Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
BLUE JASMINE erhält Prädikat "besonders wertvoll"/Neuer Film von Woody Allen begeistert die FBW-Jury - Auszeichnung auch für zwei Kinder- und drei Dokumentarfilme
Wiesbaden (ots)
Wiesbaden, 6. November. Fast jährlich produziert Woody Allen einen Film, doch sein neuestes Werk ist anders. Mit BLUE JASMINE (Start: 7. November) kehrt der Regisseur zurück in die USA. Cate Blanchett verkörpert Jasmine, die, nachdem ihr Mann wegen Investmentbetrugs festgenommen wurde, sich in einem Leben ohne Reichtum und Luxus zurechtfinden muss. Die FBW-Jury war begeistert von Cate Blanchetts überragender Darstellerleistung, den Dialogen und dem intensiv aufspielendem Figurenensemble, dem man anmerkt, dass der Meisterregisseur aus jedem einzelnen das Beste herauskitzeln kann. Diese große Leistung würdigte die Jury mit dem höchsten Prädikat "besonders wertvoll".
Für junge Kinozuschauer empfiehlt die FBW in dieser Woche zwei besonders ansprechende Filme: In KOPFÜBER (Start: 7. November) erzählt Regisseur Bernd Sahling die Geschichte des 10jährigen Sascha, der aufgrund einer Lernschwäche in eine Förderschule geschickt wird. Als der Arzt bei ihm ADHS diagnostiziert und er Medikamente erhält, verändert sich auch Saschas Wesen. Die FBW-Jury verlieh dem Film das Prädikat "wertvoll" und schreibt in ihrem Gutachten: "Der Film entlässt den Betrachter mit vielen Fragen, zweifelt gängige Lösungen an und stellt andere Wege zur Diskussion." Der zweite FBW-Kinderkinotipp, DAS KLEINE GESPENST (Start: 7. November), eignet sich schon für die jüngsten Zuschauer. Regisseur Alain Gsponer hat sich mit dieser allerersten (!) Realverfilmung der beliebten Geschichte von Ottfried Preußler angenommen. Ein detailgetreues Setting, lustige Figuren und ein entzückend unschuldiges Gespenst, das sich selbst den größten Wunsch erfüllen möchte, erschaffen gelungenes Kinderkino für Preußler-Fans und solche, die es noch werden wollen. In ihrem Gutachten zu dem mit "wertvoll" ausgezeichneten Film schreibt die Jury: "Ein mit viel Herzblut und witzigen Ideen aufwändig gemachter Film für Kinder und ihre Eltern, die zusammen ins Kino gehen."
Gleich drei Dokumentarfilme legen die Gutachter der FBW in dieser Woche den Kinozuschauern ans Herz. MASTER OF THE UNIVERSE (Start: 7. November) begleitet den ehemaligen Börsenmakler Rainer Voss in ein leerstehendes Bankgebäude im Herzen der Frankfurter City. Dort erzählt Voss vom Finanzboom der letzten Jahrzehnte und entblättert ungeschönt und offen aus der Sicht eines "Insiders" die Bankenkrise. "Ein formal kühn gestalteter Dokumentarfilm, bei dem die Stilisierung aber nie vom Inhalt ablenkt. Und die Botschaft ist beängstigend." So die fünfköpfige Expertenrunde, die das Prädikat "besonders wertvoll" verlieh. Weitere Doku-Highlights in dieser Woche sind BLACKFISH und CHASING ICE. In BLACKFISH greift die Filmemacherin Gabriela Cowperthwaite die Tragödie der Waltrainerin Dawn Brancheau auf, die von einem Wal in SeaWorld getötet wurde. Offiziell ein "Unfall", doch für Experten und ehemalige Trainer eine Verkettung von tragischen Umständen, die auf der nicht artgerechten Behandlung der Tiere im Vergnügungspark fußen. Die Jury lobte insbesondere die "verständliche und eindrückliche Erzählung der Geschichte". Die Botschaft von CHASING ICE bezieht sich auf den voranschreitenden Klimawandel. Der Film begleitet den Fotografen James Balog und dessen Langzeit-Fotoprojekt über den Gletscherschwund. Seine Mission ist es, aufzuklären und zu warnen, bevor es zu spät ist. Beeindruckt kam die FBW-Jury zu dem Schluss: "Die Bilder von James Balog sind vielleicht die überzeugendsten Belege für die Konsequenzen der globalen Erwärmung, die es gibt." Beide Filme erhielten das Prädikat "wertvoll".
