Banken halten Fusionskarussell in Fahrt
Frankfurt am Main (ots)
Übernahmevolumen im europäischen Finanzdienstleistungssektor steigt 2006 um fast 80 Prozent / Banken führen Konsolidierung auch 2007 an / Deutsche Institute in Wartestellung
Die Fusionswelle im europäischen Finanzdienstleistungssektor ist 2006 weiter angestiegen. Das Volumen der Zusammenschlüsse und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, kurz: M&A) legte im Vergleich zum Vorjahr um fast 80 Prozent auf 137 Milliarden Euro zu, wie aus der Studie "Financial Services M&A - Going for growth in Europe" der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hervor geht.
"Der drastische Anstieg ist in erster Linie auf den Bankensektor zurück zu führen. Während hier in den vergangenen Jahren grenzüberschreitende Fusionen dominierten, stand 2006 vor allem in Italien und Frankreich die Konsolidierung auf nationaler Ebene im Vordergrund", erläutert Daniel Knüsel, Partner bei PwC im Bereich Financial Services. Auch 2007 wird der Bankensektor bei der Konsolidierung der europäischen Finanzbranche die Führungsrolle einnehmen. Dafür dürfte allein die Übernahme der niederländischen ABN Amro durch Barclays sorgen.
Im gesamten Finanzdienstleistungssektor verdreifachte sich das Volumen der inländischen Transaktionen gegenüber 2005 auf rund 76 Milliarden Euro, während sich der Wert grenzüberschreitender Verbindungen mit knapp 61 Milliarden Euro im Jahr 2006 nur geringfügig erhöhte. In der Versicherungsbranche stieg der Transaktionswert um gut ein Drittel auf 25 Milliarden Euro.
Deutsche Institute waren 2006 eher Zuschauer als Beteiligte des Fusionsgeschehens: Ihr Anteil am gesamten Transaktionsvolumen sank gegenüber 2005 von 28 Prozent auf nur noch 1,7 Prozent. Im Jahr 2005 hatte die Übernahme der HypoVereinbank durch Unicredit für ein außergewöhnlich hohes Transaktionsvolumen gesorgt. Private-Equity-Fonds blieben auch 2006 an Beteiligungen im Finanzdienstleistungssektor interessiert. Das Volumen der Übernahmen, bei denen Finanzinvestoren als Käufer beteiligt waren, sank jedoch um gut 30 Prozent auf rund 4,3 Milliarden Euro.
Banken suchen den Champion
Der Wert der Fusionen und Übernahmen im Bankensektor verdoppelte sich 2006 auf fast 100 Milliarden Euro und machte damit über 70 Prozent des Transaktionsvolumens in der gesamten Finanzdienstleistungsbranche aus. Dabei zeigte sich vor allem in Italien der Trend zur Bildung nationaler Champions: Neben der Fusion von Banca Intesa und Sanpaolo IMI mit einem Transaktionsvolumen von annähernd 30 Milliarden Euro waren 2006 zwei weitere Zusammenschlüsse italienischer Banken unter den zehn größten Deals im Finanzdienstleistungssektor.
Insbesondere französische Banken versuchten 2006, sich durch Zukäufe im Ausland ein zweites Standbein neben dem Heimatmarkt zu verschaffen. So waren französische Institute an der Mehrzahl der 13 grenzüberschreitenden Zusammenschlüsse als Bieter beteiligt. Bemerkenswert ist auch das gestiegene Interesse an Beteiligungen in Südosteuropa. So übernahm die belgische Dexia die türkische Denizbank für knapp 1,9 Milliarden Euro und Credit Agricole die griechische Emporiki Bank für gut 3 Milliarden Euro. Aber in Südosteuropa entstehen auch aus eigener Kraft regional bedeutende Wettbewerber, wie die politisch sensible Übernahme der türkischen Finansbank durch die National Bank of Greece zeigt.
US-Investoren hielten sich 2006 mit Zukäufen im europäischen Bankensektor stark zurück. Eine Ausnahme ist die Übernahme der österreichischen BAWAG durch ein internationales Konsortium unter Führung des US-Finanzinvestors Cerberus. Allerdings könnte Europa langfristig dank der gesetzlichen Marktbeschränkungen in den USA stärker ins Blickfeld rücken: Die so genannte "deposit cap" schreibt vor, dass kein US-Institut mehr als zehn Prozent der inländischen Bankeinlagen verwalten darf. Damit müssen die großen Banken ab einem bestimmten Punkt für weiteres Wachstum eine Expansion im Ausland in Betracht ziehen.
