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CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Hintze: Bundesregierung fällt als europäischer Motor aus

Berlin (ots)

In der heutigen Haushaltsdebatte führt der Europapolitische
Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Hintze MdB, u.a.
folgendes aus:
Die heutige Haushaltsdebatte findet zu einem entscheidenden
Zeitpunkt statt: Zentrale europäische Entwicklungen stehen am
Scheidepunkt. Sowohl die interne EU-Reform als auch die Erweiterung
haben einen kritischen Punkt erreicht. Es geht um nicht weniger als
um die Zukunft der europäischen Einigung und es geht um Deutschlands
Zukunft in Europa.
Wir wollen eine Reform, die die EU handlungsfähiger,
demokratischer und bürgernäher macht. Und wir wollen, dass die
Erweiterungsverhandlungen jetzt den großen Sprung nach vorne machen.
Wir werden deshalb die europäischen Institutionen, die französische
Ratspräsidentschaft und die Bundesregierung bei mutigen
Entscheidungen voll unterstützen.
EU-Kommissar Günther Verheugen hat mit seinem Vorschlag für eine
Volksabstimmung zur Osterweiterung die Bundesregierung in erhebliche
Unruhe versetzt. Er hat damit den Finger auf eine offene Wunde
gelegt. Die Bundesregierung verhält sich beim wichtigsten
europapolitischen Projekt in der ersten Hälfte des neuen Jahrhunderts
mehr als zögerlich. Die Überwindung der Teilung Europas wird auf die
lange Bank geschoben. Die Kandidatenländer fragen sich, ob sie
überhaupt noch erwünscht sind.
Und die Bundesregierung betreibt eine Geheimdiplomatie - ohne
Öffentlichkeit und ohne selbst dem Bundestag die
Verhandlungsdokumente zur Verfügung zu stellen. Das Projekt der
Osterweiterung wird aber nur gelingen, wenn die Bevölkerung offen,
umfassend und frühzeitig über die Verhandlungen informiert wird. In
der EU der 15 breitet sich eine gewisse Erweiterungsmüdigkeit aus.
Die großen politischen und ökonomischen Chancen der Osterweiterung
der EU, der Gewinn an Stabilität für alle Beteiligten dürfen nicht
verspielt werden. Für die CDU/CSU-Fraktion sage ich ein klares JA zur
Osterweiterung. Sie ist ein Gebot der politischen, ökonomischen und
moralischen Vernunft.
Alle Kraft muss jetzt der Zukunft der Europäischen Union gelten.
Die Regierungskonferenz tritt auf der Stelle. In der zentralen Frage
aller Fragen, der Entscheidung im Ministerrat mit Mehrheit (statt mit
Einstimmigkeit), ist die Konferenz in über einem halben Jahr nicht
vorangekommen. Auch keine einzige andere Frage ist bereits
vorentschieden. Die Beitrittsverhandlungen drehen sich immer noch um
rein technische Fragen. Politische Führung ist nicht zu spüren.
Zunehmend zweifeln die Kandidatenländer an der Glaubwürdigkeit der EU
und am Engagement Deutschlands. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist
die Bundesregierung kein europäischer Motor mehr.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat oft genug erklärt, was für uns
in der laufenden Regierungskonferenz Vorrang hat. Erfreulicherweise
gibt es hierzu im Grundsatz eine breite Übereinstimmung zwischen
allen demokratischen Fraktionen. Wir wollen
  • Mehrheitsabstimmungen im Rat als Regel;
  • die Stärkung der Demokratie durch eine Stärkung des EP und durch die bessere Berücksichtigung der Bevölkerungszahlen in den Institutionen der EU;
  • mehr Flexibilität, vor allem in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik;
  • eine präzisere Aufgabenverteilung zwischen europäischer und nationaler Ebene.
Die notwendigen Entscheidungen zur Lösung dieser Themen hätten
schon lange begonnen werden müssen. Bereits frühere Bundesregierungen
haben sich darum bemüht, stießen jedoch auf zahlreiche harte