Prädikatsfilme vom 7. November 2013
Blue Jasmine
Spielfilm, Drama. USA 2013 Filmstart: 07.11.2013
Für Jasmine, Ex-Frau eines reichen Finanzhais, bricht das High-Society-Leben wie ein Kartenhaus zusammen, seitdem ihr Mann als Betrüger aufgeflogen ist. Völlig pleite und als nervliches Wrack reist Jasmine mit viel Gepäck nach San Francisco zu ihrer Adoptivschwester Ginger, die sie in ihrer kleinen Wohnung aufnimmt. Zwar hält sie den Lebensstil ihrer Schwester für unter ihrer Würde, realisiert aber, dass sie gezwungenermaßen umdenken muss, wenn sie irgendwie über die Runden kommen will. Nachdem Woody Allen einige Jahre in Europa gedreht hat, kehrt er mit BLUE JASMINE zu seinen Wurzeln in die USA zurück. Die Dialoge wechseln von charmanter Nonchalance bis hin zu tragischen Abgründen. Die Kamera fängt den stetigen Wechsel zwischen Jasmines Upper-Class-Leben in New York und ihrem Absturz in San Francisco gekonnt ein. Cate Blanchett liefert als Jasmine eine wahre Tour de Force, ihr Spiel ist ein Seelenstriptease, die konstante Demontage einer perfekten Maske. Als starken Gegenpart verkörpert Sally Hawkins mit wahrer Herzenswärme ihre Schwester Ginger. Ein mitreißendes psychologisches Drama mit subtilen Untertönen und dramaturgischen Überraschungen bis zum Schluss - meisterlich!
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/blue_jasmine
Kopfüber
Spielfilm, Kinder- und Jugendfilm. Deutschland 2013. Filmstart: 07.11.2013
Der 10jährige Sascha ist ein sehr aufgeweckter Junge, der manchmal nicht so recht weiß, wohin mit seiner Energie - Probleme sind da vorprogrammiert. Immer verlassen kann er sich eigentlich nur auf seine beste Freundin Elli, mit der er gemeinsam Abenteuer erlebt. Langsames Vertrauen entwickelt er auch zu Frank, seinem Erziehungsberater. Als auf dessen Initiative hin bei Sascha ADHS diagnostiziert wird ändert sich Sascha von heute auf morgen, was vor allem Elli gar nicht gefällt. Die Erzählung aus Saschas Perspektive überzeugt durch die bis ins Detail recherchierte Darstellung der Lebenswelt eines an ADHS erkrankten Jungen, der von Marcel Hoffmann wunderbar verkörpert wird. Die Krankheit und der Umgang damit stehen im Mittelpunkt des Films. Einen wichtigen Stellenwert räumt der Film vor allen Dingen der Freundschaft zwischen Elli und Sascha ein. Durch sein außergewöhnliches und hochaktuelles Thema und seine sensible Erzählhaltung lädt der Film sowohl Kinder, Jugendliche als auch Erwachsene zum Nachdenken ein.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/kopfueber
Das kleine Gespenst
Spielfilm, Kinderfilm. Deutschland, Schweiz 2013. Startdatum: 07.11.2013
Das kleine Gespenst lebt im Grunde zufrieden und glücklich auf der Burg Eulenstein. Jede Nacht zur Geisterstunde dreht es im Burginneren seine Runden, wackelt mit seinem Zauberschlüssel und unterhält sich mit seinem Freund, dem Uhu Schuhu. Doch da gibt es etwas, was sich das kleine Gespenst sehnlich wünscht: Einmal nicht nach einer Stunde wieder einschlafen und auch mal tagsüber wach sein, andere Menschen treffen, die Sonne sehen. Eines Tages wird dieser Wunsch tatsächlich Wirklichkeit. Und das kleine Gespenst macht sich auf in die Stadt. Aber ist die denn schon bereit für die Begegnung mit einem Gespenst? Vor fast fünfzig Jahren erfand der berühmte Kinderbuchautor Otfried Preußler den kleinen liebenwerten Geisterfreund, dessen größter Wunsch es ist, die Welt bei Tageslicht zu erleben. Nun ist unter der Regie von Alain Gsponer die erste Realverfilmung gelungen, die beweist, dass die Geschichte für Kinder nichts an Faszination verloren hat. Das Gespenst ist liebevoll animiert und Anna Thalbach spricht ihn mit einer gelungenen frech-liebenswerten Mischung. Erweitert wurde die Handlung um einige komische Momente. So gibt es die Feuerwehr, die mit ihren ungelenken Rettungseinsätzen so manchen Lacher auf ihrer Seite hat. Die Kinder wiederum sind neben dem kleinen Gespenst die Hauptfiguren der Geschichte und zeigen, dass man nicht erwachsen sein muss, um ein Held zu sein. DAS KLEINE GESPENST begeistert durch seine detailverliebte Ausstattung und bietet schon den kleinen Zuschauern beste Unterhaltung. Zeitlos und ein wenig nostalgisch erzählt, ist sie außerdem eine gelungene Umsetzung des Kinderbuchklassikers.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/das_kleine_gespenst_1
Master of the Universe
Dokumentarfilm. Deutschland 2013. Filmstart: 07.11.2013 Prädikat besonders wertvoll
