Das Erste, Mittwoch, 7. Juni 2000, 23.00 Uhr
Mein liebster Feind
Ein Film von Werner Herzog
Köln (ots)
Fast zehn Jahre nach Klaus Kinskis Tod hat sich der Regisseur Werner Herzog noch einmal auf die Spuren ihres gemeinsamen Wirkens begeben. An den früheren Drehorten erzählt er aus seiner Perspektive und voller subtiler Ironie von den Höhe- und Tiefpunkten der Zusammenarbeit.
Barbara Brückner und Michael André sprachen in Köln mit Werner Herzog:
WDR: Am 7. Juni wird Ihre aufsehenerregende Dokumentation "Mein liebster Feind" im Ersten Deutschen Fernsehen gesendet. Was glauben Sie, wird der Film bei den Zuschauern auslösen, bewegen?
Herzog: Ich glaube, es gibt ein bisschen schon eine Vorahnung davon, weil der Film ja im Kino lief. Und da hat, glaube ich, das Publikum sehr stark reagiert, weil der Film eine große Wärme und vor allem viel Humor hat. Es wird ja mehr gelacht als in jeder Komödie. Das ist das Seltsame und die Entdeckung bei mir gewesen. Und ich hoffe auf eine ähnliche Reaktion. Publikum ist ja immer intelligent. Viel intelligenter als man glaubt und hat auch genaues Gespür für solche Dinge. Ich freue mich drauf, dass der Film jetzt ein größeres Publikum haben wird.
WDR: Was war für Sie der Beweggrund, acht Jahre nach Kinskis Tod diesen Film über Ihre beiderseitige Hassliebe zu drehen?
Herzog: Für mich lag eigentlich immer in der Luft, dass es mehr war als eine persönliche Freundschaft, dass da etwas da war, was wie die Quintessenz kreativer Zusammenarbeit von zwei Menschen ist. Ich glaube auch, dass Kinski ein Besonderer war, der eine Intensität auf der Leinwand hatte und eine dämonische Energie, die in der Filmgeschichte ohne zitierbaren Vergleich ist. Das ganz Besondere, das weit über das Private hinaus reicht, das dachte ich, muss eigentlich einem breiteren Publikum gezeigt werden.
WDR: War der Film auch eine Möglichkeit für Sie, um Klaus Kinski zu trauern?
Herzog: Wirklich getrauert habe ich um Kinski nie, denn unsere Arbeit war schon drei Jahre vor seinem Tod beendet. Wir wussten, wir würden nie mehr zusammen arbeiten. Aber er hat doch eine große Lücke hinterlassen, eine große Leere. Und manchmal so fürchterlich und so wunderbar er sein konnte und so abstoßend und unertragbar und eine Pestilenz, die er war, die nirgendwo auf der Welt zu finden war. Irgendwo fehlt er mir. Ich kann's nicht anders sagen. Er fehlt mir.
WDR: Würden Sie heute mehr lachen oder mehr weinen über ihre gemeinsame Zeit mit Klaus Kinski?
Herzog: Ich glaube, der Film "Mein liebster Feind" zeigt es deutlich, durch den Abstand der Zeit haben sich auf einmal die Perspektiven verändert. Das heißt, alle Wunden, die ich zu lecken hatte, das ist geheilt und ist vorüber. Und auf einmal die Macht von Zeit und das Mysteriöse von Zeit, die verläuft, von Jahren, die vergehen, verändern einen und verändern die Perspektive. Heute, wenn ich daran zurück denke dann ist das nur noch von Humor erfüllt und von Wärme. Und genau dieses Klima hat der Film auch. Das kam einfach so und das war auch richtig so.
WDR: Wie würden Sie Klaus Kinski kurz charakterisieren?
Herzog: Ein so komplexes Phänomen wie Kinski zu beschreiben, ist gar nicht möglich. Man bräuchte eine Woche, um nur zu erzählen. Ich glaube, er hatte etwas, was hochgradig empfindsam war bis zur Hysterie. So wie ein Rennpferd, dass zur Panik neigt. Er hatte dämonische Bösartigkeit in sich, eine Energie, die zerstörerisch war. Zur selben Zeit aber von einer Sekunde zur anderen schwankend, konnte er der großzügigste und liebenswürdigste Mensch sein, den man auf der Welt finden konnte. Ich fand seine Jacke wunderbar, die er plötzlich anhatte und er sagte: "Ah, Du hast das gesehen an mir. Das hat mir gestern Yves Saint Laurent in Paris gemacht, er hat es selber geschneidert." Und ich sagte: "Klaus, das ist so eine tolle Jacke." Und er reißt sie sich vom Leib, wirft sie mir über die Schulter und sagt: "Dann nimm sie. Jetzt gehört sie Dir." Keine Möglichkeit, sie wieder zurückzugeben. Ich habe sie heute noch, und das sind so die sehr schönen Erinnerungen an einen ganz großzügigen, liebenswürdigen Mann und verwundbaren und verletzlichen Mann. Komplex, schwierig, von Ängsten geplagt, am Rande des Irrsinns entlangtaumelnd. Und immer wieder vollkommen klar im Kopf und einzigartig als Kinofigur. Es gibt keinen zitierbaren Vergleich.
WDR: Fehlt er dem deutschen Kino?
Herzog: Nein, er fehlt dem Weltkino, auch ein junger Orson Welles und ein junger Marlon Brando fehlen uns allen. Und Kinski fehlt uns allen, nicht nur Deutschland.
WDR: Woran arbeiten Sie gerade?
Herzog: Ich bin bereits in den USA, am Schnitt zu einem neuen Spielfilm, "Invincible", ohne Kinski leider. Im übrigen auch eine Produktion, an der der WDR beteiligt ist. Sie werden das sicher auch in dieser Sendeanstalt zu sehen bekommen.
WDR: Herr Herzog, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Fragen an Barbara Brückner, WDR-Pressestelle, Tel. 0221-220-4607
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