CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Bosbach: Aktionsplan zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Extremismus und Gewalt
Berlin (ots)
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält neue Schritte zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Extremismus und Gewalt für dringend geboten. Mit ihrem Aktionsplan hat die Fraktion auch kurzfristig greifende Maßnahmen im Auge; sie ergänzen den langfristig angelegten Forderungskatalog "Mit Recht gegen rechts" der CDU-Vorsitzenden Dr. Angela Merkel.
Diesen Plan stellt der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach MdB vor:
1. Die Vorkommnisse der letzten Wochen zeigen, wie dringend eine wirksamere Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Extremismus und Gewalt ist. Dabei ist Entschlossenheit ebenso wichtig wie sorgfältiges und überlegtes Vorgehen. Die Ursachen der Anfälligkeit für rechtsextremes Denken und Verhalten und insbesondere die wachsende Bereitschaft zu entsprechenden Gewalttaten sind äußerst komplex. Eine verbesserte Prävention, die diese Ursachen effektiver als bisher bekämpft, ist deshalb unerlässlich Sie wirkt allerdings eher mittel- und langfristig. Was wir jetzt schnell brauchen, ist eine Verhinderung der Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund, insbesondere der gewalttätigen Ausschreitungen sowie eine rasche Aburteilung überführter Straftäter. Hier liegt großer, unmittelbarer Handlungsbedarf !
2. Fast drei Viertel der rechtsextremen Gewalttäter sind Jugendliche. Gerade in diesem Bereich ist entscheidender als die Art und Höhe einer Sanktion die Sicherheit und Schnelligkeit, mit der eine staatliche Reaktion erfolgt. Eine schnelle und konsequente Reaktion auf die Straftat und eine rasche Aburteilung beeindrucken den jugendlichen Täter mehr als die eigentliche Strafe, wenn diese erst nach vielen Monaten verhängt wird.
- Wir fordern schnelle Gerichtsverfahren; insbesondere muss das Rechtsinstitut des "beschleunigten Verfahrens" auch in Jugendstrafsachen Anwendung finden können (Änderung von § 79 Abs. 2 JGG).
- Wir fordern die Einführung eines "Warnarrests". Der Richter soll Jugendarrest neben einer zu Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe anordnen können. Die zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe wird durch viele Jugendliche kaum mehr als Sanktion wahrgenommen. Die gleichzeitige Anordnung eines Jugendarrests würde dem Jugendlichen hingegen nachdrücklich den Ernst der Lage vor Augen führen ("Gelb-rote Karte"). Sie macht ihm unmissverständlich deutlich, dass eine Verhaltensänderung notwendig ist, wenn er den Vollzug einer Jugendstrafe vermeiden will.
- Besonders beeindruckend auf den Jugendlichen ist die Einführung einer als Weisung ausgestalteten Meldepflicht bei Gericht oder einer von diesem genannten Meldestelle wie z.B. Polizei ( §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 11 Abs. 1 Satz 2 JGG - neu). Bei schuldhaften Verstößen gegen diese Meldepflicht soll Jugendarrest verhängt werden können.
- Heranwachsende (18- bis unter 21-jährige) handeln - von wenigen Ausnahmen abgesehen - wie Erwachsene und müssen grundsätzlich dann auch so bestraft werden. Derzeit wird aber vielfach - leider auch bei schweren und schwersten Straftaten - schematisch und ohne nähere Prüfung auf Heranwachsende das Jugendstrafrecht mit niedrigeren Strafen angewendet. Knapp die Hälfte der rechtsextremen Gewalttaten wird von Heranwachsenden begangen. Wir fordern die gesetzliche Klarstellung in § 105 JGG, dass die Anwendung des allgemeinen Strafrechts auf den Heranwachsenden der Normalfall, die Anwendung von Jugendstrafrecht hingegen die zu begründende Ausnahme ist.
