CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Doss: Rot-grüne Koalition lässt
Bauwirtschaft im Stich
Berlin (ots)
Anlässlich der heutigen Aktuellen Stunde im Bundestag zur krisenhaften Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt erklärt der mittelstandspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hansjürgen Doss MdB, zur dramatischen Lage in der Bauwirtschaft:
Die Beschäftigungssituation in der Bauwirtschaft war noch nie so schlecht wie heute:
- Im Bauhauptgewerbe sind nur noch 930.000 Arbeitsplätze besetzt. 1995 waren es noch 1,4 Millionen. In diesem Jahr werden weitere 60.000 Arbeits-plätze verloren gehen. Rund 250.000 arbeitslose Bauarbeiter suchen händerin-gend Arbeit.
- Die Schwarzarbeit blüht. Jährlich gehen durch Schwarzarbeit und illegal operie-rende Subunternehmen 125 Milliarden DM an Steuereinnahmen verloren.
- Der Auftragsbestand in der Bauwirtschaft ist der niedrigste seit der Wiederverei-nigung. Die Auftragseingänge im Wohnungsbau, insbesondere in den neuen Ländern, sind auf dem niedrigsten Stand seit vielen Jahren.
- Umsätze und Investitionen in der Bauwirtschaft sind stark rückläufig.
- Das dramatische Absinken der Baugenehmigungen um 20 % im letzten Jahr hat sich im 1. Quartal 2001 ( - 24 % ) nochmals verstärkt.
Es muss befürchtet werden, dass sich angesichts der dramatischen Situation in der Bauwirtschaft auch die Prognosen für die Gesamtwirtschaft als zu optimistisch erweisen werden.
Anstatt für positive Impulse zugunsten der heimischen Bauwirtschaft zu sorgen, hat die rot-grüne Koalition die Rahmenbedingungen für den Bau drastisch verschlechtert.
Gerade das mittelständisch geprägte Baugewerbe leidet unter der Verteuerung der Energiekosten - insbesondere durch die Ökosteuer -, der Einschränkung befristeter Arbeitsverträge, dem Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit und der Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung. In der Anhörung wurde zum Ausdruck gebracht, dass es die Bundesregierung versäumt hat, in Brüssel eine Senkung des Mehrwertsteuer-satzes auf Bauleistungen zu beantragen. Die Investitionsquote im Bundeshaushalt bewegt sich auf einem Rekordtief. Die aus den UMTS-Erlösen finanzierten Infrastrukturinvestitionen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Finanzpolitik des Bundes verschiebt Lasten auf Länder und Gemeinden, so dass deren Investitionsfä-higkeit als wichtigster öffentlicher Auftraggeber erheblich beschnitten wird.
Privatfinanzierungsmodelle für die öffentliche Infrastruktur scheut die Bundesregie-rung wie der Teufel das Weihwasser und lässt das hier verfügbare Investitionspoten-zial ungenutzt. Die Industrienation Deutschland lebt bei der Verkehrsinfrastruktur inzwischen von der Substanz. Allein der kommunale Investitionsbedarf erreicht einen Wert von fast einer Billion DM.
Die Investitionsbereitschaft im Wohnungsbau ist durch zahlreiche steuerliche Ver-schlechterungen, wie z.B. die Absenkung der Einkommensgrenze bei der Eigen-heimzulage und die Einführung der Mindestbesteuerung, beeinträchtigt worden und wird sich durch die Mietrechtsreform weiter verringern.
Auch eine wirkungsvolle Bekämpfung der Schwarzarbeit, deren Schwerpunkt im Baugewerbe liegt, findet nicht statt. Die Regierungskoalition sucht ihr Heil weiterhin in Maßnahmen wie:
- der Anhebung der Bußgeld- und Strafrahmen,
- der Einführung neuer Straftatbestände,
- der verbesserten personellen Ausstattung der Verfolgungsbehörden,
- dem intensivierten Austausch von Informationen zwischen den Verfolgungsbehörden,
- der Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen bis hin zur Konzentration auf weniger Behörden.
