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CDU/CSU - Bundestagsfraktion

CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Merz/Röttgen: Gläserne Parteifinanzen - Eckpunkte einer Reform

Berlin (ots)

Folgendes Eckpunktepapier wurde in der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Abstimmung mit den beiden Parteien CDU
und CSU erarbeitet:
Eine der Grundfesten der parlamentarischen Demokratie ist das
Vertrauen der Bevölkerung in die politischen Parteien. Darum gebietet
unsere Verfassung den Parteien, über die Herkunft und Verwendung
ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft zu
geben. Ziel dieses Transparenzgebotes ist es, den Wählern eine
objektive und unbeeinflusste Wahlentscheidung zu ermöglichen. Diese
sollen sich ein realistisches Bild von den politischen Parteien
machen können. Sie sollen wissen, welche - auch finanziellen -
Interessen hinter einer Partei stehen. Dem Parteiengesetz kommt die
Aufgabe zu, dieses Gebot unserer Verfassung, das für die
demokratische Willensbildung von eminenter Wichtigkeit ist,
konsequent umzusetzen. Der Gesetzgeber ist dieser Aufgabe bislang
nicht in hinreichendem Maße nachgekommen. Die CDU-Parteispendenaffäre
und das von der SPD bis ins kleinste Detail betriebene System der
Vermögensverschleierung haben gezeigt, dass das Parteiengesetz auch
in seiner jetzigen Form eklatante Schwächen aufweist.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist sich des enormen
Vertrauensverlustes, den die Parteispendenaffäre bei den Wählern
ausgelöst hat, bewusst. Wir sehen uns daher in der Pflicht, dieses
verlorene Vertrauen zurückzugewinnen. Ein wichtiger Schritt auf
diesem Weg ist es, ein starkes Parteiengesetz zu schaffen, das
geeignet ist, solchen und anderen Verstößen für die Zukunft effektiv
vorzubeugen und den Wählern ein wirklichkeitsgetreues Bild der
politischen Parteien zu verschaffen. Das bedeutet:
1) Klarheit der Rechnungslegung
   Art und Weise der Rechnungslegung müssen den Parteien im
Parteiengesetz eindeutig und unmissverständlich vorgegeben werden.
Schlupflöcher, Grauzonen, weite Auslegungsmöglichkeiten und
Interpretationsspielräume sind fehl am Platz. Adressat der
Rechenschaftsberichte ist der Wähler und nicht der Bilanzfachmann. An
dieser Maxime müssen sich Klarheit und Umfang der enthaltenen
Informationen orientieren. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird sich
daher für folgendes einsetzen:
- detaillierte und transparenzgerechte Richtlinien für die
Rechnungslegung
Die Vorschriften des 5. Abschnitts des Parteiengesetzes über die
Rechenschaftslegung der Parteien sind unzureichend. Bereits die
Maßgabe, den Rechenschaftsbericht nach den Grundsätzen der
ordnungsgemäßen Buchführung unter Berücksichtigung des
Gesetzeszweckes zu erstellen (Paragraph 24 I 2 PartG) ist in sich
widersprüchlich und auslegungsbedürftig. Dem kann bspw. durch einen
grundsätzlichen Verweis auf handelsrechtliche Vorschriften verbunden
mit zusätzlichen parteienspezifischen Rechnungslegungsvorschriften
abgeholfen werden.
- differenzierte Kategorisierung von Einnahmen-, Ausgaben- und
Vermögens-positionen
Die Kategorien für die Einnahmerechung, Ausgaberechnung und
Vermögensrechnung (Paragraph 24 II bis IV PartG) sind nicht
differenziert genug, schaffen so Zuordnungsprobleme und führen in
einem weiteren Schritt zu transparenzwidrigen Saldierungen. So
sollten bspw. Erträge aus Parteivermögen und Erträge aus
Eigenbetrieben der Parteien gesondert aufgeführt werden.
- größenordnungsabhängige Einzelausweispflicht
Sowohl in der Einnahmen- und Ausgabenrechnung als auch in der
Vermögensrechnung sollten Posten innerhalb der jeweiligen Kategorien
ab einer bestimmten Größenordnung unabhängig von einer mglw.
zulässigen Saldierung gesondert ausgewiesen werden. Dies gilt
insbesondere für die jetzigen Einnahmen aus Vermögen und die
Finanzanlagen. Im Hinblick auf den Informationsanspruch der
Öffentlichkeit ist die Herkunft, die Quelle einer Einnahme wichtiger
als deren Höhe.