3. Wichtig für eine effektive Zurückdrängung der rechtsextremen Gewalt ist ebenso, dass der Polizei die Verhinderung der Straftaten und die Strafverfolgung erleichtert wird. Dazu fordern wir:
- Die mobile Videoüberwachung von öffentlichen Orten und Bereichen, die typischerweise Schauplatz von rechtsextremen Ausschreitungen und Straftaten sind, kann von der Begehung solcher Straftaten abschrecken oder sie doch jedenfalls effektiver aufklären. Gleichzeitig wird durch solche Maßnahmen das Sicherheitsgefühl der Ausländer, aber auch der einheimischen Bevölkerung, die häufig genug Angst hat, bedrohten Ausländern beizustehen, gestärkt. * Die Zahl der polizeilichen Jugendsachbearbeiter muss erhöht werden; damit könnte einer möglichst tatort- und tatzeitnahen Bearbeitung von Jugendsachen besser als bisher Rechnung getragen werden. Durch das Zusammenwirken von speziell gerade für den Bereich des Rechtsextremismus ausgebildeten Jugendsachbearbeitern der Polizei, Jugendstaatsanwälten, Jugendgerichtshelfern, Jugendrichtern und Bewährungshelfern untereinander und mit Jugendhilfeträgern müssen Netzwerke entstehen, durch die junge rechtsextreme Straftäter aus dem entsprechenden Milieu wieder herausgeführt werden können.
- Die Bekämpfung von rechtsextremer Gewalt muss milieubezogen erfolgen und gezielt an den örtlichen Gegebenheiten ansetzen. Das bedeutet, dass die Kriminalpräventiven Räte und Ordnungspartnerschaften, wie sie schon in vielen Städten und Gemeinden unserer Länder bestehen, gerade im Hinblick auf die Bekämpfung von rechtsextremer Gewalt weiter ausgebaut und gestärkt werden müssen. Ein Großteil der Delikte wird von den Tätern am jeweils eigenen Wohnort, in unmittelbarer Nähe des Wohnortes oder im jeweiligen Landkreis begangen. Eine verantwortliche und wirksame Bekämpfungspolitik erfordert folgerichtig, dass die entsprechende Kriminalprävention auf der örtlichen Ebene ansetzt, eben dort, wo die rechtsextreme Kriminalität entsteht, begünstigt oder gefördert wird, kurz: dort, wo sie erlebt wird.
4. Dringend notwendig ist ferner, dass der rechtsextremistischen Szene die Möglichkeit zu medienwirksamen Aufmärschen und Veranstaltungen genommen wird.
- In diesem Zusammenhang fordern wir eine Reform des Versammlungsrechts. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, Änderungen des Versammlungsrechts aus der Palette möglicher Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus herauszunehmen. Beschämende Bilder, wie sie etwa am 29. Januar diesen Jahres um die Welt gingen, dürfen sich nicht wiederholen: Dass Neo-Nazis mit schwarz-weiß-roten Fahnen durch das Brandenburger Tor marschieren und gegen das geplante Holocaust-Mahnmal demonstrieren ist unerträglich. Solche Bilder beschädigen das Ansehen Berlins und Deutschlands, sie regen die Menschen zu Recht auf, sie sind eine Zumutung insbesondere für unsere jüdischen Mitbürger. Solche Aufzüge (wie sie jetzt auch bereits schon wieder geplant und angemeldet werden) blamieren und diskreditieren Berlin und unser Land in der ganzen Welt. Wir dürfen sie nicht länger zulassen.
- Schon ein durch öffentliche Meinungskundgabe angestrebter Angriff auf unsere freiheitliche demokratische Grundordnung muss das Verbot einer Versammlung begründen können. Es kann nicht dabei bleiben, dass erst mit hinreichender Sicherheit zu erwartende Straftaten ein Versammlungsverbot rechtfertigen. Ein solches Verbot muss bereits schon bei Gefahr einer nachhaltigen Beschädigung außenpolitischer Belange oder anderer erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland möglich sein. Wir fordern, dass die Verbotsvorschrift des § 15 Versammlungsgesetz entsprechend konkretisiert wird.
- Daneben müssen sogenannte "befriedete Bezirke" nicht nur für den Bundestag und andere Verfassungsorgane des Bundes bzw. der Länder möglich sein, sondern auch für öffentliche Einrichtungen oder Örtlichkeiten die von herausragender nationaler und historischer Bedeutung sind, so beispielsweise das Brandenburger Tor, das künftige Holocaust-Mahnmal, aber etwa auch die Neue Wache in Berlin oder die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers in Sachsenhausen. An solchen Orten müssen Demonstrationen, die zu der gesamtstaatlichen Bedeutung der entsprechenden Einrichtung erkennbar in Widerspruch stehen und damit das Ansehen Deutschlands beschädigen, von vornherein untersagt werden können.
Rechtsradikalen Aufmärschen muss die medienwirksame Kulisse genommen werden.
5. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird in diesem Sinne kurzfristig parlamentarische Initiativen ergreifen.
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