Gästeführer*innen-Ausbildung auf Sylt: Eine ganz besondere Reise
Gästeführer*innen-Ausbildung auf Sylt: Eine ganz besondere Reise
Um den Gästeführer-Nachwuchs zu fördern, hat Sylt Marketing ein umfangreiches Konzept für eine Ausbildung entwickelt. Nun sind die Absolvent*innen des ersten Jahrgangs bereit, ihr erworbenes Wissen weiterzugeben.
Glücklich halten zwölf von 14 Kursteilnehmer*innen ihre Zeugnisse in den Händen. Sie alle haben es geschafft und die erste Sylter Gästeführer-Ausbildung erfolgreich absolviert. Zwei Jahre haben sie auf diesen Tag hingearbeitet, 134 Stunden Unterricht hinter sich. Ihr Stundenplan war umfangreich und anspruchsvoll: Unter anderem wurden Marketinggrundlagen und Konfliktmanagement behandelt, sie hatten ein zweitägiges Sprechtraining-Seminar, lernten über die Rechtsbeziehung zwischen Gast und Gästeführer, bekamen Steuertipps für Freiberufler, machten einen Erste-Hilfe-Kurs und belegten ein Seminar über Touren für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Und natürlich lernten sie jede Menge über die Insel, ihre Dörfer, ihre Geschichte, ihre Besonderheiten und ihre schönsten Wege. Dozentin für diese regionalspezifischen Teil war Silke von Bremen, die bislang einzige vom Bundesverband der Gästeführer in Deutschland (BVGD) zertifizierte Gästeführerin auf Sylt. Sie trug ihr Wissen zusammen, gab es weiter und war für die Teilnehmer*innen unterstützende Mentorin und verlässliche Ansprechpartnerin.
Aus der Not heraus entstanden
Das Konzept für diese außergewöhnliche Ausbildung entwickelte Anne Daedelow, Leiterin Gruppen- und Geschäftsreisen bei der Sylt Marketing Gesellschaft (SMG). „Im Grunde ist die Planung aus der Not heraus entstanden“, sagt sie rückblickend. Denn für ihre Gruppen, die auch mal 200 Personen und mehr umfassen, organisiert sie regelmäßig Führungen über die Insel. „Es gibt auf Sylt aber einfach nicht genug Gästeführer, um die Nachfrage abzudecken“, weiß sie. Zudem sei die Qualität der angebotenen Führungen nicht immer für den Gast zufriedenstellend. „Es war uns bei der Planung der Ausbildung daher ein Anliegen, die Gästeführungen wertig zu machen und dass sie der Insel gerecht werden.“ Ende 2019 begann sie mit der Konzeptentwicklung. Die Ausbildung sollte dabei sowohl auf die Besonderheiten der Insel zugeschnitten sein als auch den Standards des Bundesverbands der Gästeführer in Deutschland entsprechen, in dem rund 7500 Gästeführer aus mehr als 235 deutschen Städten organisiert sind.
In der Konzept-Vorbereitung sprach Anne Daedelow mit vielen Leistungsträgern auf der Insel, holte sich Rat bei der Volkshochschule in Husum und nahm den BVGD mit ins Boot. Das Programm konzipierte sie so, dass es den Anforderungen für eine Zwei-Sterne-Zertifizierung des BVGD entspricht. Maximal kann bei dem Verein eine Drei-Sterne-Zertifizierung erreicht werden – nach 600 Stunden Unterricht, eine Ein-Stern-Zertifizierung umfasst gerade mal regionales Fachwissen. „Uns war von Anfang an klar, dass wir auf Sylt mit einem speziellen Konzept eine Zwei-Sterne-Zertifizierung anstreben. Und der BVGD hat uns dabei sehr unterstützt und unser Konzept schließlich auch dahingehend anerkannt“, sagt Anne Daedelow. Mit der Durchführung der Ausbildung wurde die Volkshochschule Husum betraut, die im Auftrag des Schulverbandes die Volkshochschule Sylt betreibt. „Auch, wenn das Konzept weitestgehend stand, brauchten wir eine Bildungseinrichtung, die sich als verlässlicher Kooperationspartner um das Teilnehmermanagement kümmerte, uns bei der Planung der Ausbildungsstunden hilft sowie qualifizierte und kompetente Dozent*innen zur Verfügung stellen konnte.“ Finanzielle Unterstützung erhielt das umfangreiche Ausbildungsprogramm von Sven Paulsen, dem Geschäftsführer der Sylter Verkehrsgesellschaft. Durch seine beigesteuerten 3000 Euro konnte für die Teilnehmer*innen die Ausbildungsgebühr niedrig gehalten werden: Für den gesamten Zeitraum und alle Kurse musste jede*r von ihnen nur 610 Euro zahlen.
Große Resonanz und lange Warteliste
Als das Konzept und die Organisation stand, bedurfte es schließlich nur noch an Teilnehmer*innen. „Nachdem wir mit der Idee an die Öffentlichkeit gegangen sind, war die Resonanz überwältigend“, erinnert sie sich. „Wir hatten eine Warteliste von über 60 Personen und haben so weite Kreise gezogen, dass wir sogar mehrere Anmeldungen aus Husum hatten – von bestehenden Gästeführern, die von der Vielfalt der Ausbildung so überzeugt waren, dass sie unbedingt teilnehmen wollten.“ Platz habe es allerdings nur für 18 gegeben, und die ersten, die sich angemeldet haben, kamen schließlich im November 2021 erstmalig in ihrem Kursraum in der Alten Post zusammen. Da die meisten der Teilnehmer*innen voll berufstätig sind, fand die Ausbildung vor allem in Abendkursen und an einigen Wochenenden statt.
Am Samstag, 11. März, war schließlich die praktische Abschlussprüfung. Die Prüfungskommission bildeten Anne Daedelow, Anke Wigger, die Direktorin der vhs Husum und Stefanie Montrone von der Kommission für berufliche Bildung (KBB) beim BVGDs. Von der Kirche St. Niels in Westerland ging es für die Prüfungsgruppe über den Bahnhof, die Westerländer Promenade bis zum Rathausmarkt. Unterwegs musste an verschiedenen Stationen ein zufällig ausgewählter Teilnehmer bis zu 15 Minuten lang referieren – mit Einleitung, Hauptteil und Schluss. „Neben dem Inhalt war die soziale Kompetenz entscheidend“, sagt Anne Daedelow. Anhand eines Punktebogens wurden unter anderem die Atmosphäre, die Darstellung, der Umgang mit Fragen und unvorhergesehenen Situationen oder die Körpersprache bewertet. „Alle waren ein wenig aufgeregt, aber es war ein toller Tag und unsere neuen Gästeführer*innen konnten zeigen, dass sie ihre erworbenen Kenntnisse auch praktisch anwenden können. Nun haben sie die Möglichkeit, ihr Wissen in die Tat umzusetzen und künftig viele Gruppen freundlich und qualifiziert über die Insel zu führen.“
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