CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Doss: Der Bau stürzt ab - Alarmierende
Zahlen in der Bauwirtschaft
Berlin (ots)
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion führte am 16. Mai eine Anhörung zur Lage der Bauwirtschaft durch, an der rund 200 Vertreter einzelner Bauunternehmen, Bauinnungen, Kammern und Baugewerbeverbände aus ganz Deutschland teilnahmen. Als Ergebnis dieser Anhörung wird die Unions-Fraktion einen Antrag im Deutschen Bundestag einbringen, in dem die Bundesregierung zur unverzüglichen Vorlage eines Konzepts zur Verbesserung der Lage der Bauwirtschaft aufgefordert wird. Hierzu erklärt der mittelstandspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hansjürgen Doss MdB:
Die Lage in der Bauwirtschaft ist dramatisch:
- Die Beschäftigungssituation in der Bauwirtschaft war noch nie so schlecht wie heute. Im Bauhauptgewerbe sind nur noch 940.000 Arbeitsplätze besetzt. 1995 waren es noch 1,4 Millionen. In diesem Jahr werden weitere 60.000 Arbeitsplätze verloren gehen.
Rund 250.000 arbeitslose Bauarbeiter suchen händeringend Arbeit.
- Die Baugenehmigungen in Deutschland sind im Januar um knapp 33 % gegenüber dem Vorjahr gesunken. Das ist der drastischste Einbruch seit den 80er Jahren.
- Der Auftragsbestand in der Bauwirtschaft ist der niedrigste seit der Wiedervereinigung. Die Auftragseingänge im Wohnungsbau, insbesondere in den neuen Ländern, sind auf dem niedrigsten Stand seit vielen Jahren.
- Die Schwarzarbeit blüht. Jährlich gehen durch Schwarzarbeit und illegal operierende Subunternehmen 125 Milliarden DM an Steuereinnahmen verloren.
Es muss befürchtet werden, dass angesichts der dramatischen Situation in der Bauwirtschaft auch die Prognosen für die Gesamtwirtschaft als zu optimistisch erweisen werden.
Anstatt für positive Impulse zugunsten der heimischen Bauwirtschaft zu sorgen, hat die rot-grüne Koalition die Rahmenbedingungen für den Bau drastisch verschlechtert. Gerade das mittelständisch geprägte Baugewerbe leidet unter der Verteuerung der Energiekosten - insbesondere durch die Ökosteuer - , der Einschränkung befristeter Arbeitsverträge, dem Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit und der Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung. In der Anhörung wurde zum Ausdruck gebracht, dass es die Bundesregierung versäumt hat, in Brüssel eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Bauleistungen zu beantragen. Die Investitionsquote im Bundeshaushalt bewegt sich auf einem Rekordtief. Die aus den UMTS-Erlösen finanzierten Infrastrukturinvestitionen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Finanzpolitik des Bundes verschiebt Lasten auf Länder und Gemeinden, so dass deren Investitionsfähigkeit als wichtigster öffentlicher Auftraggeber erheblich beschnitten wird.
Konkrete Pläne zur Fortsetzung des Aufbaus Ost liegen nicht vor. Das schafft Unsicherheit, wie der infrastrukturelle Nachholbedarf gedeckt werden soll. Privatfinanzierungsmodelle für die öffentliche Infrastruktur scheut die Bundesregierung wie der Teufel das Weihwasser und lässt das hier verfügbare Investitionspotenzial ungenutzt. Die Industrienation Deutschland lebt bei der Verkehrsinfrastruktur inzwischen von der Substanz. Allein der kommunale Investitionsbedarf erreicht einen Wert von fast einer Billion DM
Die Investitionsbereitschaft im Wohnungsbau ist durch zahlreiche steuerliche Verschlechterungen, wie z.B. die Absenkung der Einkommensgrenze bei der Eigenheimzulage und die Einführung der Mindestbesteuerung, beeinträchtigt worden und wird sich durch die kürzlich beschlossene Mietrechtsreform weiter verringern.
Auch eine wirkungsvolle Bekämpfung der Schwarzarbeit, deren Schwerpunkt im Baugewerbe liegt, findet nicht statt. Die Regierungskoalition sucht ihr Heil weiterhin in Maßnahmen wie:
- der Anhebung der Bußgeld- und Strafrahmen,
- der Einführung neuer Straftatbestände,
- der verbesserten personellen Ausstattung der Verfolgungsbehörden,
- dem intensivierten Austausch von Informationen zwischen den Verfolgungsbehörden,
- der Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen bis hin zur Konzentration auf weniger Behörden.