Das Hochhaus im Frankfurter Bankenviertel steht seit sechs Jahren leer. Einige Stühle und Tische befinden sich noch in den leeren Räumen, die Panorama-Fenster zeigen den Blick auf neue und alte Türme im Herzen des deutschen Finanzwesens. Und im Raum sitzt ein Mann und erzählt. Sein Name ist Rainer Voss und er berichtet offen und ohne zu beschönigen von seinem zurückliegenden Leben als Investmentbanker. Denn er war dabei, als die Spekulationsgeschäfte losgingen, als die Exzesse der Großbanken immer größer und unkontrollierbarer wurden und alles auf die riesige Katastrophe zusteuerte, die die Finanzwelt 2008 erlebte. Der Filmemacher Marc Bauder lässt seinem charismatischen Protagonisten Voss viel Raum für seinen Bericht. An richtigen und wichtigen Stellen hakt er nach, ansonsten überlässt er Voss ganz allein die Bühne. Untermalt werden seine Erinnerungen von ungeheuer beeindruckenden Bildern der Hochhauslandschaft in der Frankfurter City. Wie eine zusätzliche Erklärung für das Gesagte zeigen sie gewichtige Bauten als Zeichen für einen Gigantismus, der ins Bodenlose fallen musste. Rainer Voss ist mittlerweile raus aus dem Finanzzirkus. Er führt ein Leben fern von Börsenspekulationen. Die aber, so Voss, werden weitergehen. Weil der Schock noch nicht genug war. Ein bemerkenswerter Film über ein aktuelles globales Krisenthema.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/master_of_the_universe
Blackfish
Dokumentarfilm. USA 2012. Filmstart: 07.11.2013 Prädikat wertvoll
Am 24. Februar 2010 ereignete sich im Meerespark SeaWorld in Orlando ein furchtbares Unglück. Die erfahrene Orca-Trainerin Dawn Brancheau führte gerade ihre Show vor, als der Walbulle Tilikum sie auf einmal unter Wasser zog. Brancheau ertrank. Seit diesem Zeitpunkt ist es Trainern in SeaWorld nicht mehr erlaubt, mit den Walen direkt zu interagieren. Die Filmemacherin Gabriela Cowperthwaite setzt diesen tödlichen Vorfall an den Anfang ihres aufrüttelnden Dokumentarfilms BLACKFISH. Sie lässt ehemalige Trainer des Parks zu Wort kommen, die von ihren Anfängen in SeaWorld erzählen und die teilweise unwürdigen Lebensbedingungen der Meerestiere beschreiben. In viel zu kleinen Bassins werden die Wale gehalten, die Folge sind physische und psychische Leidenszustände und ein aggressives Verhalten der Tiere gegenüber den Trainern. Denn Brancheaus "Unfall" war kein Einzelfall. Cowperthwaite bedient sich vieler Originalaufnahmen und konterkariert sie mit Werbematerial von SeaWorld, um auf Widersprüche zwischen äußerer Fassade und tatsächlicher Realität aufmerksam zu machen. Bei den Gesprächen zeigt sich die Liebe aller ehemaligen Trainer zu den Tieren. Was sie fordern, sind bessere Unterbringungen und Bedingungen für diese majestätischen Wesen. Der Film, für den SeaWorld eine Zusammenarbeit verweigerte, transportiert eine deutliche Botschaft mit drastischen Bildern, die unter die Haut gehen und den Betrachter nicht kalt lassen. BLACKFISH hinterfragt ein System, unter dem schutzlose Lebenswesen leiden. Und zeigt gleichzeitig deren Schönheit in der freien Natur, wo sie nun einmal hingehören.
http://www.fbw-filmbewertung.com/film/blackfish
Chasing Ice
Dokumentarfilm. USA 2012. Filmstart: 07.11.2013 Prädikat wertvoll
James Balog ist Fotograf. Voller Leidenschaft widmet er sich seiner Berufung und dem jeweiligen Objekt, das er betrachtet. Vor Jahren fiel seine Aufmerksamkeit auf die Schönheit und Faszination der Materie Eis. Doch durch den Klimawandel und die darauf folgende Erderwärmung verschwindet das Eis nach und nach von der Erde. Gletscher schmelzen, die Temperaturen steigen nach oben und die Naturkatastrophen häufen sich. Doch immer noch gibt es Zweifler an dieser wissenschaftlich verifizierten ökologischen Katastrophe. Und so hat sich James Balog zu einem Langzeitprojekt entschlossen. In seiner Studie "Extreme Ice Survey (EIS)" platzierte er mehrere Kameras an verschiedenen Orten in der Welt wie Island, Alaska oder Montana. Dort finden sich riesige Gletscherformationen, die seit Urzeiten vorhanden sind. Und die Ergebnisse seiner Studie sind erschreckend. Der Film unter der Regie von Jeff Orlowski begleitet den engagierten Fotokünstler bei seinem Projekt mit allen Hürden und Problemen. Dazwischen immer wieder Aufnahmen des "ewigen" Eises, mit seiner gleichzeitigen Fragilität und Erhabenheit. Und zum Schluss begleitet der Film Balog bei seiner wichtigsten Mission: die Botschaft des drohenden ökologischen Kollapses den Leuten zu vermitteln. Vor allem den Zweiflern. Denn nach diesen Bildern ist es noch nicht zu spät zum Handeln. Aber zu spät zum Zweifeln.
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