Rundfunkrat: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht verantwortlich für wirtschaftliche Lage kommerzieller Sender
Köln (ots)
Der Rundfunkrat des WDR hat sich in seiner jüngsten Sitzung in Köln intensiv mit aktuellen medienpolitischen Themen befasst. Unter Vorsitz von Reinhard Grätz verabschiedete das Gremium eine zehn Punkte umfassende Stellungnahme zu Stellenwert, Auftrag und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dieser sei ein hohes Gut, das sich die "in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Menschen durch Zahlung von Gebühren leisteten", heißt es. Folglich müssten deren Interessen, Bedürfnisse, Erwartungen und ihr Vertrauen in die publizistische und technische Kompetenz des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks "strategischer Ansatz und Ausgangspunkt für die Verwendung der Gebührengelder sein". Die Rundfunkanstalten stünden in der Pflicht, den Gebührenzahlern ein modernes, vielfältiges Angebot auf allen Verbreitungs- und Verteilwegen bereit zu stellen.
Die Sender als Auftraggeber, Arbeitgeber, Faktor und Förderer der Kultur sowie die im Rahmen des Programmauftrags entstandenen Beteiligungen gäben "erhebliche Impulse in die Medien- und Kulturwirtschaft sowie in die gesamte kreative Szene, die für Programm, Produktion und Technik maßgeblich" sei. Der WDR sei die größte Kulturinstitution und der größte Kulturförderer des Landes. Wer seine Finanzausstattung beschneiden wolle, treffe letztlich die kulturelle Vielfalt in NRW.
Der Rundfunkrat verwies auf die "Vorrangstellung", die der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach geltendem Verfassungsrecht im dualen System habe. So habe der Gesetzgeber die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihren "klassischen Auftrag" in den Bereichen Meinungs- und Willensbildung, Unterhaltung, Information und kulturelle Verantwortung erfüllen könnten. Außerdem müssten die Sender im Wettbewerb mit den privaten Veranstaltern bestehen können. Aus dieser Vorrangstellung resultiere "keine Verantwortlichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die wirtschaftliche Lage der kommerziellen Medienunternehmen". Für die Privaten gälten vielmehr "die Gesetze des Marktes, die sie selbst mitgestalten, von denen sie profitieren oder nach denen sie Verluste riskieren". Die Öffentlich-Rechtlichen könnten ihre Einnahmen dagegen nur begrenzt durch eigene Aktivitäten selbst gestalten, da sie sich überwiegend aus Gebühren finanzierten.
Als "bewährt" bezeichnete der Rundfunkrat das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Verfahren zur Festsetzung der Rundfunkgebühren. Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) habe ein ausgefeiltes Prüf- und Bewertungsinstrumentarium entwickelt, anhand dessen sie die Finanzbedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten überprüfe. Dabei handle es sich um einen sachlich-fachlich fundierten, mit Augenmaß vorgenommenen Entscheidungsprozess.
Gebührengelder seien kein "Ruhekissen", das die Sender von eigenverantwortlicher Gestaltung der Einnahmeseite im Rahmen des Möglichen entlaste. Der Rundfunkrat prüfe im Rahmen der Haushaltsberatungen regelmäßig, ob der WDR den gesetzlichen Auftrag erfülle, sich seine erforderlichen Einnahmen auch aus Werbung, laufenden Erträgen des Vermögens und Sonstigem selbst zu beschaffen. Das Gremium weist darauf hin, dass der Gesetzgeber dem WDR zudem auferlegt habe, die Abhängigkeit von Gebührenentscheidungen durch Bildung von Rücklagen und Deckungsstöcken für bestimmte Aufgaben wenigstens teilweise aufzufangen.
Politische Verantwortungsträger könnten sich darauf verlassen, dass der WDR nur für schlüssig begründete, die künftige Aufgabenerfüllung sichernde Zwecke zusätzlichen Finanzbedarf anmeldete. Sie müssten aber auch zur Kenntnis nehmen, dass der Rundfunkrat den Sender weiterhin ermuntern werde, dem "von publizistischen Konkurrenten erzeugten Druck standzuhalten und auf die Gewährleistung der Entwicklungsgarantie zu bestehen". Dies gelte insbesondere für die gemeinschaftlichen Internet-Aktivitäten der ARD und des WDR. Ohnehin habe der Kölner Sender seine Online-Angebote auf derzeit 0,8 Prozent des Haushaltsvolumens begrenzt. Dies sei "eine bescheidene Antwort auf die sich rapide wandelnden Mediennutzungsgewohnheiten nicht nur der jungen Generationen. Die Verbreitung von und der Zugang zu öffentlich-rechtlichen Inhalten muss über alle Medien und Plattformen möglich sein", so der Rundfunkrat.
Des weiteren spricht sich das Gremium ausdrücklich für Beteiligungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus. Tochtergesellschaften gefährdeten den kommerziellen Sektor nicht, sicherten aber die Unabhängigkeit und verfassungsrechtlich notwendige Konkurrenzfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Unentbehrlich seien Einnahmen aus der Werbung, auch wenn nach Abzug der Kosten für das Vorabendprogramm nur noch zwischen drei und vier Prozent als Erträge im WDR-Haushalt ankämen.
Zuletzt plädiert der Rundfunkrat dafür, in den "heimischen Regionen keine Konfliktfelder loszutreten", die auf europäischer Ebene bearbeitet seien. Dem deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk komme innerhalb Europas eine Vorbildfunktion zu. "Alle, die medienpolitische Verantwortung tragen, ob in Politik, Gremien oder Geschäftsleitungen von Sendern sind gefordert, dafür einzutreten, dass dieses System als Kontinuum und als eine der Grundkonstanten der Bundesrepublik Deutschland bewahrt bleibt", fordert der Rundfunkrat.
Hinweis: Die Stellungnahme des Rundfunkrates zur aktuellen medienpolitischen Debatte um Stellenwert, Auftrag und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland kann abgerufen werden bei der WDR-Pressestelle, Tel. 0221/220-4603.
Rückfragen:
Gudrun Hindersin, WDR-Pressestelle Tel. 0221/220-2407
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