- Verbot der Quersaldierung
Die sog. Quersaldierung verstößt unbestreitbar gegen das
Transparenzgebot des Grundgesetzes und ist nach nahezu einhelliger
Auffassung schon heute mit den Vorschriften des Parteiengesetzes
nicht vereinbar. Durch die Verrechnung von Eingaben und Ausgaben, die
in keinerlei wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, wird die
Anforderung des Grundgesetzes, dass die Parteien über die Herkunft
und Verwendung ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben müssen,
gerade nicht erfüllt. Um für die Zukunft jeden Zweifel an der
Unzulässigkeit der sog. Quersaldierung auszuschließen, wird eine
klarstellende Formulierung im Parteiengesetz befürwortet.
- Erläuterungspflicht für nicht selbsterklärende Positionen
Das Parteiengesetz eröffnet die Möglichkeit, dem
Rechenschaftsbericht oder einzelnen seiner Positionen kurzgefasste
Erläuterungen beizufügen (Paragraph 24 VIII PartG). Diese
Erläuterungsoption sollte für solche Positionen, die für den
Nichtfachmann aus sich heraus nicht verständlich sind, in eine
Erläuterungspflicht umgewandelt werden.
- Streichung der 5%-Klausel für sonstige Einnahmen
Nach Paragraph 27 II 3 PartG sind sonstige Einnahmen nur dann
aufzugliedern und zu erläutern, wenn sie mehr als 5 von Hundert der
Summe der Einnahmen aus den Nummern 1 bis 6 des Paragraph 24 II PartG
ausmachen. Diese Vorschrift eröffnet transparenzwidrige
Manipulationsmöglichkeiten und gewährleistet für sonstige Einnahmen
unter dieser Schwelle überhaupt keine Transparenz. Sie ist daher zu
streichen.
- Ausweis von Vermögenswerten mit dem Verkehrswert
Dem Informationsanspruch des Bürgers kann nur Genüge getan werden,
wenn Vermögenspositionen einer Partei mit dem aktuellen Wert
(=Verkehrs-/Zeitwert) und nicht mit dem häufig wesentlich geringeren
Buchwert ausgewiesen werden. Der Bürger will wissen, welches Vermögen
die Partei jetzt hat. Sie darf sich nicht arm rechnen. Zu
berücksichtigen ist allerdings, dass die Ermittlung des aktuellen
Wertes einer bestimmten Vermögensposition mit einem beachtlichen
Aufwand verbunden sein kann. Eine praxisgerechte Lösung sollte daher
vorsehen, dass dieser Wert nicht jährlich, sondern in einem
angemessenen Zeitraum (etwa 3 Jahre) jeweils neu ermittelt wird.
2) Neutralität des eigenwirtschaftlichen Handelns
   Der Sonderstatus, den die Parteien in unserem Verfassungsgefüge
einnehmen, gebietet die Unterordnung und Neutralität ihres
wirtschaftlichen Handelns. Hauptziel einer Partei muss die
unmittelbare Einwirkung auf die politische Willensbildung der
Bevölkerung sein. Hierfür ist die persönliche, intellektuelle und
finanzielle Bindung der Partei an Mitglieder und Bürger
unverzichtbar. Wir halten daher für notwendig:
  • Begrenzung der wirtschaftlichen Betätigung der Parteien Die verfassungsrechtlichen Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung von Parteien werden in der gegenwärtigen Fassung des Parteiengesetzes nicht sichtbar. Der verfassungsrechtliche und politische Sinn dieser Grenze liegt darin, intransparente Interessenverquickungen zu verhindern und die Rückkopplung der Parteien an die Bürger zu gewährleisten. Es ist daher Aufgabe des Gesetzgebers, hinreichende und handhabbare Kriterien zu entwickeln, aus denen sich die Grenze der wirtschaftlichen Betätigung von Parteien unzweideutig ergibt sowie Instrumente vorzusehen, die die Einhaltung dieser Grenze durch die Parteien sicherstellen.
