CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Koschyk: Rot-grüne Schadensbilanz in der
Vertriebenen- und Aussiedlerpolitik
Berlin (ots)
Auf einer Pressekonferenz über die Bilanz rot-grüner Politik gegen Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minderheiten erklärt der vertriebenenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk MdB:
Enttäuschend fällt die Bilanz der Regierung Schröder in der Politik gegenüber Vertriebenen, Aussiedlern und deutschen Minderheiten aus. Die tatsächliche Politik der Bundesregierung auf diesem Feld spricht der Regierungserklärung Kanzler Schröders vom 10. November 1998 Hohn. Schröder erklärte seinerzeit: "Wir wollen die Gesellschaft zusammenführen, die tiefe, soziale, geographische, aber auch gedanklich-kulturelle Spaltung überwinden, in die unser Land geraten ist." Heute müssen die Vertriebenen und Aussiedler mit Bitterkeit feststellen, dass sie mit ihren Anliegen von der derzeitigen Bundesregierung an den gesellschaftlichen Rand gedrängt worden sind. Die Bundesregierung unter Führung Kanzler Schröders zieht neue Gräben durch das Land.
1. Pflege des Geschichts- und Kulturerbes der Vertriebenen
Die rot-grüne Bundesregierung verweigert den deutschen Heimatvertriebenen eine hinreichende Förderung der Pflege ihres Kultur- und Geschichtserbes. Die rot-grüne Kulturpolitik setzt die Axt an einen Baum an, der erst richtig seit der Regierungsübernahme Bundeskanzler Kohls gedeihen konnte. Standen im Jahre 1982 für die Förderung der Pflege des Kultur- und Geschichtserbes der deutschen Vertriebenen 4,17 Millionen DM an Bundesmitteln zur Verfügung, so wuchsen diese Mittel bis zum Jahre 1998 auf rund 46 Millionen DM an. Im laufenden Jahr wurden diese Mittel auf 33,2 Millionen DM zurückgefahren. Auch der Entwurf des Haushaltes für das Jahr 2002 sieht mit 33,2 Millionen DM denselben niedrigen Ansatz vor.
Den Aufwuchs der Mittel von 1982 bis 1998 zu kritisieren, geht fehl. Immerhin handelt es sich um das kulturelle Erbe von über 15 Millionen Deutschen und ihren heute in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Nachkommen. Dieses Kulturerbe ist Teil der deutschen Gesamtkultur und wird auch von unseren östlichen Nachbarn als Bestandteil des gemeinsamen europäischen Kulturerbes angenommen. Im Vergleich nehmen sich diese Mittel äußerst bescheiden aus. So stehen z.B. im laufenden Jahr für kulturelle Fördermaßnahmen des Bundes in der Bundesstadt Bonn rund 60 Millionen DM zur Verfügung. Der ideologische Ansatz der rot-grünen Kulturpolitik ist evident.
Aufgrund der drastischen Kürzungen sind bereits bewährte Einrichtungen der Vertriebenen-Kulturarbeit aus der Förderung herausgefallen: der Ostdeutsche Kulturrat, die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, der sich hauptsächlich mit Geschichte, Kultur und Gegenwart der Russland- und Baltendeutschen befassende Göttinger Arbeitskreis und das Kulturwerk Schlesien. Andere Einrichtungen werden vermutlich folgen.
2. Haushaltsentwurf 2002
Die Hilfen für Spätaussiedler und deutsche Minderheiten in den Staaten Ostmittel-, Südost- und Osteuropas einschließlich der ehemaligen Sowjetunion waren bislang schon ein Steinbruch rot-grüner Haushaltspolitik. Standen hierfür im Haushalt für 1998 noch über 2 Milliarden DM zur Verfügung, so senkte Rot-Grün die entsprechenden Hilfen im Haushalt des laufenden Jahres auf unter 1,4 Milliarden DM ab. Auch der Entwurf für den Bundeshaushalt 2002 nimmt weitere Kürzungen vor. Bereinigt man einige Titel um Ausgaben für ausländische Zuwanderer, so liegt der Ansatz wieder deutlich unter 1,4 Milliarden DM. Bei Rückführung, Erstaufnahme und Eingliederungshilfen für Spätaussiedler wird weiter gekürzt: bei der Rückführung um 3 Millionen DM, bei der Erstaufnahme ebenfalls um 3 Millionen DM und bei den Eingliederungshilfen und Entschädigungen um über 40 Millionen DM.