Das allein genügt aber nicht. Die Ursachen der Probleme müssen beseitigt werden. Legale Arbeit muss wieder bezahlbar werden. Die Arbeitnehmer verdienen "netto" zu wenig und kosten "brutto" zu viel. Nur durch eine konsequente Senkung der Steuern und Sozialabgaben kann Schwarzarbeit wirksam eingedämmt werden. Bedauerlicherweise hat die Regierungskoalition mit ihrer Steuerreform die falschen Signale gesetzt. Die Steuersätze für Arbeitnehmer und mittelständische Unternehmen werden im Vergleich zu Kapitalgesellschaften nur unzureichend und viel zu spät reduziert. Die mögliche Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages wird auf die lange Bank geschoben.
Damit deutsche Betriebe gegenüber europäischen Anbietern auf deutschem Boden im Wettbewerb bestehen können, muss gehandelt werden. Positiv hervorzuheben ist der von den unionsgeführten Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Hessen initiierte Gesetzentwurf des Bundesrates zur Eindämmung illegaler Beschäftigung im Baugewerbe vom September 2000. Mit diesem Gesetzentwurf soll ein 15%iger steuerlicher Pflichtabzug für Subunternehmer eingeführt werden, um endlich illegale Scheinfirmen vom deutschen Markt zu vertreiben. Leider hat Bundesfinanzminister Eichel diesem Gesetzentwurf monatelang die Unterstützung verweigert, so dass die dringend notwendige Beschlussfassung im Bundestag erst im Mai 2001 erfolgen konnte.
Solange die Bundesregierung die Bauwirtschaft, als Schlüsselbranche der Konjunktur, insgesamt so stiefmütterlich behandelt und sich auf wettbewerbsverzerrende Einzelaktionen wie im Falle Holzmann konzentriert, ist Besserung nicht zu erwarten.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert deshalb von der Bundesregierung ein Konzept zur Verbesserung der Lage der Bauwirtschaft, das u.a. folgende Komponenten enthält:
1. Steuerbelastung Um legale Arbeit wieder bezahlbar zu machen, muss die Steuerbelastung von Arbeitnehmern und mittelständischen Unternehmen über den gesamten Tarifverlauf spätestens zu Beginn 2003 wesentlich stärker und schneller als von der Bundesregierung vorgesehen zurück geführt werden. Die Ökosteuer muss abgeschafft werden. Bei der Erbschaftsteuer darf es keine zusätzlichen Belastungen mittelständischer Betriebe geben.
2. Sozialsicherungssysteme Die Sozialversicherungssysteme sind umgehend und grundlegend durch zukunftsorientierte Reformen zu stärken, damit die Sozialversicherungsbeiträge - wie von der rot-grünen Koalition versprochen - endlich auf unter 40% sinken können. Als erster Schritt ist der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 1% zu reduzieren. Ohne eine erhebliche Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung von Bürgern und Betrieben können die Lohnnebenkosten nicht dauerhaft zurückgeführt werden und müssen alle anderen Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in Deutschland Flickwerke bleiben.
3. Infrastruktur Wir brauchen eine Infrastrukturoffensive für einen beschleunigten Ausbau der Schienenwege, der Autobahnen, der Bundes- und Landstraßen und - insbesondere in den neuen Bundesländern - der kommunalen Infrastruktur. Wir brauchen mehr als nur eine einmalige Aufstockung der Finanzmittel für Infrastrukturinvestitionen - wir brauchen eine dauerhafte und verlässliche Aufstockung des Finanzrahmens von Bund, Ländern und Gemeinden. Nur so kann die Bauwirtschaft endlich wieder Boden unter die Füße bekommen. Da das Geld nicht wie Manna vom Himmel fällt, muss die Bundesregierung den Mut zu Umschichtungen im Haushalt zugunsten von Investitionen aufbringen und die Investitionsfähigkeit von Ländern und Kommunen vor allem in den neuen Ländern stärken.
4. Privatisierung Die Bundesregierung muss auch ihre Denkblockade bei Privatfinanzierungsmodellen aufgeben. Großbritannien weist hier den richtigen Weg. Dort werden 20% des öffentlichen Investitionsvolumens über private Betreibermodelle finanziert. Damit konnte eine Kostenersparnis von 17% erreicht werden - Mittel, die für andere Projekte zusätzlich zur Verfügung stehen. Beispielhaftes deutsches Pilotprojekt ist eine Maut-Brücke über den Rhein bei Nierstein, die vollständig privat finanziert und innerhalb weniger Jahre realisiert werden kann.
