FZ: Drei schwere Hypotheken "Fuldaer Zeitung" zu SPD/Koalitionsgespräche (16. Dezember 2017)
Fulda (ots)
Das Grundproblem auf dem Weg zu stabilen Verhältnissen ist 82 Tage nach der Wahl nicht beiseite geschafft: Die Wahlverlierer tun so, als seien sie auserkoren, eine Regierung zu bilden, und sehen offenbar keinen Grund abzutreten. Doch auserkoren von wem? Vom Christkind? Vom Wähler jedenfalls nicht. Weder Angela Merkel noch Horst Seehofer noch Martin Schulz werden den Neuanfang, den die Republik dringend bräuchte, ins Rollen bringen. Vom Wahlergebnis gelähmt, inhaltlich zu unbeweglich, ängstlich vor der eigenen Partei, lasten die drei als schwere Hypotheken auf den nun anstehenden Verhandlungen.
Blicken wir zunächst auf die SPD: Totgesagte leben länger - und Tote offenbar noch länger. Als wäre nichts gewesen, als hätte Schulz die einst so stolze Partei von Bebel und Liebknecht nicht an den Rand des Untergangs geführt, wählen ihn die Genossen mit einer satten Mehrheit von 82 Prozent erneut zu ihrem Vorsitzenden. Wo bleibt die Einsicht, dass die Wähler ihn nicht als Kanzler wollten? Einen personellen Neuanfang nach einer solch beschämenden Niederlage zu verweigern, spricht für die Realitätsverweigerung des Umfallers, der staatsmännisches Verantwortungsbewusstsein vorgaukelte, um nach seiner Totalverweigerung nach der Wahl die Rolle rückwärts beim Eintritt in Sondierungsgespräche zu erklären. Offenbar hört sein Verantwortungsbewusstsein genau da auf, wo es um ihn selbst, Ämter und Pöstchen geht. Statt wie gestern in grimmigem Ton Bedingungen für eine mögliche Koalition zu diktieren, sollte er der Partei und dem Land einen Dienst erweisen und den Weg freimachen für einen Nachfolger.
Doch die Partei scheint lieber geschlossen unterzugehen, als gegen Schulz aufzustehen. Nur Sigmar Gabriel soll dem Vernehmen nach gegen Schulz rebellieren, doch der ehemalige SPD-Chef wird sich hüten, ein zweites Mal den Hut in den Ring zu werfen. Liegt das Festhalten an Schulz also vielleicht eher daran, dass es in der SPD derzeit keine charismatischen Köpfe gibt, die bereit stünden, das Ruder zu übernehmen?
So scheint es jedenfalls bei der Union zu sein. Mit derselben Realitätsferne wie Schulz klebt die Kanzlerin und CDU-Chefin an ihren Ämtern, ohne dass sie irgendjemanden fürchten muss, der an ihrem Stuhl sägt. Konsequenzen aus dem Wahldebakel wurden bisher nicht gezogen. Merkel sieht sich als rechtmäßige Architektin einer neuen Regierung: "Weiter so!" Das Manko der Union: Merkel hat alle, die ihr hätten gefährlich werden können, in den vergangenen Jahren kaltgestellt oder abgesägt. Und die Generation von Jens Spahn traut sich den Putsch noch nicht zu.
Solange sie selbst nicht erkennt, dass ihre Zeit vorbei ist, gibt es also nur eine Regierung unter Merkels Führung. Und da sie partout keine Minderheitsregierung oder eine "Kooperationskoalition" will (wohl auch aus der Angst heraus, dass sie bei so mancher Entscheidung die Stimmen der AfD erhielte), sind die Möglichkeiten begrenzt.
Ohne Schulz und Merkel wären aktuell die Chancen für eine stabile Regierung und damit für das Land besser. Solange das die handelnden Personen nicht wahr haben wollen, wird die Regierungsbildung eine Hängepartie bleiben. / Bernd Loskant
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