CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Böhmer: "Menschliches Leben ist und
bleibt unverfügbar
Berlin (ots)
Aus Anlass der Debatte im Bundestag "Recht und Ethik der modernen Medizin" erklärt die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Prof. Dr. Maria Böhmer MdB:
Mit der Bio- und Gentechnologie beschreiten wir nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Ethik Neuland. Erstmals ist der Mensch in bisher ungeahnter Weise Gegenstand der Forschung. Inwieweit ist der Mensch noch Geschöpf ? Inwieweit wird er zum Produkt ? Wer Neuland betritt, benötigt einen Kompass. In diesem Sinn sprechen wir uns für eine ethisch verantwortbare Nutzung der Gentechnologie aus. Forschung und Technik müssen unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem Gebot des Schutzes der unteilbaren und unveräußerlichen Menschenwürde stehen. Der Mensch darf nicht zum Objekt von Forschungs- und Wirtschaftsinteressen werden. Hier liegt für uns Christdemokraten eine besondere Verantwortung.
Die öffentliche Debatte entzündet sich zur Zeit vor allem an den neuen Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin und der Embryonenforschung. Sollen wir in Deutschland die Präimplantationsdiagnostik, die Forschung an embryonalen Stammzellen, das therapeutische oder gar das reproduktive Klonen zulassen? Bevor wir darüber entscheiden, müssen wir die Grundfrage beantworten: "Wann beginnt - zu schützendes - Leben?" Die Befruchtung der menschlichen Eizelle stellt den Beginn des menschlichen Lebens dar. Denn die befruchtete Eizelle enthält das komplette genetische Programm des Menschen. Wer diese Position aufgibt, muss genau bedenken, was er damit in Frage stellt. Denn jede andere Setzung des Lebensbeginns und jede Entkoppelung von embryonalem Lebensbeginn, vollem Lebensrecht und Menschenwürde hat den Charakter der Willkür. Wer heute die Ausbildung von Nervenzellen zum entscheidenden Kriterium erhebt, mag morgen auf das Schmerzempfinden oder die Ausbildung des Gehirns abstellen. Wer gestern den 12. Tag nach der Befruchtung zum Tag der Schöpfung erklärte, nennt heute den 14. Tag. Und was spräche dann dagegen, morgen vom 16. Tag auszugehen?
Diese ethisch begründet Position wird durch die rechtlichen Grundlagen unterstrichen. Nach § 8 Abs. 1 des Embryonenschutzgesetzes gilt als Embryo "bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag." Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass das Grundgesetz auch das sich im Mutterleib entwickelnde Leben als selbständiges Rechtsgut schütze. Menschenwürde komme schon dem ungeborenen menschlichen Leben. Das Grundgesetz verpflichte den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Dieses Lebensrecht werde nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet. Die Verpflichtung des Staates, das sich entwickelnde Leben in Schutz zu nehmen, bestehe grundsätzlich auch gegenüber der Mutter. Diese beiden Entscheidungen lassen nicht den Rückschluss darauf zu, dass das ungeborene Leben vor dem Zeitpunkt der Nidation nicht zu schützen sei. Es liegt vielmehr in der inneren Logik dieser Entscheidungen, dass menschliches Leben bereits vom frühest möglichen Zeitpunkt an, also mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, dem Schutz des Grundgesetzes unterliegt.
Deshalb spreche ich mich sowohl gegen die Präimplantationsdiagnostik als auch gegen die Forschung an embryonalen Stammzellen aus. In beiden Fällen wird Leben vernichtet. Hier wird der Embryo, hier wird der Mensch zum Objekt, er wird verzweckt und letztlich getötet. Darüber können auch die erwarteten Chancen nicht hinwegtäuschen. Im Falle der PID haben sich die Befürworter zum einen bis heute geweigert, klar zu benennen, welche Erbkrankheiten damit indiziert werden dürfen. Zum anderen ist aus der Pränataldiagnostik bekannt, wie ein restriktiv intendiertes Verfahren zur Routine wird. Im Falle der Forschung mit embryonalen Stammzellen wird seit einiger Zeit argumentiert, man könne hier eine Güterabwägung vornehmen. In der Waagschale liegt auf der einen Seite das menschliche Leben, auf der anderen liegen nur vage Hoffnungen. Statt Leben zur Disposition zu stellen, sollten erfolgversprechende Alternativen in Form der Forschung an fetalen und adulten Stammzellen sowie solchen aus Nabelschnurblut gefördert werden.
Wir sollten uns den Blick auch nicht verengen lassen: PID und Stammzellen sind wichtige Themen der Bio- und Gentechnik. Aber sie sind nicht alles. In ethisch unproblematischen Bereichen ist viel getan worden und dort gibt es viel zu tun. Hier sollte Deutschland seine Stärken ausspielen. Das menschliche Leben steht weder für jeden Kinderwunsch noch für ökonomische und medizinische Hoffnungen zur Disposition.
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