Das allein genügt aber nicht. Die Ursachen der Probleme müssen beseitigt werden. Legale Arbeit muss wieder bezahlbar werden. Die Arbeitnehmer verdienen "netto" zu wenig und kosten "brutto" zu viel. Nur durch eine konsequente Senkung der Steuern und Sozialabgaben kann Schwarzarbeit wirksam eingedämmt werden. Bedauerlicherweise hat die Regierungskoalition mit ihrer Steuerreform die falschen Signale gesetzt. Die Steuersätze für Arbeitnehmer und mittelständische Unternehmen werden im Vergleich zu Kapitalgesellschaften nur unzureichend und viel zu spät reduziert. Die mögliche Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages wird auf die lange Bank geschoben.
Damit deutsche Betriebe gegenüber europäischen Anbietern auf deutschem Boden im Wettbewerb bestehen können, muss gehandelt werden. Positiv hervorzuheben ist der von den unionsgeführten Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Hessen initiierte Gesetzentwurf des Bundesrates zur Eindämmung illegaler Beschäftigung im Baugewerbe vom September 2000. Mit diesem Gesetzentwurf soll ein 15%iger steuerlicher Pflichtabzug für Subunternehmer eingeführt werden, um endlich illegale Scheinfirmen vom deutschen Markt zu vertreiben. Leider hat Bundesfinanzminister Eichel diesem Gesetzentwurf monatelang die Unterstützung verweigert, so dass die dringend notwendige Beschlussfassung im Bundestag erst im Mai 2001 erfolgen konnte.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert von der Bundesregierung ein Konzept zur Verbesserung der Lage der Bauwirtschaft:
1. Um legale Arbeit wieder bezahlbar zu machen, muss die Steuerbelastung von Arbeitnehmern, mittelständischen Unternehmen und Freiberuflern über den ge-samten Tarifverlauf spätestens zu Beginn 2003 wesentlich stärker und schneller als von der Bundesregierung vorgesehen zurück geführt werden.
Die Sozialversicherungssysteme sind umgehend und grundlegend durch zu-kunftsorientierte Reformen zu stärken, damit die Sozialversicherungsbeiträge - wie von der rot-grünen Koalition versprochen - endlich auf unter 40% sinken können.
Die Erfahrungen der EU-Mitgliedstaaten, die die Möglichkeit der ermäßigten Umsatzsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen im Baugewerbe ergriffen haben, sind intensiv zu prüfen, um darauf aufbauend dieses in Frankreich offensichtlich sehr positiv wirkende Instrument ggf. auch in Deutschland einsetzen zu können.
2. Wir brauchen eine Infrastrukturoffensive für einen beschleunigten Ausbau der Schienenwege, der Autobahnen, der Bundes- und Landstraßen und - insbesondere in den neuen Bundesländern - der kommunalen Infrastruktur. Nur so kann die Bauwirtschaft endlich wieder Boden unter die Füße bekommen. Soweit ausreichende Finanzmittel nicht verfügbar sind, muss die Bundesregierung den Mut zu Umschichtungen im Haushalt zugunsten von Investitionen aufbringen und die Investitionsfähigkeit von Ländern und Kommunen vor allem in den neuen Ländern stärken. Außerdem muss die Bundesregierung endlich ihre Denkblockade bei Privatfinanzierungsmodellen aufgeben.
3. Die Wohneigentumspolitik der Bundesregierung darf nicht länger Spielwiese für fiskalisch begründete und ideologisch motivierte Belastungstests sein, sondern muss wieder stärker dem hohen Stellenwert der selbstgenutzten Immobilie beim Bürger Rechnung tragen. Die Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter bei Nachweis der Herstellungskosten für die Beantragung der Eigenheimzulage darf der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung keinen Vorschub leisten.