5. Arbeitsmarktpolitik Der 40 Mrd.-Topf der aktiven Arbeitsmarktpolitik muss statt für Konsumzwecke mehr für Investitionen genutzt werden. Die Bundesregierung muss Wege finden, damit diese Mittel zu einem großen Teil den Kommunen für Investitionsausgaben zur Verfügung gestellt werden können. So könnte die Konkurrenz von ABM-Projekten gegenüber regulär tätigen (Bau)betrieben vermieden werden. Außerdem wäre es möglich, Menschen im 1. Arbeitsmarkt zu beschäftigen, die zur Zeit im 2. Arbeitsmarkt eher verwaltet werden.
6. Europäischer Wettbewerb Die Erweiterung der Europäischen Union wird insbesondere für die heutigen Grenzregionen große Chancen bringen, nachdem diese Regionen jahrzehntelang unter ihrer Grenzlage leiden mussten. Gleichwohl sind gerade im Blick auf die Wettbewerbslage in der Bauwirtschaft Übergangsfristen nicht nur hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer sondern auch mit Blick auf die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit erforderlich. Ansonsten würde es aufgrund erheblicher Lohnunterschiede zu erheblichem Migrationsdruck auf den deutschen Bauarbeitsmarkt bzw. zu einer Verdrängung deutscher Anbieter durch Firmen aus den Beitrittsländern kommen.
7. Entsenderichtlinie Übergangsfristen können aber nicht das Allheilmittel für die Erfordernisse des anstehenden Anpassungsprozesses sein, weil die Anpassungsprobleme dadurch nur zeitlich verschoben werden. Die jetzt anstehende Reform der EU-Entsenderichtlinie muss dazu genutzt werden, den besonderen Anforderungen nach einer EU-Erweiterung Rechnung zu tragen. Eine praktikable und um einige Anwendungsbereiche erweiterte Entsenderichtlinie könnte einen dauerhaften Beitrag für Chancengerechtigkeit auch für die Bauwirtschaft insbesondere in den Grenzregionen bieten.
8. Zahlungsmoral Das "Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen" hat sich als nicht ausreichend erwiesen, um dem Problem der mangelnden Zahlungsmoral wirksam und auf Dauer beizukommen. Es ist deshalb erforderlich, Arbeiten zur Schaffung eines gesonderten Bauvertragsrechts unverzüglich wieder aufzunehmen; das "Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen" zu modernisieren, das die ordnungsgemäße Verwendung der innerhalb eines Bauvorhabens fließenden Gelder absichern will; die Überlegungen zur Schaffung eines prozessualen Instruments (Voraburteil) fortzusetzen, das es dem Richter ermöglichen soll, Handwerkern vorab einen Teil der eingeklagten Forderung trotz vorgebrachter Mängelrügen zuzusprechen.
9. Vergaberecht Angesichts der angespannten Lage der Bauwirtschaft werden Bauleistungen zunehmend nicht mehr kostendeckend angeboten. Bei öffentlichen Bauausschreibungen werden von Firmen, die dringend einen Anschlussauftrag brauchen, Bauleistungen zu Preisen angeboten, die nicht alle Kosten decken. Obwohl nach geltendem Vergaberecht nicht allein der niedrigste Preis, sondern die Wirtschaftlichkeit des Angebots entscheiden soll, erteilen die öffentlichen Bauauftraggeber in rund 95% der Fälle dem billigsten Anbieter den Zuschlag. Hohe Nachforderungen und Rechtsstreitigkeiten sind oft die Folge. Die Bundesregierung darf die Mängel der Vergabepraxis auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung nicht länger ignorieren und muss Instrumente entwickeln, mit denen die ruinöse Billigstpreisvergabe gestoppt werden kann. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an Generalunternehmer muss gewährleistet werden, dass diese die Unteraufträge zu angemessenen Bedingungen vergeben, d.h. den Verträgen mit ihren Subunternehmern ebenfalls die VOB zugrundelegen. Die fristgerechte Erfüllung begründeter Zahlungsansprüche der Subunternehmer ist durch Beibringung von Bürgschaften sicherzustellen.
Gewährleistungsbürgschaften binden in nicht unerheblichem Maße Eigenkapital und Liquidität mittelständischer Bauunternehmen und belasten deren Ertragssituation und Kreditwürdigkeit. Deshalb sollte entsprechend § 14 der VOB/A auf Sicherheitsleistungen u.a. dann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn Mängel der Leistung voraussichtlich nicht eintreten oder wenn der Auftragnehmer hinreichend bekannt ist und genügend Gewähr für die vertragsgemäße Leistung und die Beseitigung etwa auftretender Mängel bietet. Dies ist in der Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe durch die Bundesregierung zu selten der Fall.
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