Das von der rot-grünen Bundesregierung vorgelegte Konzept zur Neustrukturierung der Sprachförderung für Aussiedler und Ausländer wird den Erfordernissen in keiner Weise gerecht und ist deshalb von zahlreichen Sprachkursträgern mit Recht als unausgegoren kritisiert worden. Das Konzept berücksichtigt nicht ausreichend die unterschiedlichen Voraussetzungen, die die Sprachkursteilnehmer mitbringen, und will die für die Integration in Deutschland besonders wichtigen sozialpädagogischen Betreuungsstunden massiv reduzieren. Die Bundesregierung hat die für Anfang 2002 vorgesehene Einführung des Konzeptes kurzfristig zurück gestellt. Die Bundesregierung ist nunmehr aufgefordert, das Konzept gründlich zu überarbeiten.
Auch bei der Unterstützung für deutsche Minderheiten wird weiter massiv eingespart. Einschließlich außerplanmäßiger Mittel wurden im Jahre 1998 fast 140 Millionen DM ausgereicht. Im laufenden Jahr stehen nur noch 64 Millionen DM zur Verfügung. Der Ansatz für das kommende Haushaltsjahr sieht nur noch 58 Millionen DM vor. Die deutschen Minderheiten müssen sich deshalb ernsthaft fragen, ob sie sich der Solidarität der Bundesregierung noch gewiss sein können.
Aus den Reihen der SPD sind immer wieder Stimmen zu vernehmen, die ein Ende der verlässlichen Aussiedlerpolitik wollen und auf diesem Gebiet Restriktionen einfordern. So beabsichtigt der niedersächsische Innenminister Bartling (SPD) mit Unterstützung anderer SPD-regierter Bundesländer einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Nachweis des individuellen Kriegsfolgenschicksals der Spätaussiedler aus Russland für die Statusfeststellung fordert. Diese Forderung bedeutet eine weitere unerträgliche Verunsicherung für die Spätaussiedler und ihre Familien. Bartling und andere Sozialdemokraten sollten sich mit der Lebenswirklichkeit der deutschen Minderheiten in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion besser vertraut machen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion appelliert daher an die Bundesregierung, keine weiteren materiellen Schlechterstellungen in der Aussiedlerpolitik ins Gespräch zu bringen. Die Unionsfraktion steht zu den Aussiedlern als einer Bevölkerungsgruppe, deren Möglichkeit zur Aufnahme in Deutschland einer historischen Verpflichtung entspricht.
Gleichwohl verschließt sich die Unionsfraktion nicht sinnvollen Maßnahmen und hat so die Gesetzesnovelle mitgetragen, die nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Oktober 2000 die Bedeutung des Sprachtestes für die Aussiedleraufnahme wieder hergestellt hat.
3. Politische Anliegen der Vertriebenen
Ein zentrales Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen besteht darin zu verhindern, dass mit der Aufnahme unserer östlichen Nachbarstaaten in die Europäische Union noch fortgeltende Unrechtsdekrete in die Rechts- und Wertegemeinschaft der EU eingeführt werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion teilt diese Ansicht und hat deshalb bereits im Sommer 1999 mit ihrem Antrag "Versöhnung durch Ächtung von Vertreibung" die Bundesregierung aufgefordert, zum Zwecke der Aufhebung entsprechender Dekrete selbst und im Verbund mit den anderen Mitgliedstaaten sowie den Institutionen der Europäischen Union gegenüber den betreffenden Staaten tätig zu werden. Die rot-grüne Bundestagsmehrheit hat den Unionsantrag allerdings abgelehnt.
Nach wie vor zieht sich die rot-grüne Bundesregierung vor allem mit Blick auf die tschechischen Benesch-Dekrete auf einen fragwürdigen Standpunkt zurück. So erklärte sie jüngst in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion zu sudetendeutschen Anliegen: "Auf Initiative von Bundeskanzler Schröder stellte der tschechische Ministerpräsident Zeman im März 1999 fest, dass die Benes-Dekrete in ihrer rechtlichen Wirksamkeit erloschen seien."