Aus städtebaulichen wie aus baukonjunkturellen Gründen ist eine Erhöhung der Bundesfinanzhilfen für die Städtebauförderung dringend geboten. Die mit einem hohen Multiplikator angestoßenen privaten Folgeinvestitionen kommen vor allem kleinen und mittleren Unternehmen der Bauwirtschaft zugute.
4. Es besteht ein deutliches Missverhältnis zwischen den erheblichen Mitteln, die für die aktive Arbeitsmarktpolitik aufgewendet werden (ca. 45 Mrd. DM) und den knappen Mitteln, die den Kommunen besonders in den neuen Ländern für Investitionen zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung muss deshalb dafür sorgen, dass die ABM-Mittel zielgerichteter und sparsamer ausgegeben werden und dass gleichzeitig den Kommunen ausreichende eigene Mittel für Investitionsausgaben zur Verfügung stehen. So kann die Konkurrenz von ABM-Projekten gegenüber regulär tätigen (Bau)betrieben vermieden werden.
5. Die Erweiterung der Europäischen Union macht mit Blick auf die Wettbewerbslage in der Bauwirtschaft Übergangsfristen nicht nur hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer sondern auch im Blick auf die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit erforderlich. Ansonsten würde es aufgrund erheblicher Lohnunterschiede zu einem zusätzlichen Migrationsdruck auf den deutschen Bauarbeitsmarkt bzw. zu einer Verdrängung deutscher Anbieter durch Firmen aus den Beitrittsländern kommen.
Übergangsfristen können aber nicht das Allheilmittel für die Erfordernisse des anstehenden Anpassungsprozesses sein, weil die Anpassungsprobleme dadurch nur zeitlich verschoben werden. Erstrebenswert sind deshalb umfassende Lösungen, die unsere Standards dauerhaft vor Wettbewerbsverzerrungen durch entsandte Arbeitnehmer aus alten und neuen Mitgliedsstaaten schützen, ohne speziell für die Beitrittsländer diskriminierend zu wirken. Die jetzt anstehende Reform der EU-Entsenderichtlinie muss auch dazu genutzt werden, den besonderen Anforderungen nach einer EU-Erweiterung zu begegnen.
6. Das "Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen" hat sich als nicht ausreichend erwiesen, um dem Problem der mangelnden Zahlungsmoral wirksam und auf Dauer beizukommen. Es ist deshalb erforderlich,
- Arbeiten zur Schaffung eines gesonderten Bauvertragsrechts u.a. auf Basis der neuen Vorschläge des Freistaates Sachsen unverzüglich wieder aufzunehmen;
- das "Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen" (GSB) zu modernisieren, welches die ordnungsgemäße Verwendung der innerhalb eines Bauvorhabens fließenden Gelder absichern will;
- die Überlegungen zur Schaffung eines prozessualen Instruments (Voraburteil) fortzusetzen, das es dem Richter ermöglichen soll, Bauunternehmen, Handwerkern und Freiberuflern vorab einen Teil der eingeklagten Forderung trotz vorgebrachter Mängelrügen zuzusprechen.
7. Angesichts der angespannten Lage der Bauwirtschaft werden Bauleistungen zunehmend nicht mehr kostendeckend angeboten. Bei öffentlichen Bauausschreibungen werden von Firmen, die dringend einen Anschlussauftrag brauchen, Bauleistungen zu Preisen angeboten, die nicht alle Kosten decken. Obwohl nach geltendem Vergaberecht nicht allein der niedrigste Preis, sondern die Wirtschaftlichkeit des Angebots entscheiden soll, erteilen die öffentlichen Bauauftraggeber in rund 95% der Fälle dem billigsten Anbieter den Zuschlag. Hohe Nachforderungen und Rechtsstreitigkeiten sind oft die Folge. Die Bundesregierung darf die Mängel der Vergabepraxis auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung nicht länger ignorieren und muss Instrumente entwickeln, mit denen die ruinöse Billigstpreisvergabe gestoppt werden kann.
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