Mehr Schutz für Hochbetagte
Kommentar der "Fuldaer Zeitung" (19. Dezember 2020) zur Corona-Impfung und den Todesfällen in Seniorenheimen
Fulda (ots)
Es waren eine gute und eine schlechte Nachricht, die gestern fast gleichzeitig die Menschen in Deutschland erreichten: Hochbetagte über 80 und Pflegekräfte kommen zuerst dran, wenn am 27. Dezember die Impfungen starten. Alles andere wäre auch unverantwortlich, denn - und das ist die schlechte Nachricht - die coronabedingten Todesfälle in den Seniorenheimen der Republik nehmen immer schlimmere Ausmaße an. Fast täglich werden auch aus unserer Region neue Opfer gemeldet, selbst im Vogelsbergkreis, der lange Zeit als "Musterschüler" bei den Neuinfektionen galt, ist die Lage außer Kontrolle geraten. 54 Prozent aller Corona-Toten in Hessen, so die neusten Zahlen, lebten in einem Pflegeheim - in anderen Ländern sind die Werte noch höher.
Dass sich mit der Impfung die Lage radikal und schnell bessert, ist allerdings nicht zu erwarten. Auch wenn direkt nach Weihnachten die ersten Impftrupps in den Heimen die Arbeit aufnehmen, wird es dauern, bis die Bewohner, aber auch alle Mitarbeiter und Angehörigen immun gegen das Virus sind. Hier könnte sich die Zurückhaltung der EU bei der Bestellung des Serums negativ auswirken. Im ersten Quartal rechnet Spahn mit 11 bis 13 Millionen Impfdosen für Deutschland - da jeder zweimal geimpft werden muss, reicht das für sechs Millionen Menschen. Allerdings leben allein in Deutschland 24 Millionen, die über 60 sind und zur Risikogruppe gehören.
Abgesehen davon muss mehr getan werden, um die Situation in Heimen in den Griff zu bekommen. Der Vorwurf, in vielen Bereichen die letzten sechs Monate verschlafen und nicht zur Vorbereitung auf den Winter genutzt zu haben, muss sich die Politik auch im Hinblick auf fehlende Schutzkonzepte für Pflegeeinrichtungen gefallen lassen. Schon im Oktober hatten Kassenärzte-Chef Gassen und die Virologen Streeck und Schmidt-Chanasit konkrete Maßnahmen zum Schutz von Senioren vorgelegt, darunter auch Pflicht-Schnelltests für Besucher. Bis es die Politik hörte, vergingen wertvolle Wochen - auch jetzt sind wirksame Maßnahmen nicht einheitlich und flächendeckend eingeführt.
Keine Frage: Jede Maßnahme zum Schutz der Bewohner schränkt auch die ein, die geschützt werden sollen - und ist deshalb sensibel abzuwägen. Doch die Alternative, eine Isolation der Risikogruppen, ist keine. Der Ethikrat hat gestern ein Mindestmaß an sozialen Kontakten angemahnt, zurecht, denn die Vereinsamung im Heim kann ähnlich tödliche Folgen haben wie das Virus selbst. Es wird also eine Mischung aus Impfung und verpflichtenden Schutzmaßnahmen wie Schnelltests für Besucher erforderlich sein, um die Sterberate zu senken. / Bernd Loskant
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