CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Merz/Glos: Gipfel der Besitzstandswahrer
Berlin (ots)
Zu den Ergebnissen des Europäischen Rates zu Nizza erklären der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz MdB und der Erste Stellv. Vorsitzende, Michael Glos MdB:
Der Europäische Rat von Nizza hat die in ihn gesetzten Erwartungen nur zum Teil erfüllt. Gemessen an der Dauer der Verhandlungen wurde nur ein Minimalergebnis erzielt. Damit ist auch das Versprechen der Europäischen Union, bis zum 1. Januar 2003 die notwendigen institutionellen Reformen für die Aufnahme neuer Mitglieder durchzuführen, nicht vollständig eingelöst. Der Erweiterungsfahrplan kann eingehalten werden, auch wenn in Nizza wichtige Aufgaben unerledigt geblieben sind und wir erneut von "left-overs" sprechen müssen. Nachbesserungen sind unverzichtbar. Dies gilt für die in Nizza zum Teil schlecht gelösten institutionellen Fragen aber auch für die Reform der Struktur- und Agrarpolitik.
Unzureichend ist insbesondere das Ergebnis bei der Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen, wo sich einmal mehr die bisherigen EU-Mitglieder als Besitzstandswahrer ihrer nationalen Privilegien erwiesen haben. Obwohl von den über 70 bisher der Einstimmigkeit unterworfenen Artikeln des EG-Vertrages ein beträchtlicher Teil in die Mehrheitsentscheidung überführt wurde, sind politisch wichtige Bereiche wie die Strukturpolitik und die Asyl- und Migrationspolitik in der Einstimmigkeit verblieben. Von Solidarität unter den Mitgliedsstaaten war in Nizza nur wenig zu spüren. Auch in der Frage der Stimmenwägung wurde das Reformziel verfehlt. Die doppelte Mehrheit, die einen optimalen Interessenausgleich zwischen den großen und kleinen Mitgliedstaaten gesichert und zugleich die demokratische Legitimität der Entscheidungen im Ministerrat erhöht hätte, wurde zugunsten eines unehrlichen Kompromisses aufgegeben. Die Abstimmungen im Rat werden noch komplizierter und noch weniger transparent.
Dass das Ergebnis von Nizza insgesamt so dürftig ausgefallen ist, hat auch mit dem fehlenden Engagement der Bundesregierung bei der Regierungskonferenz und mit dem schlechten Zustand der politischen Beziehungen zwischen den Regierungen in Paris und Berlin zu tun. Hinzu kommen falsche Signale, die die Stimmengewichtung im Ministerrat zur Prestigeangelegenheit für Deutschland und Frankreich gemacht haben. Dies gilt für die Äußerungen von Bundeskanzler Schröder in der vergangenen Woche im Deutschen Bundestag zur Reform der Stimmengewichtung ebenso wie für die unmittelbar folgende, schroffe Reaktion des französischen Staatspräsidenten Chirac. Beide hatten nicht den europäischen Erfolg, sondern ausschließlich die Bedienung innenpolitischer oder gar persönlicher Interessen im Visier.
Wir begrüßen gleichwohl auch die positiven Ergebnisse des EU-Gipfels. Hierzu gehört die Verständigung auf einen EU-Kommissar je Mitgliedsland und eine Begrenzung der Anzahl der EU-Kommissare im Zuge der Erweiterung. Die feierliche Unterzeichnung der Grundrechtscharta ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Europäischen Verfassungsvertrag, der zugleich die Abgrenzung der Kompetenzen neu regeln muss. Mit der Vereinfachung der sogenannten "verstärkten Zusammenarbeit" können Integrationsfortschritte erreicht werden, auch wenn nicht alle EU-Mitgliedstaaten mitmachen.
Die unvollständige EU-Reform muss in einer Folgekonferenz fortgesetzt werden, damit Europa nicht in eine Krise gerät. Hierfür hat es in Nizza ein klares Mandat gegeben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auf, mit den Arbeiten an einem europäischen Verfassungsvertrag einschließlich einer Durchforstung und klaren Regelung der EU-Kompetenzen umgehend zu beginnen. Die europäische Agenda duldet keinen Aufschub. Neben dem Verfassungsvertrag muss auch die Erweiterung konkret vorangebracht und die Gemeinschaftspolitiken, insbesondere die Agrar- und Strukturpolitik neu justiert werden. Die schwedische und belgische Ratspräsidentschaft im Jahr 2001 müssen fortsetzen, was in Nizza unerledigt geblieben ist.
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