  • Verbot des Besitzes, des Betreibens und der Beteiligung an erwerbswirt-schaftlichen Tendenzbetrieben
Das wirtschaftliche Engagement von Parteien in Tendenzbetrieben
wie insbesondere Medienunternehmen eröffnet die Möglichkeit, indirekt
und vom Wähler und politischen Gegner unbemerkt auf die politische
Willensbildung Einfluss zu nehmen. Eine strikte Trennung zwischen
Parteien und Medien ist rechtlich und politisch geboten. Der
politische Gestaltungsauftrag der Parteien und die öffentliche
Kontrollfunktion der Medien dürfen nicht verwischt werden.
Parteieigene Publikationen, die direkt und erkennbar in der
politischen Arbeit der Parteien eingesetzt werden, sind
selbstverständlich zulässig.
3) Unabhängigkeit der Entscheidungsfindung
   Spenden sind eine wesentliche Einnahmequelle der im Bundestag
vertretenen politischen Parteien. Diese bürgerschaftliche Form der
Parteienfinanzierung trägt neben der Finanzierung durch
Mitgliedsbeiträge zu der rechtlich und politisch gebotenen
Rückkopplung der Parteien an die Bürger bei. Wegen dieser wichtigen
Funktion dürfen Spenden aber schon dem Anschein nach die
Unabhängigkeit staatlicher Entscheidungsfindung nicht
beeinträchtigen. Auf die Einhaltung des Transparenzgebotes ist daher
in diesem Bereich ein besonderes Augenmerk zu richten. Die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion setzt sich daher für folgendes ein:
  • Verbot der Annahme nachträglicher Einflussspenden Bisher untersagt das Parteiengesetz lediglich die Annahme solcher Spenden, die im Vorfeld einer Entscheidung in Erwartung eines Vorteils, nicht aber solcher, die - nach Erhalt des Vorteils - nachträglich gewährt werden.
  • Verbot der Spendenannahme von überwiegend staatseigenen Unternehmen
Spenden von Unternehmen, die überwiegend im Eigentum der
öffentlichen Hand stehen, stellen eine verdeckte und willkürliche
Form der staatlichen Parteienfinanzierung dar, die gerade nicht die
erwünschte Bindung zwischen Partei und Bürger repräsentiert, sondern
eine unerwünschte Vermengung zwischen Staat und Partei entstehen
lässt. Die Finanz- und Beitragsordnung der CDU verbietet deren
Annahme daher bereits in ihrer jetzigen Fassung.
  • Verbot der Annahme von Barspenden über Euro 1.000 Herkunft und Weg von Barspenden sind aufgrund des gewählten Zahlungsweges auch bei ordnungsgemäßer Verbuchung nur schwer nachvollziehbar. Die Annahme von Barspenden, die einen Höchstbetrag von 1000 Euro überschreiten, ist daher gesetzlich zu verbieten.
  • Verbot der Annahme von Direktspenden Direktspenden an Mandatsträger oder Kandidaten, die bei diesen verbleiben, sind der Kontrolle entzogen. Deshalb sehen die Finanzstatute von CDU und CSU vor, dass Mandatsträger und Kandidaten Spenden unverzüglich und unmittelbar an die Partei weiterleiten. Ein Verbot der Annahme von Direktspenden durch Mandatsträger und Kandidaten sollte darüber hinaus in das Abgeordnetengesetz aufgenommen werden.
4) Chancengleichheit
   Die staatliche Parteienfinanzierung geht von der falschen Prämisse
aus, dass die Eigenfinanzierung aller politischen Parteien in erster
Linie über Mitgliedsbeiträge und Spenden erfolgt. Vermögen und
Einnahmen aus Wirtschaftstätigkeit der Parteien bleiben außer
Betracht. Damit gefährdet die staatliche Parteienfinanzierung in
ihrer aktuellen Form die Chancengleichheit zwischen den Parteien.
