Exklusiv in der ARD-Sportschau: Neue Nachweismethoden für Anabolika führen zu Hunderten von positiven Dopingproben
Köln (ots)
Zwei europäische Doping-Kontrolllabore haben - weitgehend unbemerkt - in den letzten Monaten mit verbesserten Nachweismethoden eine erschreckend hohe Zahl von Dopingfällen aufgedeckt. Nach Informationen der ARD-Dopingredaktion haben die Labore in Köln und Moskau in diesem Jahr Hunderte von Athletenproben positiv auf das aus dem DDR-Staatsdoping bekannte Anabolikum Oral-Turinabol und die Substanz Stanozolol, mit der schon Ben Johnson 1988 bei Olympia überführt wurde, getestet. Eine solch hohe Zahl von positiven Testergebnissen auf einen Schlag hat es bei Dopinganalysen in Laboren bisher nicht gegeben. Noch 2012 wären all diese Proben nach Auskunft der Labore unentdeckt geblieben, weil die Nachweisfenster für die Aufdeckung der Substanzen mit der herkömmlichen Nachweismethode deutlich kürzer waren.
Grigory Rodchenko, Leiter des Moskauer Kontrolllabors, der den DDR-Doping-Klassiker Oral-Turinabol aufgespürt hat, sagte gegenüber der ARD-Dopingredaktion: "Mit dieser Nachweismethode haben wir jetzt rund 100 Urinproben positiv getestet, die noch vorher als negativ gemessen worden wären." Das Nachweisfenster für die Entdeckung nach der Verabreichung der Substanz beträgt laut Schätzungen Rodchenkos jetzt sechs Monate und mehr und ist damit deutlich größer als zuvor. Dies trifft auch auf die Substanz Stanozolol zu, die man im Kölner Labor dank der neuen Nachweismethode schon jetzt in weit mehr als 100 Urinproben entdeckte. Der Kölner Dopinganalytiker Hans Geyer erklärte: "Wir haben nach meiner Schätzung hunderte von positiven Fällen, die wir sonst nie gefunden hätten."
Beide Substanzen zählen zu den klassischen Anabolika und gelten als hochwirksam. "Spuren von Oral-Turinabol wurden zum Beispiel bei den Vor-Wettkampfkontrollen anlässlich der Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2013 in den Urinproben entdeckt", erklärte der Moskauer Laborleiter Rodchenko. Oral-Turinabol hatte einst zu gravierenden Gesundheitsschäden bei ehemaligen DDR-Sportlern geführt.
Der Kölner Laboranalytiker Hans Geyer hält es aus biochemischer Sicht für sinnvoll, mit den neuen Nachweismethoden nun auch Nachtests von Proben sportlicher Großereignisse bald durchzuführen. "Mit diesen verbesserten Verfahren ist es bestimmt möglich, positive Fälle in Risikosportarten zu finden", sagte er.
Gegenüber der ARD-Dopingredaktion zeigte sich der für diese Nachtests mit zuständige Arne Ljungqvist, Vorsitzende der Medizinischen Kommission des IOC, von den hohen Zahlen überrascht. Der IOC-Medizin-Chef forderte, eingefrorene Dopingproben von Olympischen Spielen erneut zu untersuchen: "Dieser Fall ist ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit, Nachtests der Olympischen Dopingproben durchzuführen. Hier würde ich sicher Nachtests durchführen. Dafür haben wir ja das Mandat." Aufgrund der bis Ende 2014 geltenden Verjährungsfist von acht Jahren kämen dafür alle Dopingproben der Olympischen Spiele seit 2006 in Betracht. Der Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), David Howman, hält es ebenso für sinnvoll, dass sich das IOC mit dieser Frage beschäftigt: "Wir können die Nachtests nur empfehlen, aber nicht anordnen. Wir denken aber, dass eine solche Information dem IOC weitergegeben werden sollte. Ich denke, dass unserer Empfehlung angesichts solcher sensiblen Fakten dann auch gefolgt wird."
Hierzu berichten die ARD-Sportschau (ARD, Samstag, 16.11.2013, 18:00) und Sport Inside (WDR, Montag, 18.11.2013, 22:45).
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