Mit Recht kann diese Haltung als eine Problemverdrängung gekennzeichnet werden. "Pravni radce", eine juristische Fachzeitschrift in der Tschechischen Republik, bezeichnet die Dekrete in ihrer jüngsten Ausgabe als "überlebt", da sie "auf dem juristisch unhaltbaren" Prinzip der Kollektivschuld basierten. Die Zeitschrift schlägt daher vor, ein spezielles Verfassungsgesetz auszuarbeiten, das die Dekrete teilweise außer Kraft setzt. Das Gesetz könne am Tag der Aufnahme Tschechiens in die EU in Kraft treten. Erst im Herbst 1999 hat der tschechische Verfassungsrichter Antonin Prochazka klargestellt, dass die Dekrete "weiter gültig und Teil der tschechischen Rechtsordnung" seien. Er selbst entscheide heute noch auf der Grundlage der Dekrete über Recht oder Unrecht in Restitutionsstreitigkeiten. Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen bleibt es das Geheimnis der Bundesregierung, wie sie ihren fragwürdigen Standpunkt begründet. Problembewusster und damit realitätsgerechter haben das Europäische Parlament und der österreichische Bundeskanzler Schüssel gehandelt. Das Europäische Parlament hat sich bereits zwei Mal in Entschließungen über die Unrechtsdekrete in der Tschechischen Republik geäußert, so am 15. April 1999 und am 4. Oktober 2000. Anlässlich der Verleihung des Europäischen Karlspreises der Sudetendeutschen Landsmannschaft an den österreichischen Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel erklärte dieser am 2. Juni 2001: "Spätestens, das sage ich hier sehr deutlich, mit dem EU-Beitritt Tschechiens, werden jene Benesch-Dekrete, die den europäischen Grundwerten widersprechen, der Vergangenheit angehören müssen. Und daher bemühen wir uns um dieses Ziel." Die Stellungnahme des österreichischen Bundeskanzlers hebt sich deutlich von der Haltung des deutschen Bundeskanzler ab. Schröders Anspruch, eine Politik der "ruhigen Hand" zu vertreten, verbrämt lediglich sein Desinteresse an den berechtigten Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten. Sie dürfen sich von der Regierung Schröder ins politische Abseits manövriert fühlen.
4. Deutsche Zwangsarbeiter
Die Bundesregierung weigert sich nach wie vor hartnäckig, zum Zwecke der Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter gegenüber den Staaten eine Initiative zu ergreifen, die Deutsche am Ende des Zweiten Weltkrieges und danach deportiert und zur Zwangsarbeit verpflichtet haben. Die Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatten dies anlässlich der Verabschiedung des Gesetzes zur Errichtung der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" in einer Erklärung zur Abstimmung am 6. Juli 2000 gefordert.
Wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über "Erkenntnisse über deutsche Zwangsarbeiter" zeigt, ist der Bundesregierung das Thema äußerst unangenehm. Auf die Fragen, wie groß die durch ausländische Mächte zur Zwangsarbeit herangezogene Zahl von Angehörigen der deutschen Zivilbevölkerung war und wie viele dieser ehemaligen deutschen Zwangsarbeiter nach Erkenntnissen der Bundesregierung noch leben, antwortete die Bundesregierung ebenso abwiegelnd wie gereizt: "Die Bundesregierung hat zuletzt in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau sowie der Fraktion der PDS nochmals darauf hingewiesen, dass von der Nachkriegsgesetzgebung die Heranziehung von Deutschen oder deutschen Volkszugehörigen durch dritte Hoheitsträger zur Zwangsarbeit als allgemeines Kriegsfolgenschicksal bewertet und Zwangsarbeit als solche demzufolge nicht zum unmittelbaren Anknüpfungspunkt von innerstaatlichen Leistungen gemacht worden ist (...). Auf diesem Hintergrund gab und gibt es aus administrativer Sicht keinen zureichenden sachlichen Grund, Zahlen oder Vorgänge derart festzustellen, wie sie zur Beantwortung der Frage hätten erhoben worden sein müssen. Der Bundesregierung liegen deshalb insoweit auch keine eigenen Erkenntnisse vor." Eine Kontaktaufnahme zu den Staaten, die Angehörige der deutschen Zivilbevölkerung zur Zwangsarbeit eingesetzt haben, lehnt die Bundesregierung nach wie vor ab: "So tragisch, schmerzhaft und groß das Leid für die Betroffenen auch war und ist, es hatte seine Wurzeln im vorausgegangenen NS-Unrecht. Daher beabsichtigt die Bundesregierung nicht, entsprechende Initiativen gegenüber dritten Staaten zu ergreifen."
Die Bundesregierung trägt mit ihrer Haltung dazu bei, dass sich die zur Zwangsarbeit eingesetzten Deutschen als Opfer zweiter Klasse begreifen müssen. Angesichts der Weigerung der Bundesregierung, mit den entsprechenden Staaten Kontakt über diese Frage aufzunehmen, muss jetzt intensiv über eine innerstaatliche Lösung nachgedacht werden. Die Republik Österreich hat hier ein Beispiel gesetzt und gewährt noch lebenden einstigen österreichischen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten eine Entschädigung, die als Zuschuss zur Altersrente ausgereicht wird.
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