Notwendig ist daher eine
- Erweiterung der Bezugspunkte der staatlichen
Parteienfinanzierung
Die staatliche Finanzierung der Parteien richtet sich neben deren
Erfolg bei Wahlen nach der Summe der Mitgliedsbeiträge sowie dem
Umfang der von ihr erworbenen Spenden (Paragraph 18 I 2 PartG). Der
Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit soll dabei verhindern,
dass das politische Kräftegewicht zwischen den Parteien verschoben
wird. Um die Chancengleichheit zwischen den Parteien zu erhalten, ist
es erforderlich, die Vermögenslage der Parteien ab einer bestimmten
Grenze als Korrektiv in die Berechnung mit einzubeziehen.
5) Kontrolle
   Die CDU-Parteispendenaffäre und die Vermögensverschleierung der
SPD sind nicht ans Licht der Öffentlichkeit gelangt, weil die
Kontrollmechanismen des Parteiengesetzes funktioniert haben. Diese
Kontrollmechanismen haben versagt. Aus Sicht der CDU ist daher
künftig unerlässlich:
  • Sicherstellung der Prüfungsunabhängigkeit Paragraph 31 PartG soll die parteiunabhängige Prüfung der Rechenschaftsberichte durch die Wirtschaftsprüfer sicherstellen. Ungeachtet dieser Vorschrift können politisch-personelle Verpflechtungen zwischen den zu prüfenden Parteien und den Wirtschaftsprüfern nicht ausgeschlossen werden. Im Sinne einer vorbeugenden Regelung sollte das Parteiengesetz daher vorsehen, das derselbe Wirtschaftsprüfer oder dieselbe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine Partei nur in maximal 5 aufeinanderfolgenden Jahren prüfen darf.
  • neutrale Zweitprüfung bei konkreten Anhaltspunkten für ein Fehlverhalten
Die Zweitprüfung durch den Bundestagspräsidenten ist in ihrer
jetzigen Form eine reine Plausibilitätsprüfung auf Grundlage der
vorgelegten Unterlagen. Darüber hinaus haben die konkurrierenden
Parteien nach der geltenden Gesetzeslage keine Möglichkeit, ihrer
Meinung nach fehlerhaft unterbliebenes Einschreiten des
Bundestagspräsidenten zu beanstanden. Sofern es hierfür konkrete
Anhaltspunkte gibt, sollte künftig vorgesehen werden, dass diese ein
unabhängiges Gremium mit eigenen Untersuchungskompetenzen anrufen
können.
6) Sanktion
   Das Parteiengesetz sieht zur Zeit nur zwei Sanktionen - für den
nicht rechtzeitig eingegangenen Rechenschaftsbericht und für
rechtswidrig erlangte bzw. nicht ordnungsgemäß veröffentlichte
Spenden - vor. Andere Verstöße gegen das Parteiengesetz bleiben nach
dem Wortlaut des Gesetzes sanktionslos. Dies ist unzureichend und
systematisch falsch. Notwendig ist:
- Einführung eines abgestuften Sanktionensystems
   In das Parteiengesetz ist ein abgestufter Sanktionenkatalog
aufzunehmen, der sich umfassend auf die den Parteien auferlegten
Pflichten bezieht und nach der Schwere der Verletzung differenziert.
   Das Parteiengesetz wird dem Informationsanspruch der
Öffentlichkeit im Hinblick auf die Finanzen der politischen Parteien
nicht gerecht. Die o.g. Eckpunkte sind geeignet, dies zu korrigieren
und können eine Grundlage dafür bilden, das Vertrauen der Bürger in
die politischen Parteien zurückzugewinnen. Ihre Umsetzung macht eine
umfassende Reform des Parteiengesetzes erforderlich. Die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird zu diesem Zweck eine Kommission aus
Abgeordneten und externen Sachverständigen einsetzen, die hierzu
praxisgerechte Vorschläge unterbreiten soll. Diese Kommission wird
sich auch mit den bis dahin vorliegenden Ergebnissen der beim
Bundespräsidenten eingerichteten Kommission zur staatlichen
Parteienfinanzierung befassen. Ihr Abschlussbericht wird im ersten
Halbjahr des Jahres 2001 vorliegen. Die Vorschläge werden dann
Eingang in einen Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion finden.

Rückfragen bitte an:

CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Pressestelle
Tel.: (030) 227-52360
Fax: (030) 227-56660
Internet: http://www.cducsu.bundestag.de
E -Mail: fraktion@CDUCSU.Bundestag.de

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