Reimann zum Pflege-Report 2024: Caring Communities als Leitbild für die Pflege vor Ort
Berlin (ots)
Der diesjährige Pflege-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeichnet ein heterogenes Bild der Pflege in Deutschland, mit erheblichen regionalen Varianzen bei der Entwicklung von Pflegebedürftigkeit und bei der Art der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen. Deutlich wird: Es kommt darauf an, was vor Ort, im Quartier, passiert.
Deshalb fordert die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Dr. Carola Reimann, ein Umdenken in der Pflege: "Wenn wir Menschen im Teilleistungssystem der Sozialen Pflegeversicherung auch künftig so lange wie möglich gut in der gewohnten Umgebung versorgen möchten, müssen wir neue Wege in der Pflege gehen. Um den Wünschen der Menschen mit Unterstützungsbedarf nach Verbleib in ihrer gewohnten Umgebung und nach gesellschaftlicher Teilhabe zu entsprechen und auch, um Unterstützung und Pflege vor Ort zu organisieren, kommt den Kommunen eine zentrale Rolle zu. Dafür sind Caring Communities ein geeigneter Ansatz."
Das Leitbild der Caring Communities, das auch auf den 7. Altenbericht der Bundesregierung "Sorge und Mitverantwortung in der Kommune" zurückgeht, stellt integrierte sozialräumliche Planung, innovative Wohnformen, den effizienten Einsatz professioneller Pflege und den Aufbau von unterstützenden Netzwerken vor Ort in den Mittelpunkt. Diese bestehen aus An- und Zugehörigen, Ehrenamtlichen sowie aus professionellen Akteuren der Gesundheits- und Pflegeversorgung. "Gerade vor dem Hintergrund des Aufweichens traditioneller Familienstrukturen sind lokale Netzwerke wesentlich. Darin spielen auch Freiwillige eine entscheidende Rolle, um durch niedrigschwellige Unterstützung die Teilhabe am Leben und den Erhalt sozialer Kontakte zu fördern", so Reimann.
Der Pflege-Report des WIdO weist neben den Voraussetzungen einer datenbasierten sozialräumlich orientierten Planung und einem Strukturaufbau vor Ort auch auf das Potential der Babyboomer für ehrenamtliches Engagement nach Eintritt in den Ruhestand hin.
Forsa-Umfrage: Hohe Bereitschaft für Engagement in Caring Communities
Um die Bereitschaft unter den Babyboomern zur Übernahme von Sorgeaufgaben im Rahmen von Caring Communities zu ermitteln, hat die AOK eine repräsentative forsa-Umfrage in Auftrag gegeben, bei der 2.000 Personen befragt wurden, darunter 1.000 aus der Generation der Babyboomer. Dabei gaben 64 Prozent der Babyboomer an, sich grundsätzlich vorstellen zu können, ehrenamtliche Tätigkeiten zur Unterstützung von pflegebedürftigen Menschen im Alltag in organisierten Netzwerken zu übernehmen. 43 Prozent der Babyboomer engagieren sich bereits ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen, jeder Fünfte (22 Prozent) davon unterstützt heute schon alte, kranke, pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderung im Alltag.
Bei der Frage nach den vorstellbaren Tätigkeiten gaben 92 Prozent aller Befragten wie auch der Babyboomer mit grundsätzlicher Bereitschaft zum Ehrenamt in der Pflege an, bevorzugt beim Einkaufen unterstützen zu wollen. 84 Prozent (86 Prozent der Babyboomer) könnten sich vorstellen, Freizeitaktivitäten wie Spaziergänge, Vorlesen oder Gesellschaft leisten zu übernehmen und 77 Prozent bzw. sogar 84 Prozent der Babyboomer, bei Behördengängen oder Arztbesuchen zu begleiten. 42 Prozent der Befragten (37 Prozent der Babyboomer) wären bereit, im Haushalt zu unterstützen, etwa beim Kochen oder Putzen. Reimann: "Diese Zahlen spornen an, das Leitbild von Caring Communities weiter zu verfolgen. Wir haben in Deutschland bereits ein gutes Netz an Freiwilligen, und es wird für die Zukunft wichtig sein, diese Ressource auch für Sorge und Pflege stärker zu aktivieren. Dabei geht es keineswegs darum, die professionelle Pflege zu ersetzen, sondern vielmehr um die Organisation von Strukturen, in denen professionelle Akteure und Freiwillige sich vernetzen, was zusammengenommen einen echten Unterschied machen kann."
Die forsa-Umfrage zeigt zudem, dass die Idee von Caring Communities in der Bevölkerung auch aus Versorgungsperspektive auf große Zustimmung stößt: 86 Prozent aller Befragten gaben an, sich vorstellen zu können, bei Pflegebedürftigkeit im Alter selbst von Ehrenamtlichen unterstützt zu werden, wenn sie dafür länger in der gewohnten Umgebung bleiben können. 76 Prozent der Befragten können sich vorstellen, in gemischten Wohnformen zu leben, in dem Nicht-Pflegebedürftige und Pflegebedürftige gemeinsam leben und sich gegenseitig unterstützen.
Empfehlungen für Modellvorhaben veröffentlicht
Die Stadt Hannover geht mit gutem Beispiel auf dem Weg zur Verwirklichung von Caring Communities voran. Auf der Grundlage eines partizipativen Planungsprozesses werden nun sogenannte Quartierszentren aufgebaut. In diesen werden Beratungs-, Bildungs- und Kulturangebote zur gesellschaftlichen Teilhabe geschaffen, gleichzeitig gibt es therapeutische, medizinische und pflegerische Angebote. Ein Quartierszentrum soll beispielsweise als Wohn- und Pflegezentrum mit Plätzen für die Langzeitpflege und im betreuten Wohnen ausgestaltet werden; daran angeschlossen sind Angebote wie präventive Hausbesuche oder ein gemeinsamer Mittagstisch für die Bewohner in der Umgebung. Zudem gibt es Kooperationen mit Arztpraxen, Angehörigenschulungen und mehr. Dagmar Vogt-Janssen, Leiterin Fachbereich Senioren der Landeshauptstadt Hannover, erklärt: "Ganz wesentlich für eine kommunale zukunftsorientierte Gestaltung des Sozialraums ist der Auf- und Ausbau von Teilhabe- und Mitwirkungsmöglichkeiten in den Quartieren vor Ort, die sowohl Begegnung und soziales Miteinander fördern, als auch die Menschen in ihren Quartieren zu Mitgestaltern ihrer sozialen Infrastruktur vor Ort zu machen."
Ein wichtiger Schritt hin zu Caring Communities ist die Veröffentlichung der Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands und der Länder zu gemeinsamen Modellvorhaben vor Ort und im Quartier von Kommunen, Ländern und Pflegeversicherung am 18. November. Auch Maßnahmen zum Aufbau ehrenamtlicher Strukturen sind förderfähig. Reimann: "Damit können Schritte in die richtige Richtung unternommen werden, leider sind die Modellvorhaben aber auf vier Jahre bis 2028 begrenzt. Geeigneter wäre gerade durch den starken Handlungsdruck für neue Lösungen ein permanentes Strukturentwicklungsbudget."
Weitere Informationen und die gesamte Pressemappe zum Pflege-Report 2024 finden Sie unter www.aok.de/pp
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