Deutschland bleibt international gesehen Nebenschauplatz
Während sich die Konsolidierung des europäischen Bankensektors in den kommenden Jahren zweifellos fortsetzen wird, dürfte Deutschland in diesem Prozess eher eine Nebenrolle spielen. "Das dreigliedrige System aus privaten, öffentlichen und genossenschaftlichen Banken bleibt wohl auch in Zukunft in Deutschland stabil." kommentiert Knüsel.
Eine Konsolidierung des deutschen Bankensektors wird es in nächster Zeit eher innerhalb der drei Säulen geben. Für ausländische Banken ist es unter diesen Umständen schwierig, geeignete Partner auf dem deutschen Markt zu finden. Transaktionen wie die Übernahme der HypoVereinsbank durch Unicredit im Jahr 2005 bleiben sicherlich eher die Ausnahme als die Regel.
Allfinanz-Konzept verliert an Attraktivität
Auf den Versicherungssektor entfielen 2006 vier der 20 größten M&A-Transaktionen. In drei Fällen traten Banken als Verkäufer auf: Die Credit Suisse trennte sich von der Versicherungstochter Winterthur, Santander vom Lebensversicherungsgeschäft der Abbey National und die Caisse d'Epargne von der verbliebenen Beteiligung am Versicherer Ecureil Vie.
"Offensichtlich stößt das Allfinanzkonzept von Bank und Versicherung unter einem Dach nicht mehr auf die gleiche Begeisterung wie vor einigen Jahren", kommentiert Knüsel. Allerdings bleibt das Modell in Ländern attraktiv, in denen Versicherungen traditionell stärker von Banken verkauft werden, wie die Fusionsgespräche zwischen der Banca Popolare di Verona und der Cattolica Assicurazioni zeigen. Auch die HSBC hat Anfang 2007 angekündigt, ihre Erträge aus dem Versicherungsgeschäft deutlich steigern zu wollen.
Zusammenschlüsse zwischen Versicherungskonzernen zielten 2006 auf die Realisierung von Skaleneffekten und Verbesserung der Kostenbasis, aber auch eine ausgewogenere Ertragsstruktur ab. Im laufenden Jahr dürfte auch das Interesse von Private-Equity-Fonds insbesondere an Sachversicherungsunternehmen steigen, nachdem der Finanzinvestor Duke Street and Englefield Capital mit dem Verkauf der Equity Insurance Group einen Gewinn von über 200 Millionen Euro erzielte. Der Fonds war nur 18 Monate an der Versicherung beteiligt.
EU fördert Konsolidierung durch SEPA-Richtlinie
Im Bereich der Zahlungsverkehrsdienstleister gab es lange Zeit kaum nennenswerte M&A-Aktivitäten. Das hat sich durch die EU-Richtlinie zur Schaffung eines einheitlichen Zahlungsraums in der Eurozone ("Single Euro Payments Area, SEPA"), der ab 1. Januar 2008 Realität sein soll, geändert. Die Europäische Kommission erhofft sich von einer Vereinheitlichung der grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrssysteme Einsparungen von 50 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr. Langfristig soll jedes Unternehmen und jeder Bürger unabhängig vom Herkunftsland seinen gesamten Zahlungsverkehr über eine beliebige Bank des Eurosystems abwickeln können.
Für die bislang national ausgerichteten Zahlungsverkehrsdienstleister ist die SEPA-Richtlinie nicht nur eine technologische Herausforderung, sondern auch eine ökonomische: Mit zunehmender Angleichung der Standards können sich Unternehmen und Banken für den europaweit günstigsten Anbieter entscheiden. Um Kosten zu senken, brauchen Zahlungsverkehrsdienstleister eine ausreichende kritische Masse im europaweiten Wettbewerb.
Grenzüberschreitende Fusionen sind die logische Konsequenz: Im Februar 2006 schlossen sich das deutsche Transaktionsinstitut und die niederländische Interpay zusammen, und im Sommer kaufte der französische IT-Dienstleister Atos Origin die belgische Banksys. Zu Beginn des Jahres 2007 schlossen sich in Großbritannien die Provider Voca und Link zu einem der europaweit führenden Zahlungsverkehrs-dienstleister zusammen.
Die Studie finden Sie als kostenlosen Download unter http://www.pwc.de/portal/pub/presse
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Dr. Daniel Knüsel PricewaterhouseCoopers AG WPG Advisory Financial Services Tel.: (069) 95 85 - 58 03 E-Mail: daniel.knuesel@de.pwc.com
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