Flüchtlingsdeal: "Die Türkei ist kein Konzentrationslager"/ ARD-Europastudio Brüssel im Interview mit Ömer Celik, Europaminister der Türkei
Köln (ots)
Die Türkei möchte trotz der Spannungen der letzten Wochen weiter Vollmitglied der EU werden. Das sagte der Europaminister des Landes, Ömer Celik, im Interview mit Markus Preiß, Leiter des ARD-Europastudios Brüssel. In einer Zeit, in der die USA unter Donald Trump womöglich die transatlantischen Beziehungen änderten, brauche die EU starke Partner. Celik wiederholte eine Drohung von Präsident Erdogan, dass die Türkei den Flüchtlingsdeal aufkündigen werde, wenn die EU ihre Zusagen nicht halte. Das Land sei "kein Konzentrationslager". Die Türkei werde sich nach Angaben Celiks bewusst, dass die EU viele der Versprechen aus der Flüchtlingsvereinbarung nicht einhalten werde. Das habe Konsequenzen: "Wenn eine Partei ihre Versprechen nicht einhält, dann wäre die ganze Flüchtlingsvereinbarung bedeutungslos für die andere Seite." Ob das die vom türkischen Präsidenten Erdogan angekündigte Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge nach Europa zur Folge hätte, bejahte Celik: "Vielleicht führt das dazu. Ja, vielleicht könnten sie geöffnet werde. Weil die Türkei kein Konzentrationslager ist. Die Türkei ist kein Land, das man mit Geld für solche Dinge kaufen kann. Ich meine, die Türkei ist kein Land, an das andere Länder nur denken können, wenn es um die Flüchtlingskrise geht." Der türkische Minister kritisierte gegenüber dem ARD Studio Brüssel, dass die EU sich nicht an ihre Zusagen halte: "Der Deal hat verschiedene wichtige Bestandteile: Elemente wie Visaliberalisierung, Umverteilungen und Neuansiedlung von Flüchtlingen, zweimal 3 Mrd. Euro, die finanzielle Hilfe, die die Türkei für die syrischen Flüchtlinge bekommen soll - oder die Beschleunigung der Beitrittsverhandlungen. All diese Aspekte waren zentrale Bestandteile des Deals, aber wir sehen: keines dieser Versprechen, keines dieser Zugeständnisse wurde eingehalten". Weiter sagte er: "Im Gegenteil: Anstatt die Verhandlungen zu beschleunigen, schlägt das Europäische Parlament vor, die Beitrittsgespräche einzufrieren. Und was die finanzielle Hilfe für die Türkei angeht: Das läuft sehr langsam. Wir haben jetzt 800.000 Flüchtlingskinder, die Zugang zu Bildung benötigen. Aber zu dem Zeitpunkt, wenn der Mechanismus endlich anfängt zu liefern, werden diese Kinder, so leid es mir tut, schon das Rentenalter erreicht haben." Gleichwohl erklärte Celik, dass sich die Türkei nicht von Europa abwenden werde. "Wir wollen ein Mitgliedstaat der Europäischen Union sein, weil wir glauben, dass es für beide, die Türkei und die EU, Vorteile bringen würde. Wenn man die Werte, die geteilten Werte in der EU, die demokratische Integration und den möglichen Wandel der EU zu einer globalen Macht betrachtet, dann ist für so eine Perspektive die Türkei in der EU notwendig. Und für die Türkei gibt es auch einen sehr wichtigen Vorteil für das nationale türkische Interesse." Auch die EU muss aus Sicht der Türkei daran interessiert sein. In einer unsicherer werdenden Welt brauche sie Partner: "Wir hören seit den US-Wahlen Hinweise, dass Mr. Trump womöglich die transatlantischen Beziehungen verändert. Und dann noch der der Brexit. Es liegen also jede Menge Unsicherheiten vor uns in naher Zukunft. Das heißt, dass jetzt eigentlich der Zeitpunkt wäre, um stärkere Brücken und stärkere Mechanismen zwischen Europa und der Türkei zu schaffen." Auf Kritik an den massenhaften Festnahmen und Verhaftungen in seinem Land erklärte Celik: "Im Moment arbeiten wir intensiv daran, die Drahtzieher des Putsches vom vergangenen Sommer zu bekämpfen. Und viele Mitglieder des Militärs haben ausgesagt. Sie haben ausgesagt und gestanden. Sie haben gestanden, dass sie die Anweisungen vom Führer der Gülen-Organisation hinter dem Staatsstreich befolgt haben." Nach Ansicht der Türkei laufen die Ermittlungen rechtsstaatlich ab. "Wir sorgen auch dafür: Wenn es Fehler bei den Ermittlungen gibt, dann ist eine Berufung möglich. Die Leute können sich also wehren. Und einige haben ja auch ihren Aufgaben und Ämter schon zurückbekommen." Das vollständige Interview ist auf tagesschau.de zu sehen: http://www .tagesschau.de/ausland/tuerkei-celik-interview-101~_origin-c50ffd10-7 007-4af5-ac4d-765ad426610b.html
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