Sollte die Frühverrentung
über "Tariffonds" finanziert werden, werden Arbeitnehmer und
Arbeitgeber außerdem mit zusätzlichen Zwangsabgaben bzw.
Personalzusatzkosten belastet. Erforderlich ist es vielmehr, die
Arbeitsbedingungen in den Betrieben stärker an die Fähigkeiten
älterer Arbeitnehmer anzupassen und altersbedingte Defizite durch
gezielte Qualifizierung und Weiterbildung in den Unternehmen
auszugleichen. Die bestehende Übergangsregelung, nach der die
Altersrenten ohne Abschläge in Anspruch genommen werden können, wenn
45 Beitragsjahre zurückgelegt wurden, sollte über den Jahrgang 1941
hinaus verlängert werden.
Neuntens: Die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bedürfen
dringend einer Reform. Die Aussetzung dieser im Rentenreformgesetz
1999 vorgesehenen Neuregelung durch die Bundesregierung ist
abzulehnen. Die Rentenversicherung bleibt damit zunächst mit den für
sie versicherungsfremden Leistungen der arbeitsmarktbedingten
Erwerbsminderungsrenten belastet. Durch die im Rentenreformgesetz
1999 vorgenommene Begrenzung auf eine gesundheitlich bedingte
Minderung der Erwerbsfähigkeit würde die Rentenversicherung von dem
Risiko des Teilzeitarbeitsmarktes konsequent entlastet und das
Invaliditätsrisiko sachgerechter zwischen Renten- und
Arbeitslosenversicherung aufgeteilt. Für die im Rentenreformgesetz
1999 vorgesehene Abschaffung des Berufsschutzes spricht, dass die
Berufsunfähigkeitsrente von geringqualifizierten Versicherten
finanziert wird, sie jedoch nur den besser qualifizierten
Versicherten zu gute kommen kann. Um Ausweichreaktionen von den
vorzeitigen Altersrenten mit Abschlägen zu den Renten wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, sind Abschläge auch bei
den Erwerbsminderungsrenten einzuführen.
Zehntens: Im System der Rentenversicherung reagiert werden muss
auch auf die Veränderung der Arbeitswelt. Insbesondere durch die
neuen Informationstechnologien wird ein zeit- und
standortunabhängiger Informationsaustausch, eine Flexibilisierung
sowie eine räumliche und zeitliche Abkoppelung von Mensch und
Maschine ermöglicht. Die damit verbundene Entwicklung neuer
Arbeitsformen und vor allem neuer Formen von Selbständigkeit nötigt
zu der Frage, ob das klassische Arbeitnehmerverhältnis weiterhin
Anknüpfungspunkt für die Verpflichtung solidarischer Vorsorge sein
kann. Auf diese Entwicklung muss im Rahmen einer Rentenreform
reagiert werden.

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