FZ: "Anstandsfrist wahren" - Kommentar der "Fuldaer Zeitung" (Samstagausgabe, 30. Oktober 2010) zum Wechsel von Roland Koch zum Baukonzern Bilfinger-Berger.
Fulda (ots)
Nein, das viele Geld, das Roland Koch jetzt bekommen wird, ist nicht das Verwerfliche an dem Wechsel des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten zum Baukonzern Bilfinger-Berger. Auch wenn die Opposition in Wiesbaden schäumt und vom "Lockruf des Geldes" spricht: Dieser Punkt ist in der Debatte um Koch nicht entscheidend und lässt sich mit dem - wie so oft in derartigen Fällen wohlfeilen - Vorwurf der "Neiddebatte" ohnehin rasch aus dem Weg räumen. Nein, die Millionen seien Koch gegönnt - wenn er sie denn tatsächlich verdient und den neuen Job gut macht. Daran scheinen indes Zweifel zu bestehen: Die Börse ist da ehrlicher als die Schönredner in den Vorstandsetagen: Der Aktienkurs rauschte nach Bekanntgabe der Personalie in den Keller, offenbar trauen die Anleger dem Braten nicht so recht. Zwar hat der blitzgescheite Koch zur Genüge Führungsqualitäten bewiesen, hat die Landesregierung und seine Hessen-CDU mit fester Hand geleitet, hat sich über sein juristisches Fachwissen hinaus auch umfangreiche Kompetenzen in der Ökonomie angeeignet - aber reicht das, um einen internationalen Baukonzern zu führen? Zugegeben: Als Spitzenmanager muss man nicht zwangsläufig aus derselben Branche kommen, oft wirken neue Herangehensweisen und Ideen von außen befruchtend und beflügelnd für ein Unternehmen. Aber ist Koch ein Spitzenmanager? Bislang jedenfalls noch nicht. Wenn es bei seinem neuen Job nur darum ginge, die Kommunikationspannen von Bilfinger-Berger beim U-Bahn-Pfusch von Köln auszubügeln, ansonsten ein paar Strippen zu ziehen und neue Geschäfte einzufädeln, dann wäre Koch sicher der richtige Mann. Aber das Alltagsgeschäft an der Konzernspitze? Oder gar Gespräche mit Geschäftspartnern in China, wo Koch wegen seiner offenen Tibet-Sympathien für das Regime ein rotes Tuch ist? Auf jeden Fall kommt der Wechsel Kochs zu früh. Eine Anstandsfrist, wie sie die Korruptionswächter von Transparency vorschlagen, hätte dem neuen Engagement mehr Glaubwürdigkeit verliehen - so liegt der letzte Großauftrag der Landesregierung für Bilfinger-Berger einfach noch zu kurz zurück. Das ist das Schamlose - es hat aber auch Politiker wie Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Dieter Althaus, Ole von Beust oder Martin Bangemann nicht gestört, rasch die Seiten zu wechseln. Prinzipiell muss es eine Durchlässigkeit von der Politik zur Wirtschaft geben - aber auch in umgekehrter Richtung. Dass sich Wirtschaftsvertreter indes selten in politische Ämter verirren, mag an den Offenlegungspflichten für Parlamentarier liegen, möglicherweise auch an der vergleichsweise bescheidenen Bezahlung - vielleicht aber auch daran, dass man inzwischen über wirtschaftliche Lobbygruppen viel schneller Einfluss auf politische Entscheidungen bekommt als über die "Ochsentour" durch die Parteigremien.
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