Alle Storys
Folgen
Keine Story von WDR Westdeutscher Rundfunk mehr verpassen.

WDR Westdeutscher Rundfunk

Menschen hautnah: Liebe auf Eis
Ein Eskimo in Köln
Autorin Birgit Quastenberg
WDR Fernsehen, Montag, 5. Februar 2001, 23.15 Uhr

Köln (ots)

Sabine Jung (39) ist eine Inuk, eine Ureinwohnerin
der Arktis aus Labrador. Die Liebe zu Wilfried (41) hat sie vor
sieben Jahren nach Deutschland gebracht. Sie lernte den
Bundeswehr-Mechaniker kennen, als er in der Arktis Tornados tankte.
Aber als kanadischer Eskimo ist sie für ein Leben in der unwirtlichen
Kälte besser ausgerüstet als für das Überleben in deutscher
Großstadthektik.
Sabine führt uns mit ihren geschärften Jägeraugen durch ein
fremdes Land, wo St. Martinszüge wie archaische Riten eines
vergessenen Stammes wirken und Hallenbäder mit ihren Sprungbrettern
Grusel auslösen, denn ein Eskimo würde niemals schwimmen gehen.
Friedhöfe werden zu Kultstätten, wo Tote keine Ruhe finden, und
Fußballfans scheinen wie von einer fremden Macht gesteuert. Jahrelang
hat Sabine geglaubt, dass es regnen wird, wenn sich Kühe hinlegen,
aber glauben wir nicht auch, dass Eskimos sich mit den Nasen küssen?
Am Telefon erzählt Sabina ihrer Mutter, dass sie im Zoo Eisbären
ganz nah gesehen hat. Ihre Mutter versteht nicht, was das sein soll:
ein Zoo. Sabine erklärt, dass das ein Gefängnis nur für Tiere ist.
Die Mutter ist sprachlos.
Mit ihrem Vater und ihren Brüdern ist Sabina auf Robbenjagd
gegangen, in Köln-Porz schiebt sie den Einkaufswagen durch den
Supermarkt, auf der Jagd nach frischem Fisch in der Tiefkühltheke.
Fisch hilft ihr gegen Heimweh. Wie Medizin isst sie ihn einmal die
Woche, roh und gefroren in ihrer Porzer Küche.
Wenn sie sich in ihrer Heimat verläuft, hilft der Blick zum
Horizont, in Köln muss sie auf das Hochhausdach klettern. Die Angst
eines jeden Eskimos, sich in der Fremde zu verlaufen, sitzt tief und
hat sie die ersten Jahre kaum aus dem Haus gehen lassen.
Sabina möchte uns deutschen Ureinwohnern viel von ihrer Heimat
erzählen, aber Fragen zu Iglus und Eisbären beleidigen sie.
Nur alle vier Jahre kann Sabina es sich erlauben, zusammen mit
Tochter Chantal (12) ihre Familie in Labrador zu besuchen. Sabina
trifft es sehr, dass die Leute in ihrem Dorf meinen, sie wäre schon
fast eine "Hallunaq", eine Weiße geworden. Und das alles nur, weil
sie jetzt mit einem Regenschirm spazieren geht.
Redaktion:  Enno Hungerland
Rückfragen::   
WDR-Pressestelle, Annette Metzinger 
Tel.: 0221-220-2770

Original-Content von: WDR Westdeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: WDR Westdeutscher Rundfunk
Weitere Storys: WDR Westdeutscher Rundfunk