Widerstände. Das größte Problem ist der Ministerrat in seiner
jetzigen Form. Der Rat ist das am stärksten reformbedürftige Organ.
Die Kommission, das Europäische Parlament und der  Europäische
Gerichtshof haben alle auf ihre Weise Interessengegensätze und
Konflikte ausgetragen und am Ende Lösungen selbst für schwierigste
Fragen gefunden. Der Ministerrat ist jedoch im Kern eine
Fehlkonstruktion. Seine Entscheidungsprozesse sind für die Bürger,
die Öffentlichkeit und auch für nationale Parlamente undurchschaubar.
Der arbeitet viel zu langsam. Er ist die Hauptquelle der
Bürokratisierung in Brüssel.
Drei kritische Punkte bilden den Kern der Probleme:
  • Der Rat ist Legislative, Exekutive und Kontrolleur der Exekutive zugleich. Dieses bedeutet eine massive Verletzung der Gewaltenteilung. Eine solche Machtfülle erschwert auch die parlamentarische Beteiligung und eine öffentliche Kontrolle. Der Rat sollte deshalb zur zweiten Kammer der Legislative weiterentwickelt werden. Die Aufgaben der Exekutive gehören der Kommission übertragen. Das gilt auch bei der außenpolitischen Vertretung in Drittstaaten.
  • Die innere Struktur des Ministerrats ist streng aufgesplittert nach Fachressorts. Widersprüchliche Entscheidungen sind zwangsläufig, wie die gleichzeitige Subventionierung des Tabakanbaus und die Förderung der Einschränkung des Tabakkonsums oder auch die Richtlinie "Flora, Fauna, Habitat" eindrucksvoll zeigen. Der Allgemeine Rat sollte deshalb neu zusammengesetzt werden. Statt Außenminister sollten in ihm Europaminister mit ständigem Sitz in Brüssel zusammenkommen. Die Fachministerräte würden demnach zu Fachausschüssen. Bei dieser Lösung wäre es für die Öffentlichkeit erheblich leichter, Entscheidungen nachzuvollziehen und mit zu beeinflussen
  • Die Arbeitsweise des Rates ist überbürokratisiert. Es gibt über 300 Ratsgruppen auf Beamtenebene. Die Folge ist Null Transparenz und eine zweifelhafte Legitimation. Wer gibt politische Vorgaben? Und wer übernimmt politische Verantwortung? Der Rat muss deshalb politischer und parlamentarischer arbeiten.
Die Reform des Rats ist eine mittel- und langfristige Aufgabe. Wir
wollen, dass die laufende Reformkonferenz pünktlich zum Jahresende
abgeschlossen wird. Die Erweiterung der EU darf keinesfalls verzögert
werden. Uns geht es heute in dieser Frage darum, die Richtung zu
verdeutlichen, die bei den jetzigen Regierungsverhandlungen bereits
zu beachten ist.
Niemand kann ernsthaft behaupten, dass die EU nach Nizza ihre
endgültige Form gefunden haben wird. Die Reform muss auch nach Nizza
weitergehen, dann allerdings unter zunehmender Beteiligung der
Kandidatenländer. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich aktiv an
der Debatte über die Reform des Ministerrats zu beteiligen. Mehr
Demokratie, mehr Öffentlichkeit, mehr Transparenz in Europa - lassen
Sie uns daran gemeinsam arbeiten.
Die Konferenz der EU-Finanzminister am vergangenen Wochenende hat
ein Ergebnis produziert, dass meines Erachtens der Korrektur bedarf.
Das strikte Festhalten der EU-Finanzminister am Datum 01. Januar 2002
für die Ausgabe der neuen Euro-Banknoten halte ich für falsch. Es
wäre wirklich gut, wenn die Bürgerinnen und Bürger bereits ab dem 01.
Dezember 2001 die Möglichkeit hätten, die D-Mark-Scheine in Euro
umzutauschen, um den Umtauschansturm zum Jahreswechsel abzufangen.
Wenn die neuen Geldscheine bereits vor Weihnachten verfügbar wären,
würde das den Wechsel von DM-Scheinen zu Euro-Scheinen entkrampfen.

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Tel.: (030) 227-52360
Fax: (030) 227-56660
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